Hinweisgeberschutzgesetz: Wie Unternehmen Hinweisgeber künftig schützen müssen
Das Bundesjustizministerium hat Ende März 2022 einen Referentenentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) vorgestellt. Unternehmen müssen demnach künftig interne Meldestellen einrichten, damit Hinweisgeber Missstände melden können. Mit dem Gesetz setzt die Regierung endlich die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern in nationales Recht um. Was auf Unternehmen zukommt, wissen die Ecovis-Rechtsanwälte Axel Keller in Rostock und Alexander Littich in Landshut.
Worum es im Gesetzentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz geht
Die Bundesregierung muss die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern in nationales Recht umsetzen. Ende März 2022 hat sie einen neuen Referentenentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz vorgestellt; offiziell veröffentlicht wurde er am 13. April 2022. Mit dem Gesetzentwurf will die Ampelkoalition einen verbesserten Hinweisgeberschutz mit den Interessen von Unternehmen in Einklang bringen. „Aus Sicht des Gesetzgebers sollen bürokratische Belastungen für die Unternehmen handhabbar bleiben“, sagt Rechtsanwalt Alexander Littich.
Welche Pflichten der Gesetzentwurf konkret enthält
- Die neuen gesetzlichen Regelungen verlangen von Unternehmen sowie auch von Bund und Ländern, dass sie interne Meldestellen in ihren jeweiligen Betrieben, Behörden und Verwaltungsstellen einrichten.
- Zusätzlich soll es auf Bundesebene externe Meldestellen geben, an die sich Hinweisgeber ebenfalls wenden können.
- Unternehmen mit mehr als 249 Beschäftigten müssen ab Inkrafttreten des Gesetzes eine Hinweisgeberstelle anbieten. „Mit der Umsetzung des Gesetzentwurfs rechnen wir zeitnah“, so Littich.
- Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten müssen ab Ende 2023 eine Hinweisgeberstelle einrichten.
- Der Gesetzentwurf sieht eine Ausweitung auf Hinweise zu Strafrechtsverstößen und Ordnungswidrigkeiten nach nationalem Recht vor. Dies war auch schon im Gesetzentwurf aus dem Jahr 2021 enthalten.
Dass der Referentenentwurf ausdrücklich keine Pflicht zur Nachverfolgung anonym abgegebener Meldungen vorsieht, überrascht Axel Keller. Denn Untersuchungen zufolge wollen zwischen 60 und 70 Prozent aller Hinweisgeber anonym bleiben. „Kommt das Gesetz wie geplant und müssen Unternehmen anonyme Meldungen nicht nachverfolgen, dann verpufft aus unserer Sicht seine Wirkung“, sagt Rechtsanwalt Axel Keller.
Was Unternehmen die Einrichtung einer Meldestelle in etwa kostet
Die Kosten für die Einrichtung einer internen Meldestelle belaufen sich laut einer Schätzung gemäß dem Referentenentwurf
- für Betriebe mit bis zu 249 Beschäftigten auf etwa 12.500 Euro je Meldestelle,
- für Betriebe mit 250 Beschäftigten und mehr: 25.000 Euro je Meldestelle.
- Die jährlichen Unterhaltungskosten der Meldestelle schlagen mit etwa 5.772 Euro je interner Meldestelle zu Buche.
„Das ist eine hohe Belastung, die da auf betroffene Unternehmen zukommen kann, soweit man keine günstigere Lösung findet“, weiß Keller.
Was Unternehmen jetzt schon tun sollten
Aktuell ist nur sicher, dass die Regierung das Hinweisgeberschutzgesetz in deutsches Recht umsetzt. Fraglich ist, wann genau, in welchem Umfang und welche konkreten Pflichten damit für die Unternehmen verbunden sind. „Es ist daher wichtig, die Gesetzgebung im Auge zu behalten“, rät Axel Keller.
„Unternehmerinnen und Unternehmer sollten bereits jetzt prüfen, welche im Gesetzentwurf vorgesehenen Meldewege sie in ihrem Unternehmen umsetzen können oder ob noch weiterer Handlungsbedarf besteht, um alle Voraussetzungen der Richtlinie oder des Hinweisgeberschutzgesetzes zu erfüllen“, rät Alexander Littich.
Tipp für Unternehmen
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Zum Hintergrund
Bis zum 17. Dezember 2021 mussten die EU-Mitgliedstaaten die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern in nationales Recht umsetzen. Neben Deutschland haben auch andere EU-Mitgliedstaaten, wie beispielsweise Österreich, die Richtlinie nicht rechtzeitig umgesetzt. Die EU hat gegen diese Mitgliedstaaten zwischenzeitlich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Mitgliedsstaaten sind folglich im Zugzwang.
Im April 2021 wurde das Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage aufgrund von Corona nicht umgesetzt. Die Große Koalition konnte sich auf den damals vorgestellten Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, nicht einigen.
Wesentliche Streitpunkte waren: Der Gesetzentwurf wollte auch Hinweise zu Strafrechtsverstößen und Ordnungswidrigkeiten nach nationalem Recht in den Anwendungsbereich des Gesetzes miteinbeziehen. Den durch die Corona-Situation wirtschaftlich schon belasteten Unternehmen wollte der Gesetzgeber in dieser Situation die Einrichtung und den Unterhalt von internen Meldestellen nicht zumuten.