Freihandelsabkommen TTIP: Viel Lärm um nichts?

Freihandelsabkommen TTIP: Viel Lärm um nichts?

Kaum etwas erhitzt die Gemüter derart wie das transatlantische Handelsabkommen TTIP. Aber nüchtern betrachtet – jenseits von Chlorhühnchen und Genmais – zeigt sich, dass die Schnittmengen zwischen der bayerischen Land- und Ernährungswirtschaft und der jenseits des großen Teichs eher gering sind.

Aktuell erschweren verschiedene Maßnahmen und Bestimmungen den ungehinderten Handel zwischen den mehr als 800 Millionen Einwohnern der EU28 und der USA. Dabei ist zwischen tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen zu unterscheiden. Erstere sind Zölle, Letztere sind alle anderen Regelungen, die den Außenhandel behindern und nicht Zölle sind. Dazu zählen zum Beispiel technische Normen, formale Anforderungen, industrielles Sicherheitsrecht sowie Vorgaben durch das Lebensmittel- und Arzneimittelrecht. Durch sie fallen zusätzliche Kosten bei einem der potenziellen Handelspartner an, die dessen Wettbewerbsfähigkeit schmälern oder sogar ausschließen. Die Zielsetzung der Transatlantischen Handels- (Trade-) und Investitionspartnerschaft (TTIP) beinhaltet somit die Abschaffung von Zöllen, die Harmonisierung von Normen und Standards, die Vertiefung der regulatorischen Zusammenarbeit sowie den gegenseitigen Schutz von Investitionen. Festzuhalten ist, dass für die Mehrzahl der bisher ausgetauschten Waren schon jetzt eher niedrige Zollsätze gelten. Sie bewegen sich im Durchschnitt zwischen zwei und fünf Prozent. Allerdings gibt es Spitzenzollsätze auf einzelne Güter, die weit über 50 Prozent liegen.

Solche Sätze fallen unter anderem für Produkte aus als sensibel eingestuften Kategorien an. Dazu zählen Lebensmittel, insbesondere Fleisch- und Molkereiprodukte, oder auch Tabakwaren. Für die Agrar- und Ernährungswirtschaft könnten die Auswirkungen durch das Abkommen deshalb relativ stark ausfallen. Andererseits spricht gerade die besondere Bedeutung, die Lebensmitteln diesseits und jenseits des Atlantiks beigemessen wird, gegen eine komplette Liberalisierung in diesem Bereich.

Insgesamt betrachtet wird das bloße Aufheben der Zölle – ausgenommen eine überschaubare Anzahl an Gütern – somit kaum beachtlichen Nutzen stiften. Anders ausgedrückt, können bedeutende Vorteile für die Wirtschaft mittels TTIP erst durch die Abschaffung der nicht-tarifären Handelshemmnisse erzielt werden.

Innerhalb der Europäischen Union ist Deutschland der wichtigste Handelspartner der USA. Der Gesamtwert aller von Deutschland in die USA exportierten Güter betrug 88,4 Milliarden Euro im Jahr 2013. Sowohl beim Export als auch beim Import spielt der Austausch von Gütern der Ernährungswirtschaft im Verhältnis zum Gesamtvolumen und Gesamtwert des Außenhandels jedoch eine untergeordnete Rolle. Im Zeitraum von 2004 bis 2013 bewegten sich die bayerischen Exporte an Lebensmitteln in die USA im Bereich zwischen 93 und 126 Millionen Euro und sind damit eher gering.

Beispiel Rindfleisch

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Produktions- und Ressourcenökonomie der TU München und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft wurde besonders der Frage nachgegangen, wie sich die Veränderung der Rahmenbedingungen durch TTIP auf die Wettbewerbsfähigkeit des Produkts Rindfleisch auswirkt. Es spielt in beiden Regionen eine bedeutende Rolle. Die USA sind der größte Rindfleischproduzent weltweit. Bei einem Bestand von rund 89 Millionen Tieren 2013 wurden 11,8 Millionen Tonnen Rindfleisch erzeugt. In Bayern waren es im gleichen Jahr knapp 287.000 Tonnen. Bei einem gleichzeitigen Verbrauch von 162.000 Tonnen ergibt sich damit in Bayern ein Selbstversorgungsgrad bei Rindfleisch von 166 Prozent.

Für die Analyse wurden ausgehend von den Erzeugungskosten dreier unterschiedlich großer Mastbetriebe in Bayern/Deutschland (entsprechend Erzeugungskosten von 365 Euro, 428 Euro und 570 Euro je 100 Kilogramm Rindfleisch und einem US-amerikanischen Referenzbetrieb mit Kosten von 340 Euro je 100 Kilogramm) nachfolgende Kostenpositionen bis zum Verkauf an den Verbraucher in Deutschland addiert. Während das in Bayern erzeugte Fleisch im Szenario nur noch die Schlacht-, Zerlege und Verarbeitungskosten zu tragen hat, wurden zu den US-amerikanischen Erzeugungskosten die Positionen Transport, Verzicht auf Wachstumshormone, Wertzoll sowie Mengenzoll addiert. Im Ergebnis übersteigen die Kosten für US-amerikanisches Rindfleisch mit der Erhebung des Zolls die betrachteten Kosten aller drei deutschen Betriebstypen. Es kann vermutet werden, dass das vorab erwähnte geringe Handelsvolumen bei Fleischwaren damit nicht zuletzt auf die Zollhöhe zurückzuführen ist.

Zusätzlich dazu wurden die Auswirkungen eines schwankenden Wechselkurses aufgezeigt. Dabei stellte sich heraus, dass die Kostenvorteile des amerikanischen Erzeugers auch gegenüber dem kleinsten deutschen Modellbetrieb allein durch einen starken Dollar um etwa die Hälfte aufgehoben werden können. Laut einer Untersuchung von Copa-Cogeca im Jahr 2014 werden die Kostenvorteile US-amerikanischer Rindfleischerzeuger eliminiert, wenn der Wechselkurs 1,0989 US-Dollar/Euro erreicht bzw. unterschreitet – ein Wert, um den der Wechselkurs aktuell schwankt.

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zeigen, dass Rindfleisch in den USA grundsätzlich günstiger zu produzieren ist als in Deutschland. Auf dem Weg zum deutschen Konsumenten fallen jedoch zusätzliche Kosten an, die den preislichen Vorsprung des US-amerikanischen Rindfleischs schmelzen lassen. Stark handelsbeschränkend wirken die Zölle. Daneben hat der Wechselkurs großen Einfluss. Der allerdings spielt bei den TTIP-Verhandlungen keine Rolle.

Zeitplan und Ziele von TTIP

Die Verhandlungen zur Transatlantischen Handels- (Trade-) und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA laufen seit Juli 2013 abwechselnd auf beiden Seiten des Atlantiks. Ende Februar fand in Brüssel Runde zwölf der Verhandlungen statt. Die Verhandlungspartner streben einen Abschluss noch während der Amtszeit von Präsident Obama an, die Anfang 2017 endet. Im Fall der gegenseitigen Übereinkunft entsteht die größte Freihandelszone der Welt. Erwartet werden positive Impulse für das Wirtschaftswachstum, die Steigerung der Realeinkommen sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen. Schon jetzt stehen beide Regionen gemeinsam für rund die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung und rund ein Drittel des weltweiten Handels mit Gütern und Dienstleistungen. Auch die kürzlich beschlossene Transpazifische Partnerschaft (TPP) zwischen zwölf Anrainerstaaten des Pazifiks – darunter die USA, Kanada, Japan – würde damit überflügelt werden.

Wer mehr wissen möchte

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Produktions- und Ressourcenökonomie der TU München und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft wurden die Auswirkungen von TTIP auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft insbesondere in Bayern untersucht. Download der Studie unter

www.lfl.bayern.de/publikationen/informationen/119591/index.php

Dr. Corina Jantke, Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie landwirtschaftlicher Betriebe, TU München

 

 

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