Mobiles Arbeiten im Ausland: Chancen und Herausforderungen
Mobiles Arbeiten im Ausland ist für viele Arbeitnehmer attraktiv. Begriffe wie Workation – das Kombinieren von Arbeit und Urlaub – und Remote Work sind längst nicht mehr nur Trends, sondern Bestandteil moderner Arbeitsmodelle. Allerdings bergen diese Konzepte für Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechtliche und steuerliche Herausforderungen, warnt Sabine Scholz, Steuerberaterin bei Ecovis in Neumarkt in der Oberpfalz.
Veränderte Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können immer öfter flexibel entscheiden, ob sie ihre Arbeit im Büro, zu Hause oder sogar aus dem Ausland heraus erledigen möchten. Dieser Wandel geht jedoch sowohl für Beschäftigte als auch für den Arbeitgeber mit rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen einher, die sie nicht unterschätzen dürfen.
Je nach Tätigkeitsstaat hat der Arbeitgeber beispielsweise Besonderheiten beim Lohnsteuerabzug und beim Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen zu beachten. Wenn ein Arbeitnehmer aus dem Ausland arbeitet, besteht zudem das Risiko, dass der Arbeitgeber in diesem Land eine Betriebsstätte begründet. Damit entstehen dann auch unmittelbar für den Arbeitgeber weitere steuerrechtliche Verpflichtungen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert eine Betriebsstätte als „feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“.
Dabei können selbst private Räumlichkeiten wie das Homeoffice eines Mitarbeiters, als Betriebsstätte gelten. Das ist besonders dann der Fall, wenn der Arbeitgeber Kosten für die Ausstattung des häuslichen Arbeitsplatzes oder gar die Miete übernimmt. Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine andere Arbeitsstätte zur Verfügung, kann nach Auffassung der OECD zudem eine faktische Verfügungsmacht des Arbeitgebers über das Homeoffice vorliegen. Die Begründung einer Betriebsstätte kann für den Arbeitgeber einen erheblichen administrativen Aufwand nach sich ziehen, einschließlich Registrierungs-, Erklärungs-, Buchführungs- und Dokumentationspflichten. Außerdem kann es bei unterschiedlichen Sichtweisen der beiden beteiligten Staaten zur Doppelbesteuerung kommen.
Nationale und internationale Perspektiven
Aus deutscher Sicht begründet eine Tätigkeit im Homeoffice in der Regel keine Betriebsstätte, solange keine faktische Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Räumlichkeiten, in denen der Arbeitnehmer seine Arbeit ausübt, vorliegt. Allerdings beurteilen ausländische Steuerbehörden dies teilweise anders. Auch auf internationaler Ebene ist die Frage, wann eine Homeoffice-Betriebsstätte vorliegt, nicht abgestimmt.
- In der Schweiz etwa gelten privat genutzte Räume potenziell als Betriebsstätte, wenn der Beschäftigte dort dauerhaft arbeitet.
- Laut finnischer Finanzverwaltung soll eine faktische Verfügungsmacht gegeben sein, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitgeber die Arbeit des Arbeitnehmers im häuslichen Umfeld erwartet.
- Aufgrund der Langfristigkeit von Arbeitsverträgen entsteht aus polnischer Sicht eine Einrichtung zur Geschäftsabwicklung und damit eine Betriebsstätte durch den dauerhaft im Homeoffice arbeitenden Angestellten.
„Solche unterschiedlichen Sichtweisen bergen Konfliktpotenzial und können Steueransprüche in beiden Ländern und damit eine Doppelbesteuerung nach sich ziehen“, erklärt Scholz.
Steuerrechtliche Aspekte
Begründet die Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Homeoffice eine Betriebsstätte für den Arbeitgeber im Ausland, kann das Unternehmen in diesem Land steuerpflichtig werden. Das bedeutet, dass Steuern auf die in der Betriebsstätte erzielten Gewinne zu entrichten sind. Die Ermittlung dieser Betriebsstättengewinne kann in der Praxis sehr aufwendig sein.
Außerdem ist für den Arbeitnehmer zu prüfen, in welchem Land sein Arbeitslohn besteuert wird. Gegebenenfalls ist der Arbeitslohn auf beide Länder aufzuteilen. Das muss der Arbeitgeber dann bereits beim Lohnsteuerabzug beachten.
Praktische Lösungen für Unternehmen
Um Risiken zu minimieren, können Unternehmen klare Richtlinien und Betriebsvereinbarungen für mobiles Arbeiten im Ausland festlegen. Sie sollten die infrage kommenden Länder und die zulässige Dauer der mobilen Tätigkeit definieren. „Zudem sollten Arbeitgeber die Unterstützung für Arbeitsmittel oder Homeoffice-Ausstattung auf das Inland beschränken, um eine faktische Verfügungsmacht zu vermeiden“, rät Steuerexpertin Scholz. Eine präzise Dokumentation der Tätigkeiten des Arbeitnehmers und klare vertragliche Regelungen tragen ebenfalls zur Risikominderung bei. Im Zweifel ist aber für jedes Land separat zu prüfen, ob ein Risiko für den Arbeitgeber besteht, wenn Arbeitnehmer dort tätig werden.
Sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Neben steuerlichen Fragen spielen auch sozialversicherungsrechtliche Aspekte eine Rolle. Grundsätzlich gilt das Tätigkeitsortprinzip, wonach das Sozialversicherungsrecht des Landes anzuwenden ist, in dem ein Arbeitnehmer die Arbeit ausübt. Bis Mitte 2023 galt die Regelung, dass die Sozialversicherung des Wohnsitzlandes greift, wenn der Beschäftigte dort dauerhaft mindestens 25 Prozent der Zeit im Homeoffice gearbeitet hat. Diese Grenze wurde erhöht. Seit Juli 2023 dürfen Arbeitnehmer in anderen EU- und EWR-Ländern bis zu 49,9 Prozent ihrer Arbeitszeit im Wohnsitzstaat verbringen, ohne dass sich ihre sozialversicherungsrechtliche Zugehörigkeit ändert, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Es gilt dann weiterhin das Recht des Landes, in dem der Beschäftigte die Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers erbringt. Hierzu benötigt es zusätzlich eine „Ausnahmevereinbarung”, die bei der DVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland) zu beantragen ist.
„Für Unternehmen ist daher eine lückenlose Dokumentation immens wichtig“, erklärt Scholz und ergänzt mit Blick auf andere Länder: „Was außerhalb der EU gilt, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen.“ Sie rät ihren Mandanten deshalb zu einer Betriebsvereinbarung, die nicht betrieblich bedingte Auslandsaufenthalte wie das mobile Arbeiten auf das europäische Ausland beschränkt.
Fazit
Mobiles Arbeiten im Ausland bietet attraktive Möglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen im Kampf um Talente. Gleichzeitig sind die rechtlichen und steuerlichen Herausforderungen nicht zu unterschätzen. Unternehmen sollten daher umfassend prüfen, welche Risiken das Arbeiten im Ausland mit sich bringt, und entsprechende Maßnahmen zur Absicherung ergreifen. „Internationale Abstimmungen, etwa durch Doppelbesteuerungsabkommen und künftige Regelungen der OECD, könnten langfristig für mehr Klarheit sorgen. Bis dahin bleibt mobiles Arbeiten im Ausland ein Balanceakt zwischen Flexibilität und Compliance”, erläutert Sabine Scholz.
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