Erbschaftsausschlagung: Anfechtung bei Irrtum über den Nachlasswert ist nicht möglich

Erbschaftsausschlagung: Anfechtung bei Irrtum über den Nachlasswert ist nicht möglich

Schlägt eine erbberechtigte Person ein Erbe aus, ist das unwiderruflich. Es besteht allerdings die Möglichkeit, die Erklärung anzufechten. Dem sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Eine Erbschaftsausschlagung lässt sich nur anfechten, wenn ein beachtlicher Erklärungs-, Inhalts- oder Eigenschaftsirrtum vorliegt. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken bestätigt diese Rechtslage im Hinblick auf den Irrtum über den Nachlasswert. Die Details erklärt Ecovis-Rechtsanwalt Thomas Skora in Weiden.

Sachverhalt: Enkelin schlägt Erbe wegen Verdacht auf Überschuldung aus

Die 106-jährige Erblasserin verstarb im Jahr 2021 ohne eine erbrechtliche Verfügung. Als gesetzlich erbberechtigte Angehörige hinterließ sie mehrere Enkel und Urenkel. Die Antragstellerin, eine Enkelin, hatte die Erbschaft fristgerecht ausgeschlagen und sich darauf berufen, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Die Erblasserin wohnte bis zu ihrem Tod in einem Pflegeheim und bezog Sozialleistungen. Diese wurden ihr aufgrund eines Miteigentumsanteils an einer Immobilie lediglich als Darlehen gewährt.

Beim Verkauf der Immobilie ergab sich ein die Verbindlichkeiten übersteigender Nachlass. Daher focht die Antragstellerin ihre Ausschlagungserklärung wegen Irrtums an und beantragte einen abweichenden Erbschein. Sie gab an, dass sie nach der Erbausschlagung durch Gespräche mit der Nachlasspflegerin im Jahr 2022 erfahren habe, dass sich im Nachlass der Erblasserin ein die Nachlassverbindlichkeiten übersteigender Grundbesitzanteil und ein ihr bislang unbekanntes Bankkonto mit einem vierstelligen Geldbetrag befinde, sodass eine Überschuldung des Nachlasses doch nicht gegeben sei.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken

Nachdem das zuständige Nachlassgericht dem Antrag noch stattgegeben hatte, wies das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken – auf die Beschwerde eines Miterben hin – den Antrag zurück (Beschluss vom 14. August 2024, 8 W 102/23). Die Antragstellerin habe ihre Ausschlagungserklärung nicht wirksam angefochten, denn der begehrte Erbschein gibt die tatsächlich eingetretene Erbfolge nicht wieder und ist daher nicht zu erlassen.

Ein beachtlicher Eigenschaftsirrtum kann vorliegen, wenn sich die anfechtende Person über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses irrt. Dies kann grundsätzlich auch vorliegen, wenn die anfechtende Person irrtümlich von der Überschuldung des Nachlasses ausgeht. Ein solcher Irrtum ist aber nur dann beachtlich, wenn der Anfechtende über die Zusammensetzung des Nachlasses irrt. Ein Irrtum über den bloßen Wert des Nachlasses oder der einzelnen Nachlassgegenstände bei Kenntnis der Zusammensetzung dagegen ist ein unbeachtlicher Motivirrtum.

Im vorliegenden Fall hatte die Antragstellerin keine Kenntnis vom Bankkonto des Nachlasses, sodass ein beachtlicher Eigenschaftsirrtum in Betracht käme. Für den Fall der im Nachlass befindlichen Immobilie liegt dagegen ein unbeachtlicher Motivirrtum vor, denn der Antragstellerin war der Miteigentumsanteil an der Immobilie bekannt. Sie hatte sich lediglich über den konkreten Wert dieses Gegenstands geirrt.

Im Ergebnis konnte die Antragstellerin aufgrund des Irrtums in Bezug auf das unbekannte Bankkonto die Ausschlagung dennoch nicht wirksam anfechten, da dieser Irrtum nicht kausal für ihre Ausschlagungserklärung war. Nach ihren eigenen Ausführungen war die Antragstellerin ursprünglich von einer Überschuldung des Nachlasses in Höhe von etwa 40.000 Euro ausgegangen. Danach hätte aber die Kenntnis über das Bankkonto nach den Vorstellungen der Antragstellerin an der Überschuldung des Nachlasses nichts geändert, sodass sie die Ausschlagung trotzdem erklärt hätte.

Nach Ansicht des OLG Zweibrücken liegt insgesamt keine wirksame Anfechtung der Ausschlagungserklärung vor. Damit stellt das OLG die wesentlichen Grundsätze der Abgrenzung des Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft und eines Motivirrtums im Falle des Irrtums über den Nachlasswert heraus und reiht sich damit nahtlos in die jüngere Rechtsprechung zu diesem Thema ein.

Praxistipp

„Betroffene sollten vor der Erklärung der Ausschlagung immer den Nachlassbestand prüfen und den vermeintlichen Wert der bekannten Nachlassgegenstände genauestens betrachten“, sagt Thomas Skora, Rechtsanwalt bei Ecovis in Weiden. Dabei sollten sie sich von der knapp bemessenen Ausschlagungsfrist von sechs Wochen nicht unnötig unter Druck gesetzt fühlen. „Denn das Gesetz sieht auch im Fall der Annahme einer überschuldeten Erbschaft Instrumente zur Haftungsbegrenzung vor“, weiß Skora.

Ansprechpartner

Thomas Skora
Thomas Skora
Rechtsanwalt in Weiden
Tel.: +49 961 - 63 49 29 0

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