Betriebsschließungsversicherung: Können Gastronomen jetzt noch klagen?
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Betriebsschließungsversicherung: Können Gastronomen jetzt noch klagen?

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Trotz Betriebsschließungsversicherung bleiben viele Gastronomen auf ihren Einnahmeausfällen sitzen, die die Corona-Pandemie verursacht hat. Denn die Versicherer wollen oft nicht zahlen. Das Landgericht München I hat jetzt eine Versicherung dazu verurteilt, dem Wirt den Schaden zu bezahlen. Können Gastronomen jetzt noch klagen? Was das Urteil bedeutet, erklärt Ecovis-Rechtsanwältin Heidi Regenfelder in München.

Wenn es darauf ankommt, wollen Versicherungen oft nicht zahlen – das sagt man ihnen zumindest nach. Geschädigte müssen dann um ihr Geld kämpfen. Gegen seine Versicherung geklagt hat der Münchner Augustiner-Keller – und gewonnen. Die auf Versicherungsrecht spezialisierte 12. Zivilkammer des Landgerichts München I entschied, dass die Bayerische Versicherungskammer rund eine Million Euro für 30 Tage Betriebsschließung bezahlen muss. Urteil vom 1. Oktober 2020, Aktenzeichen 12 O 5895/20.

Wie die Versicherung im verhandelten Fall argumentierte

Die Bayerische Versicherungskammer wollte nicht zahlen. Die Begründung:

  • Covid-19 sei ein neuer Krankheitserreger, der nicht unter die versicherten meldepflichtigen Krankheiten falle.
  • Der Betrieb wurde wegen der Allgemeinverfügungen der Bundesländer geschlossen und nicht auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
  • Der Wirt hätte gegen die Schießungsanordnung des Ministeriums vorgehen müssen.
  • Der Gastwirt hätte einen Verkauf „to go“ einrichten können.

Was das Urteil des Landgerichts München bedeutet

Das Gericht ließ keines dieser Argumente gelten. Es stellte klar, dass die Versicherung zahlen muss, auch wenn es im geschlossenen Betrieb keinen Corona-Fall gegeben hat. Ausschlaggebend ist nur, dass das versicherte Unternehmen, wie in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) festgelegt, auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes geschlossen wurde. „Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Für Gastronomen ist es positiv. Denn wer jetzt noch klagt, kann sich möglicherweise auch auf die Sichtweise des Münchner Urteils berufen“, sagt Heidi Regenfelder, Rechtsanwältin bei Ecovis in München.

Warum die Allgemeinen Versicherungsbedingungen wichtig sind

In seinem Urteil ging das Landgericht München noch einen Schritt weiter und rügte einen Verstoß gegen das Transparenzgebot einer Klausel in den AVB. „Immer, wenn der Versicherungsschutz durch eine Klausel eingeschränkt wird, muss die Versicherung dem Versicherten genau erklären, was das für seinen Versicherungsschutz bedeutet“, sagt Regenfelder. Im verhandelten Fall war der Versicherer der Meinung, dass Covid-19 nicht versichert sei, weil es sich um eine neue Krankheit handelt, die nicht in der Liste des Infektionsschutzgesetzes erfasst ist. Das Gericht war anderer Meinung. Der Gastwirt darf davon ausgehen, dass sein Versicherungsschutz Covid-19 umfasst und sich mit dem Infektionsschutzgesetz deckt.

Sind staatliche Corona-Hilfen zurückzuzahlen, wenn die Betriebsschließungsversicherung zahlt?

Zahlt eine Versicherung, muss der Wirt weder Kurzarbeitergeld noch andere Corona-Förderungen wie Überbrückungshilfe zurückzahlen. „Staatliche Liquiditätshilfen sind keine Schadenersatzzahlungen, wie das bei Zahlungen von Versicherungen der Fall ist“, erklärt Ecovis-Rechtsanwältin Regenfelder.

Können Gastwirte noch klagen, um Geld von ihrer Versicherung zu bekommen?

Auch wenn das Oberlandesgericht Hamm eine andere Position einnahm und der Versicherung recht gab, dass sie nicht zahlen muss, Urteil vom 15. Juli 2020, Aktenzeichen 20 W 21/20, gilt das Urteil aus München als richtungsweisend. „Denn aus unserer Sicht haben die Versicherungsnehmer die besseren Argumente. Gastwirte sollten daher ihre Versicherungsverträge und besonders die Allgemeinen Versicherungsbedingungen von Experten prüfen lassen“, rät Regenfelder.

Wer den Vergleich angenommen hat, kann leider nicht mehr klagen

Von dem Urteil aus München können Gastronomen allerdings nicht profitieren, wenn sie den Vergleich oder die Kulanz-Lösung ihrer Versicherung angenommen haben. Diese „Bayerische Lösung“ hatte die Bayerische Landesregierung gemeinsam mit zahlreichen Versicherern im Frühjahr 2020 entwickelt. Versicherungsnehmer sollten bei Betriebsschließung nur 15 Prozent der eigentlich vereinbarten Versicherungssumme bekommen. „Die Versicherer zahlen diese Entschädigung, ohne damit eine Rechtspflicht anzuerkennen. Damit sind sie aus dem Schneider und müssen auch nachträglich nicht die volle Versicherungssumme zahlen. Denn die Betriebe können nicht mehr klagen“, sagt Regenfelder.

Ein Foto von Heidi Regenfelder können Sie hier herunterladen:

Betriebsschließungsversicherung

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