Corona-Schließung: Mietminderung bei pandemie-bedingter Geschäftsschließung möglich
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Corona-Schließung: Mietminderung bei pandemie-bedingter Geschäftsschließung möglich

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Gewerbemieter müssen weniger Miete zahlen, wenn die Geschäftsschließung behördlich aufgrund der Corona-Pandemie angeordnet wurde. Wie genau die Miete zu mindern ist, diese Frage hat der Bundesgerichtshof (BGH) ebenfalls in seinem aktuellen Grundsatzurteil beantwortet. Details kennt Ecovis-Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Stefan Reichert.

Textileinzelhändler KIK klagt und verlangt Mietminderung

Der Textilhändler KIK hat auf Anordnung des sächsischen Sozialministeriums zwischen 19.03.2020 und 19.04.2020 einer seiner Filialen schließen müssen. Als Mieter zahlte KIK für diese Zeit keine Miete. Der Vermieter klagte die Miete ein und zog bis zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

Störung der Geschäftsgrundlage

Das Landgericht Chemnitz verurteilte den Textilhändler zunächst zu Zahlung der gesamten Miete in Höhe von 7.850 Euro. Dieser Rechtsauffassung schloss sich das Oberlandesgericht (OLG) Dresden in zweiter Instanz nicht an. Es entschied sich für die pauschale Reduzierung der Miete um 50 Prozent. Die Begründung des OLG Dresden: Die behördlich angeordnete Schließung sei eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs.1 BGB. Der Vertrag sei anzupassen und die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte zu reduzieren.

Bundesgerichtshof: Corona-Schließung ist eine Störung der Geschäftsgrundlage

Der BGH bestätigt mit seinem Urteil vom 12.01.2022, dass eine behördliche Schließungsanordnung durchaus eine Störung der Geschäftsgrundlage i. S. v. § 313 Abs.1 BGB darstellt.

Zu einer Geschäftsgrundlage i. S. v. § 313 Abs.1 BGB gehört nämlich insbesondere die Erwartung der vertragsschließenden Parteien, „dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrages nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde“. Dies sei gerade bei einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung der Fall, woraufhin bereits die neu geschaffene Vorschrift des § 240 Abs.7 EGBGB hinweise.

Soweit die nachträgliche Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs.1 BGB voraussetzt, dass dem betroffenen Vertragspartner ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutete werden kann, sei auch diese Voraussetzung erfüllt. Die wirtschaftlichen Einbußen des Gewerbemieters beruhen schließlich weder auf dessen Unternehmensentscheidungen noch auf enttäuschten Vorstellungen des Mieters, in den angemieteten Räumen ein Geschäft zur Erwirtschaftung eines Gewinns betreiben zu können. Sie sind nach Ansicht des BGH vielmehr Folge der staatlichen Eingriffe durch die Behörden, für die keine der beiden Mietvertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann.

Bei allen Corona-Schließungen gilt: es kommt auf den Einzelfall an

Eine standardmäßige Reduzierung der Miete um 50 Prozent ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung des OLG aber gerade nicht aus § 313 Abs.1 BGB.

  • Die Herabsetzung der Miete sei immer im Einzelfall abzuwägen. Sämtliche Umstände seien dabei zu berücksichtigen.
  • Die wirtschaftliche Existenz des Gewerbemieters muss nicht gefährdet sein. Es sind vielmehr die konkreten Nachteile, die dem Gewerbemieter in Folge der angeordneten Geschäftsschließung entstanden sind, sprich den zu verbuchenden finanziellen Nachteilen infolge der Umsatzreduzierung im konkreten Mietobjekt zu bewerten.
  • Ebenfalls zu berücksichtigen sind auch Maßnahmen, die der Gewerbemieter zu Zeit der Schließung ergriffen hat oder hätte ergreifen können, um drohende finanzielle Einbußen bestmögliches abzufangen.
  • Und es kommt darauf an, ob der Gewerbemieter während der Geschäftsschließung Corona-Hilfen oder Geld von der eigenen Betriebsversicherung erhält.
  • Unberücksichtigt bleiben aber nach Ansicht des BGH staatliche Darlehen, da durch diese „keine endgültige Kompensation der erlittenen Einbußen“ erreicht wird.

Einer pauschalen hälftige Teilung der Miete – wie das OLG Dresden noch angenommen hatte- hat der BGH eine klare Abfuhr erteilt und den Rechtstreit zurückverwiesen.

Das OLG Dresden muss nun erneut prüfen, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung für den Textilhändler gehabt hat und ob diese Nachteile ein Ausmaß erreichten, die eine Anpassung des Mietvertrages gemäß § 313 Abs.1 BGB rechtfertigen.

Hinweise für die Praxis

Wie der BGH abschließend bestätigte, steht Gewerbemietern grundsätzlich ein Anspruch auf Herabsetzung der Miete gemäß § 313 Abs.1 BGB zu, sofern eine Pandemie bedingte behördlich Geschäftsschließung zu finanziellen Einbußen führt.

In welcher Höhe allerdings die Miete herabgesetzt wird bleibt eine Frage des Einzelfalles.

„Betroffenen Gewerbemietern raten wir, auf ihren Vermieter zuzugehen und unter Bezugnahme auf ihre finanzielle Situation nachvollziehbar dazulegen, welche Einbußen sie während einer Geschäftsschließung hatten, die nicht durch staatliche Entschädigungen oder Alterativmaßnahmen ausgeglichen werden können“, rät Rechtsanwalt Stefan Reichert, „ohne eine vollständige und transparente Offenlegung der wirtschaftlichen Situation wird eine Herabsetzung der Miete allerdings kaum gelingen.“

Daran anknüpfend sollte die Parteien einvernehmlich eine Herabsetzung der Miete für die Zeit der angeordneten Geschäftsschließung schriftlich vereinbaren. „So lässt sich ein teurer Rechtsstreit zum Vorteil beider Parteien vermeiden“, sagt Reichert.

Stefan Reichert
Rechtsanwalt in München
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