Vorsicht bei der Auftragsentziehung gem. §§ 4 Abs. 7 Satz 3, 8 Abs. 3 VOB/B
Bei Nichteinhaltung der vorgesehenen Voraussetzungen bleibt der Auftraggeber (nicht nur) auf den Mangelbeseitigungskosten sitzen!
Das OLG Jena hat mit Urteil vom 10.02.2016 (Az. 7 U 555/15) nochmals ausdrücklich klargestellt, dass der Auftraggeber im VOB-Vertrag nur dann Ersatz der Mangelbeseitigungskosten verlangen kann, wenn er dem Auftragnehmer zuvor eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt hat, die Auftragsentziehung angedroht wurde und der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Auftrag nach fruchtlosem Fristablauf entzogen hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und erklärt der Auftraggeber dennoch die Kündigung des Bauvertrags, ist seine Kündigungserklärung in eine sogenannte freie Kündigung umzudeuten. Der BGH dieses Ergebnis mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde bestätigt.
OLG Jena, Urteil vom 10.02.2016 – 7U 555/15; BGH, Beschluss vom 16.05.2018 – VII ZR 53/16 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Sachverhalt:
Das OLG Jena hatte vorliegend über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Der Kläger beauftragte die Beklagte mit der Modernisierung eines Bungalows, dem Anbau eines Neubaus, der Errichtung eines Einfamilienhauses und dem Bau eines Carports unter wirksamer Einbeziehung der VOB/B. Noch vor der Abnahme der Werkleistung der Beklagten rügte er Mängel und erhob Klage auf Vorschuss zur Mangelbeseitigung.
Im Laufe des entsprechenden Verfahrens verlor er jedoch die Geduld und kündigte den vorgenannten Bauvertrag schließlich gemäß § 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B (a.F.). Anschließend ließ er die Mängel von einem Drittunternehmer beseitigen und stellte die Klage sodann auf Ersatz der ihm hierdurch entstandenen Mangelbeseitigungskosten um.
Das mit der Sache befasste Landgericht verurteilte den Auftragnehmer hierauf teilweise zur Zahlung der geltend gemachten Mangelbeseitigungskosten. Hiergegen wehrt sich der Auftragnehmer mit der Berufung zum OLG.
Entscheidung:
Mit Erfolg! Das OLG Jena verneint einen Anspruch des Klägers gegen den Auftragnehmer aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB (a.F.), da der Kläger das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien weder wirksam außerordentlich gekündigt habe, noch die Entziehung des Auftrags aufgrund endgültiger Erfüllungsverweigerung oder tiefgreifenden Vertrauensverlusts entbehrlich war. Hierzu stellt es klar, dass die §§ 4 Nr. 7 und 8 Nr. 3 VOB/B (a.F.) eine abschließende Regelung der Ansprüche des Auftraggebers aus Mängeln enthalten, die sich vor Vollendung und vor Abnahme des Bauwerks gezeigt haben. Danach sei der Auftraggeber jedenfalls im Regelfall nicht ohne Einhaltung des in § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (a.F.) vorgeschriebenen Weges befugt, die Mängel auf Kosten des Auftragnehmers durch einen Drittunternehmer beseitigen zu lassen.
Mit anderen Worten: Ohne erfolglose Setzung einer angemessenen Frist zur Mangelbeseitigung und Androhung der Auftragsentziehung kann er die ihm aus der Beauftragung eines Drittunternehmers entstanden Mangelbeseitigungskosten regelmäßig nicht vom Auftragnehmer ersetzt verlangen. Etwas anderes könne nach den Ausführungen des OLG Jena nur dann gelten, wenn der Auftragnehmer die vertragsgemäße Fertigstellung endgültig verweigere. Denn hierdurch verliere er sein Recht, die Herstellung selbst vorzunehmen. In einem solchen Fall sei die Fristsetzung zur Mängelbeseitigung unter Kündigungsandrohung entbehrlich (so etwa auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2010, AZ 21 U 150/09).
Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht eingehalten worden. Denn zum einen habe der Kläger dem Auftragnehmer keine erfolglose Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt und zum anderen habe er bereits vor der Kündigung erste Mangelbeseitigungsarbeiten an Drittunternehmen beauftragt.
Das OLG Jena führt weiter aus, dass die unwirksame Kündigung nach §“ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B (a.F.) vorliegend in eine freie Kündigung gemäß § 8 Nr. 1 VOB/B (a.F.) umzudeuten sei. Zwar können eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich nicht automatisch als freie Kündigung gewertet werden, sondern nur dann, wenn nach der Sachlage anzunehmen sei, dass eine außerordentliche Kündigung dem Willen des Erklärenden entspreche und dieser in seiner Erklärung gegenüber deren Empfänger zum Ausdruck gekommen sei. Das sei vorliegend aber der Fall: Der Kläger habe bereits vor der Kündigungserklärung Drittunternehmen mit der Mangelbeseitigung beauftragt. Hieraus und aus der Kündigungserklärung selbst werde deutlich, dass er den Vertrag auch dann beenden wolle, wenn der geltend gemachte außerordentliche Kündigungsgrund nicht vorliege.
Der BGH hat dieses Ergebnis mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde bestätigt.
Praxishinweis:
Das vorgenannte Urteil des OLG Jena zeigt nicht nur Fehlerquellen bei der Kündigung von VOB/B-Verträgen auf, sondern macht darüber hinaus deutlich, welche Tragweite Fehler in diesem Bereich haben können.
Mit der Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine freie Kündigung fällt nicht nur der Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz der Mangelbeseitigungskosten weg, er muss dem Auftragnehmer zudem anstatt der Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen bezahlen.
Für die tägliche Baupraxis bedeutet das: Vor Erklärung einer vermeintlich außerordentlichen Kündigung ist eine (anwaltliche) Prüfung des Vorliegens der entsprechenden Voraussetzungen unabdingbar!