Genossenschaft gründen: Was Sie dabei beachten sollten
Gasthaus, Dorfladen oder Erzeugergemeinschaften – Genossenschaften haben Konjunktur. Aber für wen eignet sich diese Unternehmensform überhaupt? Und was müssen Unternehmer bei der Gründung einer Genossenschaft beachten?
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts taten sich Menschen zusammen, die ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel erreichen wollten: Sie gründeten eine Genossenschaft. Zunächst waren es die Kreditgenossenschaften – Friedrich Wilhelm Raiffeisen gründete 1847 den ersten Vorläufer einer Genossenschaft –, später folgten Konsum- und Wohnungsbaugenossenschaften. Nicht wenige dieser Zusammenschlüsse gibt es noch heute. Und das Interesse an der Unternehmensform ist nach wie vor groß. Auch in der Landwirtschaft sind Genossenschaften kaum wegzudenken. Kleine und mittlere Betriebe können so teure Maschinen zusammen anschaffen und nutzen. Und auch der gemeinsame Verkauf im Dorfladen ist so wirtschaftlicher, effizienter oder auch qualitativ besser zu organisieren.
Ein Klassiker für nachhaltiges Wirtschaften
Ob Bankgeschäft, Wohnungsbau oder Landwirtschaft: Genossenschaften haben Tradition. Aber auch in anderen Branchen boomen die genossenschaftlichen Gründungen. In Deutschland waren es 2018 allein rund 400 solcher Kooperativen, die neu entstanden. Insgesamt sind mittlerweile in Deutschland über 7.000 Genossenschaften mit mehr als 22 Millionen Mitgliedern aktiv. „Die Genossenschaft ist zu Recht ein Klassiker“, sagt Thomas Rösler, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Ecovis in Oederan und Chemnitz. „Denn mit ihrem Fokus auf gemeinschaftliches und zweckgebundenes Handeln sorgt sie für nachhaltiges Wirtschaften im Interesse ihrer Mitglieder.“
Sind Genossenschaften also für jeden geeignet?
„Grundsätzlich gibt es keine Beschränkungen auf die Branche“, sagt Rösler. „Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass eine genossenschaftliche Unternehmensform ganz klar anders zu führen ist als beispielsweise ein renditegetriebenes Unternehmen.“
Denn der Grundgedanke jeder Genossenschaft ist: Gemeinsam lassen sich Ziele besser erreichen als im Alleingang. Die Genossenschaft ist daher zweckgebunden, alle Entscheidungen sind im Sinne dieses Zwecks zu treffen. „Es ist also ähnlich einem Verein“, erklärt Marianne Schulz, Rechtsanwältin bei Ecovis in Leipzig. „Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Genossenschaft einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, um ihre Ziele zu erreichen.“
Mitglieder einer Genossenschaft sind also immer zugleich Eigentümer, Kunden oder Lieferanten. Dieses Identitätsprinzip ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal der Genossenschaft, verglichen mit anderen Formen der kooperativen Zusammenarbeit. Die Kooperation für einen gemeinsamen Zweck bedeutet im Übrigen nicht, dass Genossenschaften keine Gewinne erwirtschaften. „Ganz im Gegenteil: Um im Wettbewerb zu bestehen und die eigenen Mitglieder langfristig fördern zu können, muss sich die Genossenschaft marktkonform und betriebswirtschaftlich effizient verhalten“, sagt Rechtsanwältin Schulz.
Was muss ich bei der Gründung beachten?
Wer von der Unternehmensform überzeugt ist, sollte bei der Gründung ein paar wichtige Regeln beachten. Zuerst heißt es: Mitstreiter finden. Denn für die Gründung müssen mindestens drei Mitglieder zusammenkommen. Eines davon muss mit der Gründung die Aufgaben des Vorstands übernehmen. Bei Genossenschaften über 20 Mitglieder werden zwei Vorstandsmitglieder benötigt, außerdem weitere drei Mitglieder als Aufsichtsräte. Soll die Mitgliederzahl oder ein bestimmter Mitgliederkreis begrenzt bleiben, ist das in der Satzung festzuhalten. Überhaupt ist die Satzung für die Gründung das wichtigste Schriftstück. Sie muss bestimmte formale Kriterien erfüllen, beispielsweise Sitz der Genossenschaft oder Nachschusspflicht im Fall einer Insolvenz. Vor allem aber muss sie den genauen Zweck angeben, den die Genossenschaft für ihre Mitglieder erfüllen soll. Wird eine Satzung aufgesetzt, ist es wichtig, sich gut beraten zu lassen.
Die Rolle des genossenschaftlichen Prüfungsverbands
Der Prüfungsverband – oder Prüfverband – ist meist ein eingetragener Verein. Ihm gehören die Genossenschaften als Mitglied an. Der Verband, etwa der ECOVIS Genossenschaftsprüfverband e. V., führt die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung durch. Steuerberater Rösler erklärt: „Wir können Gründer mit viel Fachwissen und jeder Menge Erfahrung unterstützen.“
Die Beratung ist auch deshalb wichtig, weil zur Eintragung beim Registergericht der Genossenschaft ein Prüfgutachten für die Satzung und für den Business-Plan vorliegen muss – ausgestellt von einem Prüfverband. Über die Pflichtmitgliedschaft und jährliche Prüfung des Jahresabschlusses hinaus begleitet der Prüfverband die Genossenschaft ab Gründung auch in allen weiteren betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Fragen. Die regelmäßige Prüfung schützt zudem Geschäftspartner und Mitglieder vor finanziellem Schaden. „Kein Wunder also, dass Genossenschaften auch zu den insolvenzsichersten Rechtsformen gehören“, sagt Ecovis-Rechtsanwältin Marianne Schulz.
Genossenschafts-Lexikon: Was Sie über die Gesellschaftsform wissen sollten
- Genossenschaft: Kooperative Unternehmensform mit gemeinschaftlichem Geschäftsbetrieb.
- Mitglieder: Sie sind zugleich Eigentümer und Kunden ihrer Genossenschaft und treffen gemeinsam alle grundsätzlichen Entscheidungen.
- Generalversammlung: Hier werden alle grundsätzlichen Entscheidungen getroffen. Jedes Mitglied hat nur eine Stimme – unabhängig von der Kapitalbeteiligung.
- Förderzweck: Er ist in der Satzung festgeschrieben. Diesem Ziel sind die Mitglieder mittels ihres gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs verpflichtet.
- Satzung: Sie ist die innere Verfassung der Genossenschaft und bestimmt ihre Struktur, Kompetenzen und Ziele.
- Vorstand: Er besteht bei Genossenschaften mit mehr als 20 Mitgliedern aus zwei Mitgliedern. Sie agieren als Geschäftsführer der Genossenschaft.
- Aufsichtsrat: Er kontrolliert den Vorstand und besteht aus mindestens drei Genossenschaftsmitgliedern.
- Prüfungsverband: Er prüft jedes Jahr den Jahresabschluss und berät seine Mitgliedsgenossenschaften in betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Fragen. Die einzelnen Genossenschaften sind jeweils Mitglied im Prüfungsverband.
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