Welche Vorteile die Societas Europaea deutschen Unternehmen bringt
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Welche Vorteile die Societas Europaea deutschen Unternehmen bringt

Mehr und mehr Unternehmen entscheiden sich auch in Deutschland für die Rechtsform Societas Europaea. Worin liegen die entscheidenden Unterschiede zur Aktiengesellschaft nach deutschem Recht? Und für wen kann sich eine Umwandlung lohnen?

Konzerne wie Porsche oder BASF haben es vorgemacht. Immer häufiger zeigen aber auch große Familienunternehmen Interesse an der Europäischen Aktiengesellschaft, der Societas Europaea – kurz SE. Schließlich erlaubt diese Rechtsform Unternehmen, grenzüberschreitend innerhalb der EU zu agieren, ohne in jedem Mitgliedstaat separate Tochtergesellschaften gründen zu müssen.

Marcus Büscher, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei Ecovis in Düsseldorf, sagt: „Die SE ist für große und wachstumsstarke Unternehmen, die strategisch auf den europäischen Markt ausgerichtet sind, attraktiv. Denn diese Rechtsform erlaubt es ihnen, Geschäfte in unterschiedlichen Ländern unter einem einheitlichen Regelwerk zu führen.“ Und auch der Imagefaktor ist nicht zu unterschätzen: „Die SE signalisiert ein modernes, europäisches Selbstverständnis.“

Kapitalgesellschaft mit mehr Spielraum

„In der Unternehmensführung bietet die SE deutlich mehr Flexibilität“, sagt Ecovis- Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Armin Weber in München. Denn ein besonderes Merkmal der SE ist die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Leitungsstrukturen: dem dualistischen Modell mit klar getrennten Rollen wie bei der Aktiengesellschaft (AG) – der Vorstand führt, der Aufsichtsrat kontrolliert – und dem monistischen Modell mit einem Verwaltungsrat.

„Das dualistische Modell bietet klare Aufgabenteilung, erfordert aber auch mehr Abstimmungsaufwand“, erklärt Weber. Demgegenüber steht das monistische System, das häufig als flexibler und schneller gilt: Entscheidungen lassen sich zentraler und direkter treffen. Gleichzeitig kann bei einer SE mit monistischer Struktur eine personelle Verflechtung der Leitungsorgane entstehen. „Aus Prüfersicht bedeutet das: weniger starre gesetzliche Vorgaben, mehr Einfluss der Satzung auf Organisation und Verantwortlichkeiten“, sagt Weber. „Die Prüfungsmaßstäbe orientieren sich daher stärker an der individuellen Ausgestaltung.“

Unternehmen sollten bei der Wahl der Struktur genau prüfen, welche Führungsform zur Unternehmenskultur und zu den operativen Anforderungen passt. Weber gibt zu bedenken: „In der Praxis sparen Unternehmen im monistischen Modell Verwaltungsaufwand und Kosten. Für Investoren jedoch bleibt die dualistische Struktur attraktiver, da sie mehr Kontrolle bietet.“

Steuern? Der Sitz entscheidet

„Steuerlich gesehen unterscheidet sich die SE kaum von der klassischen AG – Kapitalgesellschaft ist Kapitalgesellschaft“, erklärt Steuerberaterin Marion Dechant bei Ecovis in München. „Sie unterliegt bei Sitz im Inland der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer.“ Das bedeutet: Entscheidend für die steuerliche Behandlung ist nicht die SE-Form selbst, sondern der Sitz der Gesellschaft. Ist die SE in Deutschland geführt und ins Handelsregister eingetragen, entsteht damit eine unbeschränkte Steuerpflicht nach deutschem Recht.

„Für international aufgestellte Unternehmen ist es wichtig, diese steuerlichen Auswirkungen im Vorfeld präzise zu analysieren, insbesondere bei komplexen Holdingstrukturen oder Sitzverlegungen“, ergänzt Dechant. Ein reiner Sitzwechsel zur Steuervermeidung ist selten sinnvoll: „Die Wegzugsbesteuerung steht dem regelmäßig entgegen“, betont Dechant.

Gründung: Komplex und langwierig

Die Gründung einer SE kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen: „In der Praxis ist die Neugründung die Ausnahme, typisch ist eher die Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften in unterschiedlichen Ländern – beispielsweise einer deutschen AG mit einer spanischen Tochtergesellschaft – oder die Umwandlung einer bestehenden AG in eine SE“, sagt Ecovis-Rechtsanwalt Büscher. Ein bestimmendes Merkmal ist, dass die beteiligten Gesellschaften in mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten ansässig sind. „Die Unternehmen sind meist bereits international aktiv und möchten eine strategische Struktur schaffen. In solchen Fällen ist auch eine Unternehmensbewertung im Rahmen der Umwandlung durch Wirtschaftsprüfer zwingend erforderlich“, ergänzt Wirtschaftsprüfer Weber.

In jedem Fall ist der Gründungsprozess komplex. Er erfordert präzise Planung und rechtliche Expertise, schließlich sind Gründungsbeschlüsse, Satzungsentwürfe, Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern, Notartermine und Handelsregistereintragungen zu bewältigen. Das dauert in der Regel sechs bis zwölf Monate. „Der Aufwand hängt stark von den vorhandenen Strukturen im Unternehmen ab“, sagt Büscher. Wer schneller ans Ziel kommen will, kann auf „Vorrats-SEs“ zurückgreifen – vorgegründete Gesellschaften, die übernommen und angepasst werden. Und dann sind da noch die Kosten. Die Mindestkapitalanforderung für eine SE liegt bei 120.000 Euro, deutlich mehr als bei einer GmbH mit 25.000 Euro oder einer AG mit 50.000 Euro. Weber sagt: „Für junge Start-ups ist die SE daher selten eine geeignete Option.“

Unterschiede in der Mitbestimmung

Und auch in Sachen Mitbestimmung gibt es einige Unterschiede: Während bei der AG die Mitbestimmung gesetzlich geregelt ist – ab 500 Beschäftigten gilt die Drittelbeteiligung, ab 2.000 die paritätische Mitbestimmung –, lässt sie sich bei der SE umgehen. Denn bei Gründung wird der Status quo der Mitbestimmung „eingefroren“. Das heißt: „Auch wenn die Zahl der Beschäftigten später steigt, bleibt die ursprüngliche Beteiligung der Beschäftigten bestehen“, erklärt Gunnar Roloff, Rechtsanwalt bei Ecovis in Rostock.

Ein wichtiges Motiv bei der Wahl der Rechtsform, bestätigt auch Ecovis-Rechtsanwalt Büscher aus der Praxis: „Es gibt immer wieder unverbindliche Anfragen von Unternehmen, die die Schwelle zur paritätischen Mitbestimmung überschreiten und prüfen, ob sie durch eine SE-Gründung den Status quo erhalten können.“

Gründung einer SE: das Interview

Mitbestimmung gezielt steuern Die Umwandlung in eine SE kann Unternehmen strategische Vorteile bieten, insbesondere in Bezug auf die Mitbestimmung. Was Mandanten dabei allerdings beachten sollten, erklärt Gunnar Roloff , Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Ecovis in Rostock, im Interview.

Was ist die Besonderheit bei der SE, wenn es um das Mitbestimmungsrecht geht?

Die Societas Europaea (SE) unterscheidet sich ganz wesentlich von der Aktiengesellschaft (AG). Denn bei der AG ist die Mitbestimmung gesetzlich geregelt. Im Gegensatz dazu ist Mitbestimmung bei der SE reine Verhandlungssache. Erzielen das Management des Unternehmens und die Arbeitnehmervertretung bei den Verhandlungen aber keine Einigung, bleibt der bestehende Mitbestimmungsstatus erhalten.

Und was ist, wenn das Unternehmen weiterwächst?

Genau das ist der entscheidende Punkt: das „Einfrieren“ des Mitbestimmungsstatus. Es bedeutet, dass Unternehmen durch die Umwandlung in eine SE die Mitbestimmung dauerhaft auf dem bisherigen Stand halten können. Also auch dann, wenn sie wachsen und die Schwellenwerte überschreiten würden. Das bietet Unternehmen eine gewisse Planungssicherheit, die für viele Unternehmen attraktiv ist.

Was sollten Mandanten im Vorfeld einer Umstrukturierung hin zu einer SE bedenken?

Wir raten unseren Mandanten, die Wahl der Rechtsform immer strategisch zu entscheiden. Selbstverständlich spielen rechtliche Rahmenbedingungen dabei eine große Rolle. Aber genauso die langfristigen Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur sowie auch auf die Unternehmenskultur sollten die Firmen nicht aus dem Blick verlieren.

Mit welchem Aufwand oder welchen Kosten müssen Mandanten rechnen?

Je nach Ausgangslage kann die Umwandlung in eine SE mit einigem Aufwand verbunden sein. Nicht nur die Erstellung von Umwandlungsplänen kostet Zeit, auch die Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern sollten bedacht werden. Die genauen Kosten variieren je nach Unternehmensgröße und Komplexität der Umstrukturierung. Es ist daher ratsam, frühzeitig rechtlichen und steuerlichen Rat einzuholen, um den Prozess effizient und vor allen Dingen rechtssicher gestalten zu können.

Ansprechpartner

Armin Weber
Armin Weber
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Bankkaufmann, Diplom-Kaufmann in München
Tel.: +49 89-58 98 0
Marcus Büscher
Marcus Büscher
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Düsseldorf
Tel.: +49 211-90 86 70
Dr. Gunnar Roloff
Dr. Gunnar Roloff
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Rostock
Tel.: +49 381 12 88 49 0
Marion Dechant
Marion Dechant
Steuerberaterin, Diplom-Kauffrau, Prokuristin in München
Tel.: +49 89-58 98 0

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