Finanzverwaltung fährt Landwirten an den Karren
Am 1. November wurde der Umsatzsteuer-Anwendungserlass beschlossen –mit teilweise erheblichen Mehrbelastungen.
Seit Einführung der Mehrwertsteuer in Deutschland ist es ständige Rechtspraxis, dass die Auslegung der Gesetzesvorschriften durch die Finanzverwaltung in amtlichen Umsatzsteuerrichtlinien dokumentiert wird. In diesen Vorschriften, die mit Zustimmung des Bundesrats verfasst werden, wird die Handhabung des Umsatzsteuerrechts für die Finanzbeamten verpflichtend vorgeschrieben. Letztmalig für das Jahr 2008 wurden diese Umsatzsteuerrichtlinien fortgeschrieben. Im Hinblick auf den anhaltenden Änderungsdruck und die Vielzahl der dadurch ausgelösten Rechtsanwendungsfragen wurde nunmehr das Institut der Umsatzsteuerrichtlinien von der Bundesregierung auf Vorschlag der Finanzverwaltung abgeschafft und erstmals die Verwaltungsmeinung zum Umsatzsteuerrecht in einem umfassenden Anwendungserlass geregelt. Die Bundesregierung hat die Aufhebung der Umsatzsteuerrichtlinien 2008 mit Wirkung vom 1. November 2010 beschlossen. An die Stelle der Umsatzsteuerrichtlinien tritt ein vom Bundesministerium der Finanzen in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder herausgegebener Umsatzsteuer-Anwendungserlass. Die ursprünglich beabsichtigten Umsatzsteuerrichtlinien 2011 wären nicht mehr in der Lage gewesen, den heute stetig wechselnden Rechtsstand abzudecken. Der Anwendungserlass hingegen kann bei Bedarf und regelmäßig ergänzt bzw. geändert werden. Mit dem Erlass soll auch die aktuelle Rechtsprechung vom Europäischen Gerichtshof (EuGH), Bundesverfassungesgericht (BVerfG) und Bundesfinanzhof (BFH) übernommen werden, und die jeweils tagesaktuelle Fassung soll dann ständig für alle Betroffenen abrufbar sein, so die Finanzverwaltung. Weiterhin hat der Erlass auch den großen verwaltungsökonomischen Vorteil, dass eine Beteiligung des Gesetzgebers nicht mehr erfolgt. Das Bundesfinanzministerium entscheidet nunmehr in eigener Regie über die künftige Anwendung der Umsatzsteuervorschriften.
Am 1. Oktober 2010 hat das Bundesministerium der Finanzen diesen über 600-seitigen Anwendungserlass zum Umsatzsteuergesetz herausgegeben. Dieser Anwendungserlass umfasst in wesentlichen Teilen den bisherigen Text der Umsatzsteuerrichtlinien. Die permanenten Änderungen zur Umsatzbesteuerung der Land- und Forstwirte hat die Finanzverwaltung zum Anlass genommen, ihre Verwaltungsauffassung hierzu umfangreich zu ändern und in einem eigenen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. Oktober 2010 niederzulegen.
Eine Vielzahl von Verschärfungen gegenüber der bisherigen Umsatzsteuerpraxis in den Umsatzsteuerrichtlinien 2008 tritt für die betroffenen Landwirte aber erst zum 1. Januar 2011 in Kraft. Inhaltlich war der neue Anwendungserlass zur landwirtschaftlichen Umsatzbesteuerung den Verbänden bereits im Vorfeld bekannt. Diese haben mit massiver Kritik geantwortet, ohne aber große Erleichterungen zu erreichen. Die Finanzverwaltung bleibt ihrer harten Linie treu und hat einschneidende Änderungen zu Lasten der betroffenen Land- und Forstwirte vorgegeben. Es ist zu erwarten, dass eine Flut von Finanzgerichtsprozessen sich mit dieser neuen, strikten Haltung der Finanzverwaltung beschäftigen wird. Nachfolgend möchten wir Ihnen nur ein paar einschneidende Änderungen erläutern, mit denen Sie als pauschalierender Betriebsinhaber ab dem 1. Januar 2011 konfrontiert werden. Hilfsumsätze aus dem Verkauf gebrauchter Unternehmensgegenstände sollen künftig grundsätzlich der Regelbesteuerung unterliegen, sie werden also mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belastet, die ans Finanzamt abzuführen sind. Der Verkauf gebrauchter landwirtschaftlicher Geräte soll nur dann aus Vereinfachungsgründen wie bisher im Rahmen der Pauschalierung mit 10,7 Prozent Mehrwertsteuer, die Sie behalten dürfen, bleiben, wenn die verkauften Gegenstände während ihrer Zugehörigkeit zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet wurden, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Das heißt, dass der verkaufte Schlepper zu mindestens 95 Prozent für Umsätze verwendet wurde, die ebenfalls der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen.
Unter welchen Voraussetzungen darf pauschaliert werden?
Weitere Voraussetzung für die Anwendung der Pauschalierung ist jedoch, dass der Land- und Forstwirt für diese Gegenstände auf einen auch nur anteiligen Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs-/Herstellungskosten verzichtet hat. Ein Vorsteuerabzug aus laufenden Kosten dürfte hierbei unschädlich sein. Also nur die Maschinen, die stets nur im Rahmen der Pauschalierung eingesetzt wurden, bleiben umsatzsteuerlich begünstigt. Hat der Landwirt seinen Schlepper aber im Winter zum Schneeräumen eingesetzt und damit nicht unwesentliche Umsätze in der Regelbesteuerung erzielt, muss er bei einem Verkauf seines Schleppers ab dem nächsten Jahr 19 Prozent Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen. Für den Verkauf immaterieller Wirtschaftsgüter wie Lieferrechte will der Fiskus entgegen anderen Ankündigungen nur dann 19 Prozent Mehrwertsteuer sehen, wenn die Lieferrechte bereits verpachtet waren. Werden die Lieferrechte aus einem aktiven, pauschalierenden Betrieb heraus verkauft, bleibt die Pauschalierung nur für solche immateriellen Wirtschaftsgüter zulässig, die die rechtliche Grundlage der Erzeugertätigkeit des Unternehmers darstellen, wie eben Milchquoten und Brennrechte.
Bei Verpachtung und Verkauf von Zahlungsansprüchen bleibt der Fiskus hart und verlangt stets die volle Mehrwertsteuer. Gravierende Einschnitte gibt es auch für Be- und Verarbeitungsbetriebe. Der ertragsteuerliche Begriff des landwirtschaftlichen Nebenbetriebs wird umsatzsteuerlich aufgegeben. Zukünftig soll nur ein Zukauf von bis zu 25 Prozent im Rahmen der ersten Be- und Verarbeitungsstufe unschädlich sein. Bislang konnte der Landwirt, der Erzeugnisse bis zu 50 Prozent zukaufte, die von ihm be- und verarbeiteten Produkte noch als seine eigenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse und damit im Rahmen der Umsatzsteuerpauschalierung vermarkten. Jetzt wird diese Grenze halbiert. Wird die neue Grenze überschritten, unterliegt das fertige Produkt, auch wenn es zu fast 75 Prozent aus eigener Produktion stammt, der Regelbesteuerung.
Für landwirtschaftliche Biogasanlagen gelten aber umsatzsteuerlich wohl in Zukunft andere Regeln. Nach Aussagen der Finanzverwaltung ist geplant, dass Biogas künftig unabhängig von eventuellen Zukäufen der Regelbesteuerung unterliegen soll. Entsorgungsleistungen wie Grüngutabnahme, Klärschlammausbringung und Gärsubstratabnahme werden zukünftig als Dienstleistungen gegenüber Nichtlandwirten der Regelbesteuerung unterworfen – ohne Wenn und Aber. Auch die Verwendung des Klärschlamms als Dünger im eigenen Betrieb lässt die Finanzverwaltung nicht gelten. Ebenfalls nicht mehr der Pauschalierung, sondern der Regelbesteuerung wird die Lohnmast für Nichtlandwirte unterliegen.
Nur um an dieser Stelle die Ausführungen abzuschließen, sollen exemplarisch zukünftig neben den Grabpflegeleistungen auch die Abgabe von Speisen und Getränken in Strauß- und Besenwirtschaften und die entgeltliche Unterbringung und Verpflegung von Arbeitnehmern der Regelbesteuerung unterliegen.
Fazit:
Der neue Anwendungserlass bindet die Finanzbeamten und ihre Prüfer und führt somit zwangsläufig zu umsatzsteuerlichen Mehrbelastungen. Soweit die Änderungen unseres Erachtens die Grenzen von Gesetz- und Rechtsprechung überschreiten, werden wir jedoch Ihre Interessen vertreten und versuchen, durch Musterprozesse die fiskalische Haltung soweit wiemöglich zurückzudrängen. Da Finanzprozesse in Deutschland aber sehr langwierig sind, ist hier nicht mit kurzfristigen Entlastungen für Sie zu rechnen.