BGH: Keine Verpflichtung eines unterhaltspflichtigen Kindes zur Annahme eines Darlehensangebotes eines Sozialhilfeträgers

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Wird ein Kind verpflichtet, ein Darlehensangebot eines Sozialhilfeträgers anzunehmen, um Unterhaltsansprüche seiner Eltern gegenüber diesem erfüllen zu können, ist dies verfassungswidrig.

Mit Beschluss vom 20.03.2013, Az.: XII ZB 81/11, hat der Bundesgerichtshof die Verpflichtung eines unterhaltspflichtigen Kindes, das zur Erfüllung der auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Anspruchs seiner Eltern auf Zahlung von Unterhalt auf die Annahme eines Darlehensangebotes des Sozialhilfeträgers angewiesen war, für verfassungswidrig erklärt.

Grundlage dieser Entscheidung ist der Umstand, dass mit Abschuss des Darlehensvertrages in der Regel eine Sicherungsvereinbarung zwischen dem Darlehensnehmer und dem Darlehensgeber getroffen wird, die die Eintragung einer der Darlehenshöhe entsprechenden Grundschuld ins Grundbuch zum Gegenstand hat.

Zweck dieser Grundschuld ist die Sicherung der Rückgewähransprüche des Darlehensgebers, im vorliegenden Fall also des Sozialhilfeträgers. Der vorbenannte Zweck entfällt jedoch dann, wenn dem Anspruch des Darlehensgebers auf Rückgewähr der Darlehenssumme eine dauernde Einrede des Darlehensnehmers entgegensteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Darlehensvertrag gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB oder gegen die guten Sitten im Sinne von § 138 BGB verstößt. Ein solcher Verstoß liegt immer dann vor, wenn die Belastung des Darlehensnehmers mit einem grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen in seine gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geschützte finanzielle Dispositionsfreiheit eingreift und dieser Eingriff keine Stütze in der verfassungsmäßigen Ordnung findet. Die Folge eines solchen Verstoßes ist die Nichtigkeit des Darlehensvertrages verbunden mit der Nichtigkeit der mit dem Darlehensvertrag einhergehenden Sicherungsvereinbarung.

Infolgedessen kann der Sozialhilfeträger den seinerseits gegenüber dem unterhaltspflichtigen Kind geltend gemachten, aus abgetretenem Recht auf ihn übergegangenen Anspruch auf Zahlung des Elternunterhaltes nicht mit der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes begründen, die erst mit der durch das Darlehensangebot des Sozialhilfeträgers eröffneten Möglichkeit zum Einsatz von Vermögen begründen. Dies stellt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Sozialhilfeträgers dar. Beruft sich der Darlehensgeber auf eine formale Rechtsposition, die er durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erlangt hat, kann ihm der Darlehensnehmer nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten.

Gleiches gilt für die Inanspruchnahme des Verpflichteten aus einer Sicherheit, die für eine durch ein rechtlich zu missbilligendes Verhalten des Berechtigten entstandene Forderung bestellt worden ist. Beruhen der Vertragsschluss und die Bestellung einer Sicherheit auf einem gesetz-, sitten- oder vertragswidrigen Verhalten, würde die Eintragung einer Grundschuld ins Grundbuch die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen.

Ein Verstoß gegen die Verfassung liegt in diesem Sinne insbesondere dann vor, wenn ein zivilrechtlich nicht gegebener Anspruch auf Elternunterhalt mit Hilfe eines vom Sozialhilfeträger gewährten Darlehens begründet werden soll. Denn sowohl das Unterhaltsrecht als auch das Sozialhilferecht setzen bei einem Unterhaltsanspruch voraus, dass die Bedürftigkeit des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zeitgleich vorliegen.

Könne man die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes nunmehr jedoch mit Hilfe eines vom Sozialhilfeträger angebotenen Darlehens herstellen, hätte es dieser in der Hand, einen Sozialhilfeanspruch nicht zum Tragen kommen zu lassen. Dies hätte zur Folge, dass ein Bedürftiger zwar selbst mit der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches gegenüber seinem nicht leistungsfähigen Kind scheitern würde, der Sozialhilfeträger jedoch mit einem entsprechenden Darlehensangebot den Unterhaltsanspruch der Eltern begründen, die Erfüllung durch das unterhaltspflichtige Kind damit quasi erzwingen und sich selbst damit von seiner Verpflichtung zur Sozialhilfegewährung befreien könnte. Dies liefe dem Sozialstaatgebot jedoch zuwider, welches fordere, Menschen einen Anspruch auf staatliche Hilfe zukommen zu lassen, um ihr Einkommen auf diese Art und Weise sichern zu können.

Sollte die vorbenannte Grundschuld dennoch bereits ins Grundbuch eingetragen worden sein, steht dem Darlehensnehmer gegen den Darlehensgeber aus der zwischen ihnen geschlossenen Sicherungsvereinbarung ein Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Löschungsbewilligung zu. Dieser findet seine Grundlage im Wegfall des Sicherungszwecks. Da durch die zwischen den Beteiligten geschlossenen Sicherungsvereinbarung Einreden und Einwendungen, die dem Sicherungsgeber gegen die Forderung aus dem Darlehensvertrag zustehen, auf die Grundschuld bezogen werden können, kann der Sicherungsgeber die Erteilung der Löschungsbewilligung vom Sicherungsnehmer verlangen, wenn der Durchsetzung der gesicherten Forderung eine dauernde Einrede oder Einwendung entgegensteht. In diesem Fall kann der Sicherungszweck nicht mehr erreicht werden.

Achten Sie folglich darauf, dass Sie gegenüber einem Sozialhilfeträger nicht verpflichtet sind, Darlehensangebote anzunehmen, um die Ihren Eltern zustehenden Ansprüche auf Elternunterhalt zu erfüllen.

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