Wie Behörden Korruption im Gesundheitswesen bekämpfen
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Wie Behörden Korruption im Gesundheitswesen bekämpfen

Die Kriminalität im Gesundheitswesen ist vermutlich nicht stärker ausgeprägt als in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens. Die Aufklärung mutmaßlicher Straftaten erfordert jedoch spezifische Sachkenntnisse von den Akteuren im Gesundheitswesen, den Kostenträgern und vom jeweiligen Abrechnungssystem.

Um die Kriminalität im Gesundheitswesen zurückzudrängen, wurde in Bayern bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg die „Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen“ (ZKG) installiert. Auch in anderen Bundesländern existieren Organisationen, die sich der Prävention und Bekämpfung von Straftaten im Gesundheitssektor widmen, etwa in Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Mecklenburg-Vorpommern. Und alle haben gut zu tun, denn die Schäden, die die Betrüger auf Kosten des Gesundheitssystems und der Solidargemeinschaft anrichten, gehen in die Millionen.

Wie die ZKG arbeitet

Die ZKG ist auf dem gesamten Gebiet des Freistaats Bayern tätig. Sie ist für Korruptions- und Vermögensstraftaten von Angehörigen der Heilberufe zuständig, wenn diese für ihre Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung benötigen und die Tat im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Berufsausbildung begehen. „Die ZKG führt dabei Ermittlungen zum Beispiel gegen niedergelassene Ärzte, Physiotherapeuten, Pflegedienste oder auch Verantwortliche in Krankenhäusern. Zur Bearbeitung der Fälle stellen Krankenhäuser und Arztpraxen ganz bewusst ausgebildete und mit deren Abrechnungssystem vertraute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein“, weiß Janika Sievert, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht bei Ecovis in Würzburg.

Bereits zum 1. Oktober 2021 wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, unter dem Link https://www.bkms-system.com/ZKG begangene Vermögensstraftaten zulasten des Gesundheitswesens anonymisiert zu melden. Dabei ist eine Kommunikation unter vollständiger Wahrung der Anonymität zwischen Hinweisgeber und den ermittelnden Personen möglich. Dies wird gewährleistet, indem ein „Postkasten“ für den Kontakt oder für Nachfragen sowie das Teilen von Daten oder Bildern genutzt wird. Die Zugangsdaten für das Portal erhält die Hinweisgeberin oder der Hinweisgeber mittels eines Kennworts, das zu Beginn festgelegt wird. Im Falle eines Verlusts dieser Zugangsdaten ist aufgrund der Anonymität keine Wiederherstellung des Accounts möglich. Patienten, Mitarbeiter, aber auch Angehörige können hier einen Verdacht melden.

Großer Schaden für alle Beteiligten

Nach den ersten zwei Jahren der ZKG wurde eine Zwischenbilanz veröffentlicht. Im Zeitraum vom 15. September 2020 bis zum 30. Oktober 2022 wurden insgesamt 568 Verfahren eingeleitet und 249 Altverfahren bearbeitet. In 36 Prozent dieser Verfahren wurde gegen Corona-Testzentren ermittelt, in 31 Prozent gegen Ärztinnen und Ärzte und in zehn Prozent gegen Physiotherapeutinnen und -therapeuten. Der Großteil der Fälle, etwa 85 Prozent, betraf Betrugstatbestände. Korruption spielte demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Neben den genannten Delikten wurden auch Urkundendelikte, Geldwäsche sowie Straftaten gegen das Infektionsschutzgesetz verfolgt. Für das Jahr 2023 ergibt sich ein ähnliches Bild: Laut der Kranken- und Pflegekasse KKH in Bayern entstand durch missbrauchte Versichertenkarten oder falsch abgerechnete Behandlungen der Kasse ein Schaden von 1,8 Millionen Euro in Bayern, 3,5 Millionen Euro deutschlandweit.

Die Anzeigen erstatteten in erster Linie Behörden, insbesondere die gesetzlichen Krankenkassen. Diese gewinnen ihre Kenntnisse über einen etwaigen Abrechnungsbetrug aus der Überprüfung der bei ihnen eingehenden Abrechnungen und der daraufhin gestellten Nachfragen an die Praxen. In einigen Fällen gingen auch Anzeigen von Privatpersonen ein. Um die eingehenden Anzeigen zu überprüfen, werden häufig Durchsuchungen vorgenommen. Diese können in der Arztpraxis selbst, aber bei entsprechenden Anhaltspunkten auch im Privathaus des Arztes oder bei Mitarbeitern stattfinden.

Die Folgen von Ermittlungsverfahren

„Sollte gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs oder einer sonstigen Wirtschaftsstraftat eingeleitet worden sein, ist es aufgrund der Expertise der Ermittlungsbehörden ratsam, sich hier von spezialisierten Strafverteidigern vertreten zu lassen“, sagt Sievert. Denn in einem solchen Verfahren drohen nicht nur hohe Regressforderungen der Kostenträger, sondern auch hohe Strafen sowie unerwünschte Nebenwirkungen wie der Entzug der Approbation.

In begründeten Fällen kann es auch zu Durchsuchungen in der Praxis und in Privathäusern von Berufsträgern und Mitarbeitenden kommen, um den Verdacht, der sich aus einer Anzeige ergeben hat, zu erhärten. Solche Situationen sind unangenehm, lassen sich aber trainieren. „Eine Schulung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist wichtig, damit diese richtig reagieren, auch und vor allem dann, wenn die Durchsuchung bei vollem Wartezimmer stattfindet“, sagt Ecovis-Rechtsanwältin Sievert.

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Informieren Sie sich frühzeitig, was zu tun ist, wenn Ihnen eine Durchsuchung droht: https://www.ecovis.com/wirtschaftsstrafrecht/durchsuchung/

Ansprechpartner

Dr. Janika Sievert, LL.M. Eur.
Dr. Janika Sievert, LL.M. Eur.
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Strafrecht, Fachanwältin für Steuerrecht in Würzburg und München
Tel.: +49 931-352 87 52

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