Warum ESG beim Unternehmensverkauf immer wichtiger wird
Wer mit dem Gedanken spielt, sein Geschäft abzugeben oder für die Nachfolge richtig aufzustellen, sollte sich mit dem Thema Nachhaltigkeit (ESG) beschäftigen. Denn sowohl für Banken als auch für Käufer wird dieser Aspekt wichtiger für ihre Entscheidung.
Planen Unternehmer die Nachfolge oder den Verkauf ihrer Firma, müssen sie sorgfältig und frühzeitig mit den Vorbereitungen beginnen: „Nur wer strukturiert vorgeht, kann sicherstellen, dass alle wichtigen Aspekte, die auch im Rahmen einer Due Diligence – also der sorgfältigen Prüfung durch den Käufer auf Risiken – eine Rolle spielen, im Vorfeld berücksichtigt werden“, erklärt Matthias Laudahn, Unternehmensberater und zertifizierter Unternehmensnachfolgeberater bei Ecovis in Rostock.
Dabei stehen vor allem die wirtschaftlichen Aspekte im Vordergrund. Prüfer beschäftigen sich also im Rahmen von SWOT-Analysen (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats, auf Deutsch: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken) mit einer Vielzahl an Fragen, etwa:
- Was ist das Geschäftsmodell?
- In welchen (Zukunfts-)Märkten ist das Unternehmen tätig?
- Welche Innovationen sind geplant?
- Wie ist die Wettbewerbssituation?
- Wie sieht es mit der Finanzkraft des Betriebs aus, und wie hoch ist die Eigenkapitalquote?
Die Analyse mündet schließlich in einer Planungsrechnung, die die Grundlage für die Berechnung eines Kaufpreises ist. Ein Unternehmer, der seinen Betrieb übergeben will, sollte also bestmöglich aufgestellt sein, wenn es darum geht, einen guten Kaufpreis zu erzielen.
Nachhaltigkeitskriterien werden wichtiger
Ein Thema, das bisher noch wenige Unternehmerinnen und Unternehmer auf dem Schirm haben, sind die ESG-Kriterien. ESG steht für Environmental, Social und Governance, also Kriterien für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfragen für den Umweltschutz, für Soziales und für gute Unternehmensführung. Große Kapitalgesellschaften sind hier bereits berichtspflichtig, kleine und mittelständische Unternehmen bisher noch nicht.
Warum also sollten sie sich dieses Themas dennoch annehmen? „Je früher sich auch Mittelständler und kleine Unternehmen einen Überblick verschaffen, desto besser“, sagt Alexander Waschinger, Wirtschaftsjurist und Unternehmensberater bei Ecovis in Dingolfing. Denn die Berichtspflicht von Großunternehmen bringt nicht selten auch neue Anforderungen für Mittelständler mit sich, die für diese Firmen etwa als Zulieferer arbeiten.
„Besonders Betriebe, die international arbeiten, werden schon bald über ESG-Kriterien, beispielsweise bei der Beschaffung von Rohstoffen, Auskunft geben müssen“, sagt Waschinger. Hier gewinnt das Thema seiner Meinung nach besonders an Brisanz. „Wir sehen zunehmend, dass auch im Rahmen von Ausschreibungen großer Verträge immer öfter Zertifizierungen oder Umweltauflagen zu einem wichtigen Kriterium werden“, bestätigt sein Rostocker Kollege Laudahn.
„Aber auch jene, die selbst noch nicht unmittelbar oder mittelbar betroffen sind, sollten sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in seiner gesamten Bandbreite beschäftigen. Schließlich ist es immer im Interesse eines Unternehmens, sich nachhaltig aufzustellen“, sagt Waschinger und ergänzt: „Gerade kleinere Unternehmen haben viele Themen noch nicht auf dem Schirm.“
Zu dem gesamten Themenkomplex gehören neben Umweltthemen – vom eigenen CO2-Fußabdruck bis hin zur Müllentsorgung – auch Fragen aus dem Personalbereich, vom Gender-Pay-Gap über Mindestlöhne bis hin zur Altersstruktur der Belegschaft in Zeiten des Fachkräftemangels.
Die Rolle der ESG-Kriterien beim Unternehmensverkauf
Immer wichtiger werden ESG-Kriterien, wenn Unternehmen ihre Nachfolge planen. Denn auch Kaufinteressenten haben das Thema zunehmend auf dem Radar. „Kein Wunder: Niemand hat ein Interesse daran, Altlasten auf dem Firmengrundstück, mögliche drohende Umweltauflagen zu Produkten oder laufende Verfahren zu Preisabsprachen mit einzukaufen“, führt Waschinger auf. Die Beispiele zeigen, dass ESG-Kriterien bereits Due-Diligence-Aspekte berühren.
Da Unternehmenskäufe in den meisten Fällen mithilfe von Bankkrediten finanziert werden, werfen auch die Kreditinstitute mittlerweile einen genauen Blick auf Nachhaltigkeitsthemen: „Gerade in Branchen wie der Chemie oder bei energieintensiven Unternehmen schauen die Banken genau hin, wenn es um Finanzierungen geht“, sagt Laudahn. Zwar steht dabei nach wie vor die Kostenkontrolle im Fokus, aber es spielen mitunter eben auch Fragen zu Umweltstandards oder erneuerbaren Energien eine Rolle. Banken wollen wissen: Sind hier die Weichen für die Zukunft richtig gestellt? Klar ist deshalb, dass Nachhaltigkeitsaspekte auch immer mehr die Ratings von Unternehmen beeinflussen.
Welche Kriterien sind relevant?
Was aber noch fehlt, sind geltende deutsche Regelungen. Allerdings kann man sich mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) behelfen. Der DNK ist ein branchenübergreifender Transparenzstandard für die Berichterstattung unternehmerischer Nachhaltigkeitsleistungen. Unternehmen und Organisationen jeder Größe und Rechtsform können ihn nutzen. „Wir gehen davon aus, dass die hier bereits definierten Kriterien größtenteils auch Eingang finden in die noch kommenden Richtlinien“, sagt Unternehmensberater Waschinger.
Denn dass es gesetzliche Standards geben wird, steht schon fest: Sobald die EU die Leitplanken vorgegeben hat, werden in Deutschland Richtlinien erarbeitet und in Gesetze gegossen. 2025 – so die Prognose von Unternehmensberater Waschinger – wird es dann gültige ESG-Richtlinien für die deutsche Wirtschaft geben.
Die beiden Ecovis-Unternehmensberater Laudahn und Waschinger sehen aber keinen Grund abzuwarten, bis die Richtlinien erarbeitet und verabschiedet sind. „Ganz im Gegenteil“, sagt Laudahn. „Wir selbst haben uns vor über einem Jahr anhand des DNK prüfen lassen.“ Ziel war dabei nicht nur, Schwachpunkte im eigenen Unternehmen zu identifizieren und in der Folge beheben zu können. „Es war für uns natürlich auch ein Praxistest und ein exzellenter Einstieg in ein Thema, bei dem wir zunehmend Beratungsbedarf unserer Mandanten erkennen.“
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