Wann sich eine Unternehmensverlagerung ins Ausland lohnt
Immer wieder überlegen Unternehmerinnen und Unternehmer, Deutschland den Rücken zu kehren. Aber wann lohnt sich das wirklich? Und was sollten sie dabei beachten? Ecovis-Experten geben Antworten auf wichtige Fragen.
Zu viel Bürokratie, zu viele Steuern, zu viele Pflichten und Regulierungen. Die Liste der Beanstandungen von Unternehmen ist lang, wenn es um den Standort Deutschland geht. Gleichzeitig wird das Geschäft immer internationaler. Lohnt es sich also, ins Ausland zu gehen? Und was sollen Unternehmerinnen und Unternehmer dann beachten? Marion Dechant, Steuerberaterin bei Ecovis in München, sagt: „Es ist wichtig, zunächst zu unterscheiden, wer aus welchen Gründen wohin möchte. Denn das bestimmt ganz wesentlich die Auswirkungen auf Steuern und Co. Und die sollte man gut im Blick haben, bevor es ins Ausland geht.“
Warum Unternehmen wegziehen
Warum Unternehmer, Unternehmensteile oder ganze Unternehmen Deutschland den Rücken kehren wollen, hat unterschiedliche Gründe. Wirtschaftliche Abwägungen spielen dabei oft die größte Rolle, wenn es darum geht, Unternehmensteile ins Ausland zu verlagern. Wer Standortvorteile etwa in Bezug auf Energie- oder Personalkosten in anderen Ländern nutzen oder den Vertrieb in besonders attraktiven Märkten ausbauen will, zieht eine Standortverlagerung in Erwägung. „Wird etwa die Produktion aus Kostengründen nach Tschechien verlagert oder die IT wegen des Fachkräftemangels in Deutschland nach Indien, spricht man von einer Funktionsverlagerung“, erklärt Dechant. Wer das vorhat, muss zuerst das Gesamtpaket berechnen.
Weiter spielen die Verrechnungspreise, also die Preise, die für Waren und Dienstleistungen zwischen der zu gründenden ausländischen Tochtergesellschaft in der deutschen Holding angesetzt werden, eine wichtige Rolle. „Hier ist darauf zu achten, dass die Unternehmen die Liefer- und Leistungsbeziehungen zum fremdüblichen Preis berechnen, also so, wie man es gegenüber einem fremden Betrieb machen würde“, erklärt Dechant. Dazu kommt der Verwaltungsaufwand für die schriftliche Dokumentation der Berechnungen. Dechant rät: „Beachten Sie also immer, welche Vorgaben Sie erfüllen müssen. Das ist komplex, aber mit der richtigen Unterstützung durchaus machbar.“
Selten kommt es auch vor, dass ein Unternehmen ganz ins Ausland verlagert werden soll. „Das ist aber die Ausnahme“, berichtet Dechant aus ihren Erfahrungen. „Schließlich wissen die meisten Unternehmen auch die Vorzüge zu schätzen: Wir leben in einem sicheren Land mit hohen rechtsstaatlichen Standards und einem vergleichsweise guten Gesundheitssystem. Das ist im Ausland nicht überall gegeben.“ Ihr Kollege André Rogge, Steuerberater bei Ecovis in Dresden, warnt insbesondere all jene, die glauben, sie könnten von immensen Steuervorteilen in einem anderen Land profitieren. „So einfach ist das nicht. Denn Vater Staat sagt dann: Was hier erwirtschaftet wurde, ist auch hier zu versteuern.“
Nicht zu vergessen: Die Wegzugsbesteuerung
Zieht es einen Unternehmer auch aus privaten Gründen in die Ferne, dann gilt es, die steuerlichen Folgen für die Privatperson genau unter die Lupe zu nehmen. Bei Einzelunternehmern, deren Geschäft weiterhin in Deutschland angesiedelt ist, ist das in der Regel unproblematisch.
„Insbesondere bei Freelancern ohne nennenswertes Betriebsvermögen ist es meist unerheblich, ob sie mit dem Laptop in Stuttgart oder Sevilla sitzen“, sagt Rogge. Denn grundsätzlich orientiert sich die Steuerpflicht in Deutschland am Wohnsitz der Person. Bleibt der wirtschaftliche Lebensmittelpunkt in Deutschland, greift weiterhin hier die Besteuerung. „Ein Ferienhaus auf Mallorca ist also in der Regel unschädlich.“ Lediglich auf Doppelbesteuerungsabkommen, die – wie der Begriff schon sagt – dafür sorgen, dass eine Doppelbesteuerung in zwei Ländern vermieden wird, sollten Unternehmerinnen und Unternehmer achten.
Wie immer gilt: „Ins europäische Ausland zu gehen, ist einfacher, als in andere Länder zu ziehen. Hier gibt es vergleichbare Rechtssysteme, Doppelbesteuerungsabkommen und viele weitere harmonisierte Regelungen“, sagt Dechant. Werden jedoch Anteile an Kapitalgesellschaften gehalten, dann greift unter Umständen die Wegzugsbesteuerung. Dies bedeutet, dass stille Reserven in den Anteilen aufgedeckt und der Gewinn in vollem Umfang besteuert wird.
Achtung bei der Übertragung von Unternehmen
Dass das Leben internationaler wird, zeigt sich auch in Unternehmerfamilien. Zieht es die Kinder ins Ausland, sollte bei Erbschaft und Schenkung daher ebenfalls die Steuer nicht aus dem Blick geraten. Gerade bei Unternehmensübertragungen an die nächste Generation müssen sich Unternehmerinnen und Unternehmer im Vorfeld gut informieren und am besten langfristig planen, um Freibeträge gut ausnutzen zu können. Denn auch hier kann sonst die Wegzugsbesteuerung greifen. „Passiert das ohne gleichzeitigen Liquiditätszufluss, kann man schnell in eine finanzielle Schieflage geraten“, sagt Steuerberater Rogge.
Hauptsache gut informiert
Einig sind sich die Experten auf jeden Fall in einem wichtigen Punkt: Je besser sich die Beteiligten informieren und je gründlicher sie den Schritt ins Ausland vorbereiten, desto eher lassen sich die anvisierten wirtschaftlichen Vorteile umsetzen. „Dabei ist auch die Datengrundlage im eigenen Unternehmen entscheidend. Wer ein gutes Controlling hat, kann verlässlich berechnen, welche Kosten und Steuern mit einem Wegzug aus Deutschland auf das Unternehmen und den Unternehmer selbst zukommen“, sagt Rogge.