Kindergeld: Wann ein Anspruch trotz Erwerbstätigkeit des Kindes besteht
Ein Anspruch auf Kindergeld besteht unter bestimmten Voraussetzungen auch dann für ein über 18 Jahre altes Kind, wenn es eine Berufsausbildung oder ein Studium verfolgt. Auch eine zusätzliche Erwerbstätigkeit des Kindes ist kein zwingendes Ausschlusskriterium. „Aber Vorsicht“, mahnt Angela Pestner, Steuerberaterin bei Ecovis in Eilenburg: „Die Ausbildung muss immer im Vordergrund stehen. Neben der Ausbildungsart ist beispielsweise auch die Ernsthaftigkeit der Ausbildungsbemühungen für den Anspruch relevant.“ Das bestätigt ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Münster.
Eltern junger Erwachsener kennen das Problem: Sobald das Kind arbeitet, steht das Kindergeld auf der Kippe. Doch ein Urteil des Finanzgerichts Münster bestätigt, dass Berufstätigkeit und Ausbildung sich nicht ausschließen müssen. Entscheidend ist nicht nur der Zeitaufwand, der in Studium oder Job gesteckt wird, sondern beispielsweise auch die ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung des Kindes auf ein Berufsziel.
Was zählt als Ausbildung für den Kindergeldanspruch?
Grundsätzlich haben Eltern Anspruch auf Kindergeld, solange das Kind das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und sich in einer Berufsausbildung befindet. „Was eine Ausbildung ist, ist weit gefasst“, sagt Angela Pestner, Steuerberaterin bei Ecovis in Eilenburg: „Das kann beispielsweise ein Studium, eine Lehre oder ein Fernstudium sein. Ob das Studium in einer staatlichen oder privaten Universität absolviert wird, spielt keine Rolle. Wichtig ist immer, dass erkennbar ist, dass das Kind wirklich auf ein Berufsziel hinarbeitet.“ Gibt es gewichtige Anhaltspunkte für eine bloße „Pro-forma-Immatrikulation“, liegt keine Berufsausbildung vor. Der Kindergeldanspruch ist in diesem Fall ausgeschlossen.
Worum ging es im aktuellen Fall?
Das Finanzgericht Münster (Az. 7 K 1522/24 Kg, AO) befasste sich mit einer Abiturientin, die nach dem Schulabschluss zunächst ausbildungsplatzsuchend war und anschließend eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnahm. Einige Monate nach dem Abitur war sie parallel dazu in einem Fernstudium eingeschrieben, das sie in Vollzeit absolvieren wollte. Das Finanzamt verweigerte das Kindergeld, unter anderem aufgrund der Ansicht, dass sich die junge Frau überwiegend ihrer Erwerbstätigkeit und nicht der Ausbildung widme.
Wie hat das Gericht entschieden?
Das Finanzgericht widersprach dieser Einschätzung. Es stellte klar, dass eine Berufsausbildung nicht zwingend die meiste Zeit oder Arbeitskraft des Kindes in Anspruch nehmen muss. Entscheidend sei unter anderem, dass die Ausbildung ernsthaft und nachhaltig betrieben wird. Im konkreten Fall sprachen die hohen Studiengebühren und die erbrachten Leistungsnachweise eindeutig für die Ernsthaftigkeit des Studiums. „Das Urteil trägt der Realität moderner Lern- und Arbeitsformen Rechnung“, sagt Pestner. „Denn die Vorbereitung auf einen Beruf findet nicht nur im Hörsaal statt. Jedes Studium, ob staatlich oder privat, in Präsenz oder über eine Fernuniversität, sollte dieselbe Anerkennung genießen.“
Was bestätigt das aktuelle Urteil?
Ein Kind verliert den Anspruch auf Kindergeld nicht automatisch, wenn es arbeitet. Weder eine Teilzeit- noch eine Vollzeitstelle steht dem Anspruch entgegen. Maßgeblich ist unter anderem die Zielrichtung der Ausbildung. Eine Berufsausbildung kann also auch dann vorliegen, wenn Erwerbstätigkeit und Ausbildung parallel stattfinden, solange aktiv darauf hinarbeitet wird, berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben. Das Urteil bietet Familien mehr Rechtssicherheit. „Eltern sollten den Kindergeldanspruch nicht vorschnell aufgeben“, sagt Angela Pestner. „Wichtig ist eine sorgfältige Dokumentation, etwa durch Immatrikulationsbescheinigungen, Leistungsnachweise oder Belege über Studiengebühren.“
Tipp: Was sollten Familien jetzt tun?
- Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater über mögliche Kindergeldansprüche für Ihre erwachsenen Kinder.
- Melden Sie relevante Änderungen in den Verhältnissen bei der Familienkasse.
- Bewahren Sie Bescheinigungen und Belege, die die Ausbildung dokumentieren, sorgfältig auf.