Mängelgewährleistungsfrist kann im Abnahmeprotokoll verlängert werden!

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Das OLG Bamberg hat entschieden, dass die Gewährleistungsfrist für Mängel wirksam verlängert wird, wenn der Auftraggeber diese Verlängerung einseitig in das Abnahmeprotokolle aufnimmt und der Auftragnehmer dieses Abnahmeprotokoll unterschreibt. Es ist dem Auftragnehmer gemäß § 242 BGB auch nicht verwehrt, sich hierauf zu berufen.

Leitsatz:
Eine einseitige Ergänzung durch den Auftraggeber im Abnahmeprotokoll, dass entgegen der ursprünglichen Vereinbarung für bestimmte Gewerke die Gewährleistungsfrist für Mängel auf 10 Jahre verlängert wird, ist wirksam, wenn der Auftragnehmer das Abnahmeprotokoll unterzeichnet. Unerheblich ist dabei, dass er eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist nicht vereinbaren wollte.

OLG Bamberg, Urteil vom 26.06.2018 – 5 U 99/15

Sachverhalt:
In dem vom OLG Bamberg zu entscheidenden Fall beauftragte der Besteller den Unternehmer mit der Durchführung der erweiterten Rohbauarbeiten für den Neubau eines Mehrfamilienhauses. Der geschuldete Leistungsumfang umfasste insbesondere auch die Fassadenarbeiten einschließlich der Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems und die Abdichtungsarbeiten. Die Parteien vereinbarten für die Dachabdichtung eine Gewährleistungsfrist von 10 Jahren, für die übrigen Arbeiten sollte die Gewährleistungsfrist 5 Jahre betragen. In dem Abnahmeprotokoll gab der Besteller den Beginn und den Ablauf der 5-jährigen Gewährleistungsfrist datumsmäßig wieder und legte im Übrigen fest, dass für das Dach und nun auch für die Fassade und die Gebäudetrennfugen eine verlängerte Gewährleistungsfrist für 10 Jahre gelte. Der Unternehmer unterschrieb das Abnahmeprotokoll. Nach rund sieben Jahren rügte der Besteller Mängel an der Fassade und forderte den Unternehmer zu deren Beseitigung auf. Dieser berief sich auf den Eintritt der Verjährung. Im Rahmen der hierauf erhobenen Klage des Bestellers auf Vorschuss zur Mangelbeseitigung wandte der Unternehmer ein, dass ein Abnahmeprotokoll nicht Träger rechtsgeschäftlicher Erklärungen und Vereinbarungen sein könne. Die Unterschrift des Auftragnehmers auf dem Abnahmeprotoll habe lediglich die Funktion, die Teilnahme am Abnahmetermin und / oder die Kenntnis des Protokolls zu bestätigen. Er selbst habe bei dessen Unterzeichnung keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswillen hinsichtlich der Verlängerung der Gewährleistungsfrist gehabt. Jedenfalls sei es der Klägerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine Verlängerung der Verjährungsfrist zu berufen. Das Landgericht folgte dieser Argumentation im Ergebnis. Hiergegen wandte sich der Besteller mit der Berufung zum OLG.
Entscheidung:
Mit Erfolg! Das OLG Bamberg stellt zunächst klar, dass es sich bei den im Abnahmeprotokoll enthaltenen Regelungen zur Verjährung sehr wohl um Willenserklärungen handle, da sie Erklärungen enthalten würden, die auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolgs gerichtet seien. Denn die Parteien haben nicht nur die bloßen Daten der Gewährleistungsfrist wiederholen, sondern ganz bewusst eine Änderung dieser Frist herbeiführen wollen. Dieser Änderung habe der Unternehmer unterschriftlich zugestimmt und müsse sich hieran auch festhalten lassen. Dass er seine Unterschrift ohne nähere Prüfung auf das Abnahmeprotokoll gesetzt hat, entlaste ihn nicht. Ob die Willenserklärung des Unternehmers anfechtbar gewesen sei, könne dahinstehen, da eine etwaige Anfechtungserklärung gem. § 143 Abs. 1 BGB jedenfalls verspätet sei. Dem Besteller sei es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch nicht verwehrt, sich auf die verlängerte Gewährleistungsfrist zu berufen.
Praxishinweis:
Für die Praxis zeigt die Entscheidung des OLG Bamberg einmal mehr auf, dass vor der Unterzeichnung von Schriftstücken gleich welcher Art eine sorgfältige Prüfung des zu Unterzeichnenden unabdingbar ist. Gerade bei Abnahmeprotokollen zu sehr umfangreichen Leistungen, kann diese Prüfung mitunter zwar zeitintensiv sein, das darf aber nicht dazu führen, dass sie nicht oder nur oberflächlich erfolgt.

Denn obgleich das OLG Bamberg in seiner Entscheidung andeutet, dass in dem zu entscheidenden Fall möglicherweise eine Anfechtung der Erklärung der Unternehmers möglich gewesen sein wäre, dürfte eine Anfechtung in der vorstehend erläuterten Konstellation nur in den wenigsten Fällen tatsächlich vor Gericht Bestand haben.

Denn soll die Anfechtung darauf gestützt werden, dass dem Erklärenden entweder das Erklärungsbewusstsein (=das Bewusstsein, dass das eigene Verhalten überhaupt irgendeine rechtserhebliche Erklärung darstellt) oder der Geschäftswille (=der Wille, mit der eigenen Erklärung eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen), so trifft den Erklärenden nicht nur dafür die Beweislast, dass ihm diese subjektiven Voraussetzungen gefehlt haben, sondern auch dafür, dass zwischen deren Fehlen und der abgegebenen Erklärung ein Kausalzusammenhang besteht. Hierzu reicht der bloße Verweis darauf, dass die abgegebene Erklärung für den Erklärenden rechtlich nachteilhaft ist, in aller Regel nicht aus. Mit anderen Worten: Die Darlegung von Anfechtungsgründen bereitet im gerichtlichen Verfahren mitunter große Schwierigkeiten. Um diese Situation zu vermeiden, sollte daher stets darauf geachtet werden, jedes zu unterschreibende Schriftstück vorab sorgfältig zu prüfen.



Stefan Reichert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
München

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