Inkongruente Gewinnausschüttungen: Fälle der steuerlichen Anerkennung erweitert
Bislang waren einige Modelle der inkongruenten Gewinnausschüttungen an Gesellschafter, also eine nur kurzzeitig geltende oder oft geänderte Gewinnverteilung, steuerlich nicht begünstigt. Jetzt hat das BMF in einem Schreiben geklärt, welche zusätzlichen Fälle künftig von der steuerlichen Anerkennung profitieren. Die Details erklärt Ecovis-Steuerberaterin Christine Hübner.
Gesellschafter bekommen oftmals den erwirtschafteten Jahresüberschuss einer Gesellschaft ausgezahlt. Die Gewinnverteilung an die Anteilseigner erfolgt dabei grundsätzlich entsprechend dem Verhältnis ihrer nominellen Beteiligung an der Gesellschaft. Davon abweichende, also inkongruente Gewinnausschüttungen, sind handelsrechtlich nur zulässig, wenn das in der Satzung der Kapitalgesellschaft festgelegt ist. Steuerlich gilt eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende inkongruente Gewinnausschüttung als anerkannt, wenn sie zivilrechtlich wirksam ist. Das bedeutet, dass die Gewinnausschüttung steuerlich dem Gesellschafter zugeordnet wird, dem sie zufließt und nicht demjenigen, der sie den Beteiligungsverhältnissen entsprechend bekommen sollte.
Bisher hielt die Finanzverwaltung eine nur kurzzeitig geltende oder oft geänderte Gewinnverteilung für unangemessen (Schreiben des Bundesfinanzministeriums, BMF, vom 17. Dezember 2013). In seiner Entscheidung vom 28. September 2022 widersprach der Bundesfinanzhof (BFH) der bis dahin geltenden Finanzverwaltungsauffassung (VIII R 20/20).
Jetzt hat die Finanzverwaltung auf die Rechtsprechung des BFH von 2022 reagiert und erfasst weitere Fälle, bei denen sich von den Gesellschafterverhältnissen abweichende Gewinnverteilungen steuerlich anerkennen lassen (BMF-Schreiben vom 4. September 2024). Das aktuelle BMF-Schreiben vom 4. September 2024 ersetzt das bisherige BMF-Schreiben 2013. Die Finanzverwaltung muss die neuen Regeln ab sofort in allen noch offenen Fällen anwenden.
Welche Regeln jetzt gelten
1. Inkongruente Gewinnausschüttungen bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH)
a) Abweichende Regelung der Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag: Soweit im Gesellschaftsvertrag ein anderer Maßstab als die Geschäftsanteile für die Gewinnverteilung festgelegt wurde, ist die inkongruente Gewinnausschüttung auch steuerlich anzuerkennen.
b) Öffnungsklausel für abweichende Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag: Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Klausel, nach der die Gesellschafter eine abweichende Gewinnverteilung beschließen können, wenn auch alle nachteilig betroffenen Gesellschafter zustimmen, ist sie ebenfalls steuerlich anzuerkennen.
c) Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss: Diese Form des Beschlusses über eine inkongruente Vorabausschüttung ist zivilrechtlich wirksam, wenn er von der Gesellschafterversammlung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst wurde und kein Gesellschafter diesen Beschluss anfechten kann. Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss ist ein einmaliger Beschluss, der die Satzung in Zukunft nicht ändern soll und einen Einzelakt darstellt.
Wenn allerdings ein Beschluss die Satzung mit Dauerwirkung (auch wenn es sich nur um einen kurzen Zeitraum handelt) ändern soll und bei dessen Änderung nicht alle materiellen und formellen Anforderungen an eine Satzungsänderung erfüllt sind, ist der Beschluss ungültig und steuerlich nicht anzuerkennen.
d) Gespaltene Gewinnverwendung, zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung: Ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss ist steuerlich anzuerkennen, wenn der Mehrheitsgesellschafter den ihm zustehenden Anteil am Gewinn nicht ausschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage einstellt. Dies gilt auch, wenn die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern parallel ausgeschüttet werden. Auch bei einem beherrschenden Gesellschafter führt die Einstellung in die Gewinnrücklage nicht zu einem Zufluss von Kapitalerträgen.
2. Inkongruente Gewinnausschüttungen bei Aktiengesellschaften (AG)
Bei Aktiengesellschaften sind inkongruente Gewinnausschüttungen nur zulässig, wenn in der Satzung ein abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem entspricht. Öffnungsklauseln oder satzungsdurchbrechende Beschlüsse wie bei der GmbH beschrieben, lassen sich steuerlich nicht anerkennen.
„Die im aktuellen BMF-Schreiben festgelegte Öffnung für inkongruente Gewinnausschüttungen ist begrüßenswert. Sie schafft Unternehmen mehr Gestaltungsmöglichkeiten“, sagt Name Hübner.