Care-Plus-Verträge: Das müssen Heilberufler in der integrierten Versorgung beachten
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Care-Plus-Verträge: Das müssen Heilberufler in der integrierten Versorgung beachten

Vereinbarungen auf Basis von Selektivverträgen, etwa Care-Plus-Verträgen, sind sinnvoll. Sie vernetzen verschiedene Leistungssektoren miteinander und ermöglichen eine interdisziplinäre, fach- und sektorenübergreifende Patientenversorgung. Teilnehmende an dieser Versorgungsform müssen jedoch die Regeln dafür kennen.

Krankenkassen können auch außerhalb kollektivvertraglicher Regelungen und in Abstimmung mit der Pflegeversicherung eine umfassendere und abgestimmte Versorgung pflegebedürftiger Menschen gewährleisten. Das ist im Sozialgesetzbuch (SGB) V und XI geregelt.

Die integrierte Versorgung

Viele pflegebedürftige Menschen haben gleichzeitig auch chronische Krankheiten und benötigen ärztliche Versorgung. Das Konzept der integrierten Versorgung bedeutet dann, dass ein Pflegebedürftiger, der zusätzlich an einer chronischen Erkrankung leidet, sowohl von einem Pflegedienst als auch von einem Arzt regelmäßig betreut wird. Beide Leistungserbringer stimmen dabei ihre Leistungen aufeinander ab.

Heilberufler, die im Rahmen ihrer niedergelassenen Tätigkeit – auch im MVZ – Kooperationsverträge als Care-Plus-Verträge mit Pflegeheimen zur integrierten Versorgung der Heimbewohner abschließen, müssen aufgrund einer möglichen Umsatzsteuerproblematik in der Vertragsgestaltung zukünftig sehr aufmerksam sein. In einem Fall urteilte das Finanzgericht Berlin-Brandenburg am 14. Februar 2024, dass für Leistungen auf Basis von Selektivverträgen Umsatzsteuer zu erheben sei (7 K 7004/22).

Was Care-Plus-Verträge bedeuten

Mit Care-Plus-Verträgen sollen das Hin- und Herpendeln der Bewohner zwischen Krankenhaus und Pflegeheim vermieden und Krankheitskosten gesenkt werden. Die Leistungen des Arztes umfassen dabei meist Visiten, mögliche notwendige Sofortbehandlungen, Rufbereitschaft in der Nacht und außerhalb der üblichen Dienstzeiten, die Koordinierung des ärztlichen Therapieplans sowie der Medikation. Dabei sind mitbehandelnde Fachärzte sowie das Heimpersonal miteinzubeziehen. Die Vergütung erfolgt meist nach belegtagsbezogenen Vergütungspauschalen. Leistungen für eine darüber hinausgehende ärztliche Heilbehandlung der Heimbewohner lassen sich oft zusätzlich abrechnen. Dabei geht es um die Versichertenpauschale, die Vorhalte- und Chronikerpauschale sowie um die geriatrische Betreuung.

Die steuerliche Sichtweise

Im verhandelten Fall des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass Pflegeheime im Rahmen der Care-Plus-Verträge einen Festbetrag an den Kooperationsarzt zahlen, um ihn lediglich vertraglich an sich zu binden. Zwar sei die Verpflichtung zur Kooperation Voraussetzung für die ärztliche Heilbehandlung der Heimbewohner, aber keine steuerfreie Tätigkeit, die der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und – soweit möglich – der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dient. „Bindungsverträge zwischen Ärzten und Pflegeheimen seien nach dieser Sichtweise nicht von dieser Steuerbefreiung umfasst“, sagt Theresa Günther, Steuerberaterin und Fachberaterin für das Gesundheitswesen bei Ecovis in München.

Die Verpflichtung zur Kooperation mit den Pflegeheimen hätte eher organisatorischen Charakter. Kam es zu Behandlungen, wurden diese direkt vom Arzt mit der Krankenkasse oder dem Patienten nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab separat abgerechnet. Damit seien auch die Visite im Pflegeheim, die Rufbereitschaft und die Sofortbehandlungen abgegolten. So bekamen die behandelnden Ärzte etwa neben den Tagespauschalen die Versichertenpauschale von den Krankenkassen ausbezahlt, die nach den Behandlungen – auch im Fall von Care-Plus-Verträgen – gesondert vergütet wurde. „Aus diesen Gründen unterstellte das Finanzamt Doppelabrechnungen für ein und dieselbe Leistung und forderte Umsatzsteuer in beträchtlicher Höhe nach“, sagt Günther.

Umsatzsteuerbefreiung wegen klarer vertraglicher Regelungen

Regelvisiten, Rufbereitschaft mit Rund-um-die-Uhr-Versorgung, Fallbesprechung in multiprofessionellen Teams, Überweisung und Konsultation anderer Fachärzte oder Ausstellen von Rezepten und Überprüfung der Medikation sind eine Teilleistung der Heilbehandlung. Sie machen im Zweifel die Heilbehandlung erst möglich. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Leistungen gegenüber dem Pflegeheim und nicht direkt gegenüber den Patienten erbracht wurden.

Dass alle Leistungen, die in den Kooperationsverträgen vereinbart wurden, bereits über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab abgerechnet wurden, ließ sich durch ein ausdrückliches Doppelabrechnungsverbot im Vertrag ausschließen. „Die Verträge müssen also immer klar regeln, dass für gleiche Leistungen nicht das Pflegeheim sowie die Krankenversicherung des Heimbewohners aufkommen“, erklärt Günther.

Gut zu wissen: Auch Scheinselbstständigkeit immer prüfen

Praxen oder MVZ sollten bei engen Kooperationen mit Pflegeheimen auch die Problematik der Scheinselbstständigkeit im Blick behalten. Unter Umständen besteht die Gefahr, dass der Arzt nicht mehr als selbstständig, sondern als weisungsgebundener und in die Arbeitsorganisation eingegliederter Arbeitnehmer beim Pflegeheimbetreiber eingestuft wird. Das kostenlose Statusfeststellungsverfahren führt die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund durch. http://www.clearingstelle.de/


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