Schadensersatz bei verzögerter Bearbeitung einer Bauvoranfrage!

4 min.

Das OLG Dresden hat in seinem Urteil vom 27.04.2018 (Az. 1 U 1701/16) entschieden, dass grundsätzlich jede Behörde die Amtspflicht hat, die an sie gestellten Anträge mit der gebotenen Beschleunigung innerhalb einer angemessenen Frist zu behandeln und die Anträge, sobald eine ordnungsgemäße Prüfung abgeschlossen ist, in angemessener Frist zu bescheiden. Die zuständige Baugenehmigungsbehörde trifft damit die Pflicht, ein Baugesuch gewissenhaft zu behandeln und ohne vermeidbare Verzögerung innerhalb angemessener Frist zu bescheiden. Tut sie das nicht, kann das eine schadensersatzauslösende Amtspflichtverletzung darstellen.

OLG Dresden, Urteil vom 27.04.2018 – 1 U 1701/16

Sachverhalt:
In der zu entscheidenden Sache machte der Eigentümer zweier Grundstücke Schadensersatz aus einer Amtspflichtverletzung geltend.
Er plante auf den Grundstücken Wohn- und Geschäftshäuser sowie eine Tiefgarage zu errichten. In diesem Zusammenhang stellte er an die Beklagte zwischen der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags über die beiden Grundstücke und der Eintragung seiner Eigentümerstellung ins Grundbuch insgesamt drei Anträge auf Erteilung eines Vorbescheids zur baurechtlichen Zulässigkeit des geplanten Vorhabens. Während die Beklagte die ersten beiden Anträge zeitnah ablehnte, stellte sie den dritten Antrag rund dreieinhalb Monate nach Antragstellung gem. § 15 BauGB zurück. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

In der Zwischenzeit fasste die Beklagte einen Planaufstellungsbeschluss über das Gebiet, in dem die beiden Grundstücke des Klägers liegen und verfügte erneut die Zurückstellung des dritten Vorbescheidsantrags des Klägers und erließ schließlich eine Veränderungssperre für das Gebiet des Planaufstellungsbeschlusses.

Der Kläger machte hierauf klageweise Schadensersatz aus einer Amtspflichtverletzung der Beklagten mit der Begründung geltend, dass diese verpflichtet gewesen wäre, über den dritten Vorbescheidsantrag binnen drei Monaten zu entscheiden.

Nachdem das Landgericht die Klage in erster Instanz abgewiesen hatte, verfolgte der Kläger den begehrten Anspruch im Wege der Berufung zum OLG weiter.

Entscheidung:
Ohne Erfolg! Das OLG Dresden wies die Berufung des Klägers zurück. Hierzu führt es aus, dass die Beklagte zwar eine ihr obliegende Amtspflicht verletzt habe, der von dem Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch aber dennoch nicht bestehe, weil der begehrte 3. Vorbescheid nicht zu erteilen gewesen wäre.

Es stellt insoweit klar, dass grundsätzlich jede Behörde die Amtspflicht habe, die an sie gestellten Anträge mit der gebotenen Beschleunigung innerhalb einer angemessenen Frist zu behandeln und die Anträge, sobald eine ordnungsgemäße Prüfung abgeschlossen ist, auch in angemessener Frist zu bescheiden.

Dies gelte auch für Bauvoranfragen, da diese einen Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Baugenehmigung abbilden. Hierzu wies das OLG Dresden darauf hin, dass es nach ständiger Rechtsprechung des BGH anerkannt sei, dass die Verzögerung der Entscheidung über ein Baugesuch den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung erfüllen kann. Insoweit führt es aus, dass die zuständige Baugenehmigungsbehörde damit die Pflicht treffe, ein Baugesuch gewissenhaft, förderlich und sachdienlich zu behandeln und ohne vermeidbare Verzögerung innerhalb angemessener Frist zu bescheiden sowie jedwede Schädigung des Bauwerbers zu unterlassen.

Welcher Zeitraum für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Bauvorbescheids angemessen sei, könne nicht abstrakt beantwortet werden. Vielmehr sei dies jeweils eine Frage des Einzelfalls. Entscheidend sei insoweit nicht allein das Interesse des Antragstellers oder des durch die erbetene Entscheidung betroffenen Einzelnen, sondern auch, dass im Einzelfall eine sachgerechte Entscheidung ausreichend vorbereitet und ermöglicht werde. Hierbei seien der Umfang des Vorhabens, die tatsächliche und/oder rechtliche Komplexität der zu beantwortenden Fragen wie auch eine etwaige unnormale besondere Belastung der Behörde zu berücksichtigen.

Nachdem über einen Bauantrag (nach der Sächsischen Bauordnung) innerhalb von drei Monaten nach Vorliegen der vollständigen Antragsunterlagen zu entscheiden sein soll, könne hieraus der Schluss gezogen werden, dass binnen dieser Frist dann erst recht über die Bauvoranfrage als abgrenzbarer Teil der Baugenehmigung zu entscheiden sein.

Praxishinweis:
Das OLG Dresden stellt mit der vorgenannten Entscheidung eine Höchstfrist für die Verbescheidung von Bauvorbescheid den von drei Monaten auf. Es macht deutlich, dass diese Frist nur im Ausnahmefall und bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden darf.
Freilich reicht eine Überschreitung dieser 3-Monats-Frist für sich genommen noch nicht aus, um automatisch zu einem Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung i. S. d. Art. 34 GG in Verbindung mit § 839 BGB zu gelangen. Hierzu bedarf es vielmehr zusätzlich der Feststellung, dass die zuständige Behörde schuldhaft gehandelt hat und dass aus der Pflichtverletzung ein kausaler Schaden entstanden ist. Dennoch dürfte die vorgenannte Entscheidung die Beantwortung der Frage des sogenannten haftungsbegründenden Tatbestands deutlich erleichtern.



Stefan Reichert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
München

Kontakt Ecovis:

Unternehmenskommunikation
Tel.: +49 89 5898-266 presse@ecovis.com

Weitere Infos:


Newsletter:
Das Wichtigste für Unternehmen aus Steuern, Recht und Wirtschaft.
Jetzt anmelden