Blackbox KI: Fehlendes Wissen noch vor Datenschutzbedenken
Eine aktuelle Studie der weltweiten Partnerkanzleien von ECOVIS International zeigt: Künstliche Intelligenz (KI) ist in Unternehmen noch auffällig wenig etabliert – trotz der klaren Vorteile wie Effizienz, Kosteneinsparungen und höherer Produktivität. Woran liegt das? Vielleicht an einschränkenden Gesetzgebungen oder Angst vor dem Missbrauch personenbezogener Daten?
Flickenteppich KI-Gesetzgebung weltweit: Chance oder Risiko?
An der Umfrage von ECOVIS International (Details siehe unten) nahmen 42 Kanzleien aus 36 Ländern teil. Zum Zeitpunkt der Umfrage im Mai 2025 haben die Länder ohne gesetzliche Regulierung mit 40,5 Prozent noch die Nase vorn, jedoch ist der Großteil (69 Prozent) an internationalen Abkommen beteiligt.
Einheitliche Gesetzgebung in der EU
Auffällig ist hier: Nur innerhalb der EU sorgt der EU AI Act für eine einheitliche Gesetzgebung. Ergänzt wird er vereinzelt durch nationale Regelungen, die Auswirkungen auf den Einsatz von KI haben. In der Americas-, der APAC- und der MEA-Region gibt es keine grenzüberschreitenden Regelungen. Viele Länder, darunter Argentinien, Brasilien, China, Japan, Israel oder Mauritius, sind jedoch Teil von KI-Regelungen internationaler Organisationen wie der OECD und der UN oder sie planen eigene Gesetze.
Die nationale Gesetzgebung zielt vor allem darauf ab, vor unterschiedlichen Risiken zu schützen. Laut der befragten Partnerkanzleien zählen dazu vor allem die Wahrung der Grund- und Menschenrechte, die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit sowie der Schutz der kritischen Infrastruktur, insbesondere der Gesundheitsbranche.
Was den Datenschutz angeht, nimmt die EU mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine Vorreiterrolle ein, ergänzt durch nationale Gesetze in einigen Mitgliedsstaaten. Auch Länder wie Brasilien, Vietnam, Japan, China, Israel oder Südafrika verfügen über spezifische Vorgaben. In vielen Ländern jedoch fehlen noch klare Regelungen oder sie befinden sich erst im Aufbau.
Für Verstöße durch KI gibt es nur in wenigen Ländern eigene Gesetze. Dazu gehören Japan, China, Spanien und das Vereinigte Königreich. In allen anderen Ländern fallen Verstöße unter allgemeine Gesetzgebungen wie Verbraucherschutz, Zivilrecht oder die DSGVO.
„Interessant sind hierbei die regionalen Unterschiede. Europa beispielsweise sieht verstärkt die Risiken und setzt eher auf strengere Regulierungen. Die USA hingegen will nach neuestem Stand weniger regulieren und sich somit die Chance auf eine Vorreiterrolle in Sachen KI sichern“, sagt Alexander Weigert, Vize-Präsident von ECOVIS International.
Was bedeutet das nun konkret für Unternehmen?
Für internationale Unternehmen ist es schwierig, KI-Anwendungen länderübergreifend zu nutzen. Denn die unterschiedliche Gesetzgebung, was in den einzelnen Ländern erlaubt ist, aber auch die Einschränkungen, wie Datenschutz, machen es den Unternehmen schwer, eine einheitliche KI-Strategie zu entwickeln oder KI-Modelle in allen Ländern gleichermaßen zu nutzen. Die Ausnahme hier: Die EU-Mitgliedstaaten haben dank des AI Acts einheitliche Regelungen, was die Arbeit für internationale Unternehmen erleichtert – und künftig ein Wettbewerbs- und Standortvorteil sein kann.
KI-Förderung zu Lasten von Schutz personenbezogener Daten?
Die Länder haben bei der Entwicklung von KI weltweit zwei Hauptaufgaben: Förderinitiativen und Regulierungsmaßnahmen. Laut den teilnehmenden Partnerkanzleien liegt der Fokus der Staaten dabei darauf, Innovationen zu fördern und gleichzeitig die bestehenden Gesetze und Regulierungen zu beachten.
Amercias-Region
Zu den Ländern, die Forschung, Entwicklung und Anwendung von KI gezielt fördern, gehört in der Americas-Region neben Brasilien vor allem Kolumbien: Dort hat die Regierung bereits 2019 und 2020 Richtlinien eingeführt, die Forschung, die ethische Nutzung von KI und ein Innovationsökosystem fördern. Außerdem gibt es spezielle Einrichtungen zur Finanzierung von KI-Projekten. Die USA stellen im Rahmen des Stargate-Projekts 500 Milliarden Dollar bereit, um KI-Infrastruktur aufzubauen. Europa hat im Februar die Initiative „InvestAI“ ins Leben gerufen, mit der 200 Milliarden Euro für Investitionen in KI mobilisiert werden sollen.
APAC-Raum
Im APAC-Raum gibt es spezielle Initiativen in Vietnam, China und Taiwan. Besonders hervorzuheben ist Japan: Zum einen gibt es dort einen 65-Milliarden-Dollar-Plan, der unter anderem die heimische KI-Industrie fördern soll, sowie Partnerschaften mit US-amerikanischen Start-ups, die japanische Ingenieure in der Entwicklung von KI-Chips schulen sollen. Zum anderen hat die japanische Regierung Änderungen am Gesetz über den Schutz personenbezogener Daten vorgeschlagen, um die Verwendung personenbezogener Daten in der KI-Entwicklung zu erleichtern. „Dies ist bisher noch ein Vorschlag. Inwieweit solche Maßnahmen beispielsweise auch in Europa möglich wären, ist fraglich. Denn die Aufweichung des Schutzes personenbezogener Daten wird hier teils sehr kritisch gesehen“, sagt Richard Hoffmann, Rechtsanwalt und Mitglied des Management Boards von ECOVIS International.
EU und Vereinigtes Königreich
In der EU und dem Vereinigten Königreich weisen nahezu alle Länder Initiativen zur Förderung von KI auf. Beispielsweise plant Polen, eine nationale KI-Behörde einzurichten, wohingegen Portugal bereits eine nationale KI-Agenda hat mit den Zielen, den technologischen Fortschritt zu forcieren, spezialisierte Arbeitskräfte auszubilden und die nötige Infrastruktur auszubauen. Außerdem ist auffällig, dass viele Länder, wie Griechenland oder Lettland, die Zusammenarbeit zwischen Forschung, Wirtschaft und öffentlichem Sektor fördern, um Innovationen praxistauglich umzusetzen. Ein weiteres zentrales Element ist die finanzielle Förderung, etwa durch nationale Mittel oder EU-Programme wie Horizon Europe. Auffallend hierbei ist Italien, das Fördermittel gezielt für kleine und mittlere Unternehmen bereitstellt.
Was bedeutet das zusammengefasst?
Auch wenn die Förderungen meist noch am Anfang sind und die Ergebnisse somit noch auf sich warten lassen: Die unterschiedlichen staatlichen Förderungen zeigen, dass die Regierungen die Potenziale von KI nutzen wollen. Unternehmen sollten sich in ihrem Land informieren, wie sie die Voraussetzungen für die Förderungen erfüllen können.
KI-Potenzial als Mittel gegen überbordenden Staatsapparat?
Die in der Studie genannten Branchen mit dem höchsten KI-Potenzial sind die Gesundheitsbranche und staatliche Akteure, wie die folgende Abbildung zeigt.
Die Vorteile liegen vor allem in der Prozessautomatisierung, Effizienzsteigerung, Kostenreduktion und der Förderung von Innovation und Genauigkeit der Arbeit. Als Herausforderungen nennen viele der 42 teilnehmenden Kanzleien Rechtssicherheit für Unternehmen, den Schutz von personenbezogenen Daten und strenge Regulierungen, die Innovationen verhindern.
Die Antworten der Studienteilnehmer zeigen: Die Potenziale beziehen sich vor allem auf staatliche Behörden mit einem hohen Verwaltungsaufwand. „Behörden und Verwaltungen sollten die Chancen nutzen, sich selbst zu entschlacken und effizienter zu werden“, sagt Alexander Weigert. „Weniger Überregulierung würde auch den Mittelstand freuen, der zu viel Zeit in unnötige Bürokratie investieren muss. Zeit, die ihm für Innovationen und Produktivität fehlt.“
Kunden aus dem Finanzsektor haben bei der KI-Nutzung die Nase vorn
26 der befragten Partnerkanzleien gaben an, dass deren Kundinnen und Kunden KI in den oben genannten Branchen bereits im Einsatz haben. Hier ein paar Beispiele pro Region:
- In der Region Americas sticht vor allem Brasilien mit Kundenbeispielen heraus: Ecovis-Finanzanalyst Celmo Silva gibt an, dass seine Kunden KI im Finanzsektor, im Handel und in der Gesundheitsbranche In allen drei Sektoren stehen dabei auf die Kunden zugeschnittene Produkte und Angebote im Vordergrund. In der Industrie geht es vor allem um Qualitätskontrolle und Wartungsvorhersagen.
- Im APAC-Raum, in Taiwan, Malaysia und China, wird KI vor allem im Finanzsektor Ein Beispiel liefert Ecovis-Partnerin Pingwen Hu in China: Dank KI-Betrugserkennung und Roboter-Berater ist die Risikobewertung um 50 Prozent schneller geworden. Weitere Bereiche sind Telekommunikation, Handwerk und Handel.
- Innerhalb der EU ist der Finanzsektor mit fünf Nennungen die häufigste Branche, in der Ecovis-Kunden KI nutzen, dicht gefolgt vom Gesundheitswesen, dem Handel und dem öffentlichen Sektor mit jeweils vier Nennungen. Ebenfalls genannt wurden Handwerk, Landwirtschaft, Rechtsberatung und Industrie. Der portugiesische Partner Goncalo Areia gibt beispielsweise an, dass er einige öffentliche Unternehmen als Kunden hat. Dank KI lassen sich Unterlagen leichter austauschen und auch die Interaktion zwischen Bürgern und den Einrichtungen ist unkomplizierter und besser. Ein Kundenbeispiel für das Gesundheitswesen bringt der Pariser Anwalt Julien Vaucheret: Bei der präklinischen Entwicklung lassen sich Kosten und Zeit sparen.
KI-Nutzung in Unternehmen: Fehlendes Wissen ist das Problem
Folgende Grafik zeigt die Anzahl der Nennungen, warum Kunden KI bisher nicht nutzen.
Die Auswertung zeigt, dass weltweit zwar auch Technik und Datenschutz eine Rolle spielen. Die größten Hindernisse für KI in Unternehmen sind jedoch die Menschen: teils massives fehlendes Wissen über KI und Vertrauen in KI, unklare Vorteile, psychologische Gründe wie die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und Widerstand gegenüber Veränderungen.
„Das bedeutet ganz klar: Wer die Vorteile von KI nutzen möchte, muss in Unternehmer und Mitarbeitende investieren“, sagt Richard Hoffmann. „Das geht zum Beispiel durch gezielte Schulung im Umgang mit Tools und Software, mit Information zu den Regeln rund um Datenschutz und an der ein oder anderen Stelle Gespräche, um Unsicherheiten zu nehmen und Hürden abzubauen. Denn nur wer sicher weiß, was er kann und darf, wird auch KI nutzen – gerade in sensiblen Branchen wie dem Gesundheitswesen.“
Unsere Einschätzung: Regierungen müssen Balance finden
Zum einen unklare rechtliche Voraussetzungen, zum anderen gezielte Förderungen – Regierungen weltweit sehen die Vorteile von KI. Fraglich ist dabei jedoch: Wie praktikabel sind die Innovationen am Ende, wenn vor allem international tätige Unternehmen keine gesetzliche Klarheit bei der Umsetzung haben?
„Hier sind aus unserer Sicht mehr Zusammenarbeit der Regierungen weltweit gefragt. Denn natürlich kann eine zu strikte Handhabung oder sehr enge Formulierung der Gesetze dazu führen, dass das Potenzial und die Chancen, die KI bietet, nicht ausgeschöpft werden. Es gilt, die Balance zu finden und einen Rahmen für Unternehmen zu schaffen, um Überregulierung und Bürokratie gering zu halten und gleichzeitig genug Spielraum für Investitionen zuzulassen“, sagt Alexander Weigert. „Wir haben in unserem Netzwerk weltweit viele Expertinnen und Experten zum Thema KI, die die aktuellen Entwicklungen beobachten und Unternehmen zu Themen rund um Gesetzgebung und Förderungen informieren können.“
Unternehmen sollten daher zügig handeln und sich und ihre Mitarbeitenden mit dem Thema KI und den Einsatzmöglichkeiten vertraut machen. Denn Richard Hoffmann befürchtet, „dass die Ängste der Menschen und mögliche zu starke und uneinheitliche staatliche Regulierungen dazu führen können, dass KI als wertvolles ergänzendes Instrument in zahlreichen Branchen auch künftig wenig Unterstützung bieten wird.“
Über die Studie
ECOVIS International ist ein internationales Beratungsnetzwerk mit Standorten in über 90 Ländern. An der Studie nahmen 42 Partnerkanzleien aus 36 Ländern teil. Die Teilnehmer haben sich wie folgt nach Regionen zusammengesetzt: acht aus Süd- und Nordamerika (Americas), sieben aus dem asiatisch-pazifischen Raum (APAC), 22 aus Europa (davon 19 EU-Länder) und fünf Teilnehmer aus Afrika und dem Nahen Osten (MEA). Die Umfrage bestand aus zehn Fragen, davon drei Multiple-Choice- und sieben offenen Fragen. Die Umfrage war freiwillig und im Mai 2025 drei Wochen offen zur Teilnahme.



