Insolvenz: Sanieren statt Abwickeln

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Gerät ein Unternehmen in die Krise, stellt sich die Frage, ob eine Sanierung nur durch ein Insolvenzverfahren oder auch durch eine außergerichtliche Strategie möglich ist.

Die Fallkonstellation

Die im Titel aufgeworfene Frage wird hier aus Sicht eines familiengeführten Unternehmens, KMU (kleine und mittelständische Unternehmen), diskutiert. In der fiktiven GmbH halten der geschäftsführende Gesellschafter oder enge Familienmitglieder 100 Prozent der Anteile. Beispielhaft wird unterstellt, dass das Unternehmen durch einen exogenen Schock – wie die Finanzkrise 2008 – ein erhebliches negatives Ergebnis verzeichnen musste. Das Unternehmen hat das Eigenkapital aufgebraucht, die Liquidität reicht für einen längeren planerisch befristeten Zeitraum nicht aus, um den Kapitaldienst vollständig zu decken. Die Unterdeckung liegt in der Zukunft und ist damit als drohende Zahlungsunfähigkeit zu beschreiben.

Die Skizzierung dieses Falls ist ausreichend bedrohlich, um bei einem geschäftsführenden Gesellschafter sofortigen Handlungsdruck auszulösen (§ 17 Abs. 2, § 18 InsO). Im Regelfall ist es im Interesse der GmbH, dass eine möglichst geräuschlose Sanierung unter maximalem Ausschluss der Öffentlichkeit erreicht wird. Dem krisenbehafteten Unternehmen wird im Marktumfeld und auch intern wenig Vertrauen entgegengebracht. Die GmbH tendiert deswegen dazu, zunächst soweit wie möglich den Gesellschafter in Anspruch zu nehmen. Wenn dort nicht eine ausreichende Bereitschaft oder die Möglichkeit dazu besteht, wird versucht, eine außergerichtliche Sanierung mit Unterstützung der Marktpartner zu erreichen.

In der hier vorgegebenen Fallkonstellation ist der geschäftsführende Gesellschafter zunächst der uneingeschränkte Herrscher über die Vorgehensweise und wird die geschäftlichen und privaten Interessen gegeneinander abwägen.

Sanierung bedeutet Veränderung

In den seltensten Fällen bleiben die Strukturen des Unternehmens unangetastet, und es wird Verlierer bei der Sanierung geben: beim Gesellschafter, innerhalb des Unternehmens und/oder bei den Marktpartnern. Um eine Entscheidung für das weitere Vorgehen treffen zu können, ist eine stufenweise Prüfung der Ist-Situation notwendig und die Beantwortung dieser Fragen:

a| Liegt oder wird eine Antragstellungspflicht auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen?

b| Liegen anfechtungsrelevante Handlungen des geschäftsführenden Gesellschafters vor (Anfechtungsrisiko)? Zur Eigensicherung des Gesellschafterinteresses und seiner privaten Vermögenssphäre sind die unternehmerischen Handlungen bis zur Krise einer Prüfung zu unterwerfen. § 1 Abs. 1 AnfG bietet dem benachteiligten Gläubiger außerhalb der Insolvenz die Möglichkeit zur Anfechtung der schuldnerischen Handlungen. Zu berücksichtigen ist auch das Scheitern der außergerichtlichen Sanierung, da dem Verwalter in einer anschließenden Insolvenz nach §§ 129 ff InsO ein starkes Instrument an die Hand gegeben wird. Soweit möglich, ist eine Vergleichsrechnung der Krisenkosten auf der Gesellschafterebene durchzuführen, um die Kosten-und Effizienzvorteile zwischen der gerichtlichen und außergerichtlichen Sanierung durchzuführen.

c| Sind Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit des Unternehmens gegeben?

Wann Wahlfreiheit besteht

Der Geschäftsführer hat die freie Wahl zwischen der außergerichtlichen und der gerichtlichen Sanierung, wenn

  • das private Interesse des Gesellschafters nicht tangiert wird (b),
  • bestätigt wird, dass keine Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegt oder vorliegen wird (a),
  • Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit vorliegen.

Voraussetzung ist die Krisenerkennung durch das Unternehmen selbst. „Wenn die Krise mangels ausreichenden Rechnungswesens und Controllings nicht intern frühzeitig erkannt wird, sondern die mangelnde Liquidität die Marktpartner aufmerksam werden lässt, sind schon wesentliche Grundlagen für eine erfolgreiche außergerichtliche Sanierung verfehlt worden, denn dies sind deutliche Hinweise auf eine unzureichende Unternehmensführung“, erklärt Unternehmensberater Dr. Holger Fischer.

Wenn die Analyse des Unternehmens richtig ist und verständige Marktpartner der Argumentation folgen, steht eine Reihe von außergerichtlichen Instrumenten zur Verfügung, um die Krise zu bewältigen. Die Marktpartner werden die außergerichtliche Sanierung und ihren Eigenbeitrag rational prüfen:

  • Besteht Aussicht auf Erfolg?
  • Welche Sanierungsvariante minimiert den Verlust der Gläubiger?

Vertrauen aufbauen

Da dies „Entscheidungen unter Unsicherheit“ sind, benötigen die Marktpartner belastbare Informationen, die aber einseitig aus der Quelle des Schuldners kommen. Nur dort ist ein Überblick über den Sachstand gewährleistet. Die Kommunikation mit den Beteiligten ist also notwendig, um Vertrauen zu schaffen oder zu erhalten.

Wichtig ist, die Zeitachse zu beachten. „Wird eine Sanierungsnotwendigkeit des Unternehmens weit im zeitlichen Vorfeld von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, aber mit Wissen auf eine mittelfristige Liquiditätsunterdeckung erkannt, kann ohne zeitlichen Druck und die Gefahr, den Pflichtenkreis als Geschäftsführer verletzt zu haben, gehandelt werden“, sagt Steuerberater Wolfgang Westphalen. In der beschriebenen Fallkonstellation drängt jedoch die Zeit, denn die 3-Wochen-Frist nach § 15a InsO setzt der GmbH enge zeitliche Grenzen. Will das Unternehmen im Stadium der noch drohenden Zahlungsunfähigkeit seine Handlungsalternativen wahren, muss zeitnah und konsequent gehandelt werden.

Unter Vorlage einer fertigen und schlüssigen Sanierungskonzeption sollte mit den Marktpartnern gesprochen werden. Je größer der Eigenbetrag des Gesellschafters ist, desto eher werden insbesondere die Finanzierungsinstitute den Überlegungen der GmbH folgen. Die Gläubiger – besonders die Finanzierungsinstitute – sind vor einer zu schnellen Beteiligung an einer außergerichtlichen Sanierung gewarnt. Es wird hier darauf geachtet, dass formal korrekt im Interesse der Verhinderung einer späteren Anfechtung im Insolvenzverfahren gehandelt wird. Subjektiv besteht dort grundsätzlich die auch berechtigte Sorge, dass die außergerichtliche Sanierung nicht gelingt und in einer anschließenden Insolvenz daraus weitere Nachteile entstehen.

Die gerichtliche Sanierung

Dieser Weg bringt einen neuen Spieler aufs Feld, der auch ein zusätzliches wirtschaftliches Eigeninteresse hat. Der Insolvenzverwalter hat die Aufgabe, eine maximale Gläubigerbefriedigung zu erreichen, die auch durch die Sanierung und Fortführung des Unternehmens erfüllt werden darf. Sie bietet der GmbH zunächst eine größere Rechtssicherheit und einen zeitlichen Bestandsschutz. Der kundige Insolvenzverwalter ist in der Regel ein Profi, für den die Krisensituation des Unternehmens und die Insolvenz eine Routinesituation ist.

„Bei der gerichtlichen Sanierung fehlt allerdings die Gewissheit, dass der Insolvenzverwalter in der gewünschten Weise handelt“, sagt Alfred Büchl, Steuerberater. Dies kann daran liegen, dass die GmbH einfach von falschen oder unrealistischen Voraussetzungen ausgeht. Genauso kann der dem Insolvenzverwalter vorgeschlagene Weg zu risikobehaftet sein. Eine Reihe von Gründen kann ihn dazu bewegen, der GmbH nicht zu folgen, denn diese hat ja zumindest durch ihre missliche Lage darauf hingedeutet, dass sie nicht unter allen Bedingungen wirtschaftlich so handelt, dass sie stabil bleibt.

„Gerichtliche Sanierung und außergerichtliche Sanierung sind keine gegensätzlichen Pole, zwischen denen die GmbH alternativ wählen kann und es einen generell günstigeren oder weniger günstigen Weg gibt“, hält Unternehmensberater Fischer fest. Mit der hier vorgenommenen Skizzierung wird vielmehr deutlich, dass das Sanierungsthema sehr komplex ist und eingebettet wird zwischen den allgemeinen rechtlichen Schranken wie GmbHG, HGB oder InsO, divergierenden Interessen des Rechtsträgers (hier GmbH) und des Gesellschafters sowie den Interessen der Gläubiger.

Darüber sollten Gesellschaftergeschäftsführer schon in guten Zeiten nachdenken

  • Welche Auswirkung hat eine Insolvenz auf die Privatsphäre?
  • Welche Beziehungen hat mein Unternehmen mit anderen Rechtsträgern und welche Folgen entstehen dort?
  • Wo liegen Möglichkeiten zur Anfechtung vor
  • Was passiert mit der Pensionszusage der GmbH gegenüber dem Gesellschaftergeschäftsführer?

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