Bekannt oder unbekannt, das ist hier die Frage! – BFH entscheidet zur Unkenntnis der Finanzbehörde bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen
Der Fall
Im Fall (Urteil vom 14.05.2025, VI R 14/22) ging es um Eheleute, die lange Zeit als sog. Antragsveranlagung veranlagt wurden, weil nur der Ehemann Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit unter Verwendung der Steuerklasse III erzielte. In der Folgezeit wurde auch die Ehefrau wieder angestellt tätig und verwendete die Lohnsteuerklasse V. Nach einiger Zeit stellte das Finanzamt dann fest, dass die Eheleute aufgrund der Steuerklassenwahl (§ 38b EStG – Einzelnorm) III und V zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen verpflichtet gewesen wären. Das Finanzamt setzte sodann in 2018 die Steuern für 2009 und 2010 fest. Die Eheleute beriefen sich auf Verjährung, während das Finanzamt annahm, dass die Frist wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen verlängert worden war.
Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen kann aber nur begangen werden, wenn die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt werden (§ 370 AO – Einzelnorm).
Die Eheleute klagten daraufhin vor dem Finanzgericht Münster; das FG gab der Klage zunächst statt. Der BFH hat das Urteil nun aufgehoben. Warum?
Die Entscheidung in aller Kürze
Wichtig für die Entscheidung des BFH war hier ein kleines, aber feines Detail – eine Auswirkung der durchaus als zögerlich zu bezeichnenden Digitalisierung der Finanzverwaltung.
Der BFH machte deutlich, dass bei der Frage der „Kenntnis“ des Finanzamts auf diejenige Person abzustellen ist, die organisationsmäßig für die Bearbeitung des Steuerfalls zuständig ist oder den Steuerbescheid erlassen hat. In der Regel also die Sachbearbeiterin. Dabei werden der gesamte Inhalt der Papierakte, aber ebenso auch eine elektronisch Akte als bekannt gewertet, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeitenden ankommt.
Ein Klick im Finanzamt kann über die Strafbarkeit entscheiden
Aber: der BFH entschied nun, dass dagegen elektronische Daten, die nicht automatisch zur Akte gelangen und lediglich auf Datenspeichern zum Abruf bereit liegen, nicht automatisch als bekannt gelten. Dies gilt auch, wenn die Daten mit der betreffenden Steuernummer verknüpft sind.
Es kommt also darauf an, ob solche Daten auch tatsächlich abgerufen wurden. Nur dann hat das Finanzamt Kenntnis von steuerrelevanten Daten.
Praxistipps
Warum bei der Wahl der Steuerklassenkombination III und V eine Steuerhinterziehung trotz Lohnsteuerabzug vorliegen kann, lesen Sie hier.
Über die richtige Wahl der Steuerklassen bei der Heirat können Sie sich hier informieren.
Auch Ehegatten, die nur Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielen und die Steuerklassen III und V gewählt haben, müssen fristgerecht Steuererklärungen einreichen.
Sollte dies versäumt worden sein, kann eine Selbstanzeige der richtige Weg zur Strafbefreiung sein: lassen Sie sich hier von einer versierten Rechtsanwältin beraten.
Sollte bereits ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet sein, zögern Sie nicht, eine versierte Strafverteidigerin zu mandatieren. Nur so können frühzeitig Ihre Beschuldigtenrechte gewahrt und steuerliche Fragen, wie z.B. solche der Veranlagung, und strafrechtliche Fragen gleichermaßen geprüft werden.
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