
Forderungsmanagement: So schützen Sie Ihr Unternehmen vor säumigen Zahlern
In Deutschland warten Unternehmen derzeit im Schnitt 8,4 Tage über die Fälligkeit hinaus auf ihre Zahlungen. Das bedeutet, dass Rechnungen durchschnittlich erst nach knapp 40 Tagen beglichen werden. Besonders betroffen sind Branchen wie Chemie/Kunststoffe, Metall/Elektro und der Handel. Doch wie können Unternehmen mit diesen Herausforderungen umgehen und ihr Forderungsmanagement optimieren? Andreas Steinberger weiß mehr.
Zahlungsmoral auf Tiefstand
Die Gründe für die sich verschlechternde Zahlungsmoral sind vielschichtig. Die gesamtwirtschaftliche Rezession, steigende Energiekosten und anhaltende geopolitische Spannungen setzen viele Unternehmen unter Druck. Doch während Großunternehmen solche Phasen durch ihre Finanzreserven meist gut überbrücken können, trifft es den Mittelstand besonders hart.
„Besonders problematisch ist dabei die entstehende Kettenreaktion: Wenn Großkunden ihre Zahlungsziele ausreizen oder überziehen, geraten mittelständische Zulieferer in Bedrängnis. Diese wiederum können dann ihre eigenen Verbindlichkeiten nicht mehr pünktlich bedienen. Ein Teufelskreis, der die gesamte Wirtschaft belastet,“ sagt Andreas Steinberger, Unternehmensberater bei Ecovis in Dingolfing.
Anhaltende Zahlungsausfälle können schließlich zu Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz führen. Im Jahr 2024 stiegen die Insolvenzen in Deutschland um rund 25 % und erreichten den höchsten Stand seit 2015. Wie Sie eine drohende Insolvenz erkennen, erfahren Sie hier: Insolvenz erkennen und vermeiden (ecovis.com)
Mehrkosten infolge verspäteter Zahlung
Was oft übersehen wird: Zahlungsverzüge sind nicht nur ein Ärgernis, sondern verursachen erhebliche Kosten. Neben dem offensichtlichen Liquiditätsengpass entstehen Aufwände für Mahnwesen, Rechtsverfolgung und gegebenenfalls teure Zwischenfinanzierungen.
Neue Wege im Forderungsmanagement
Die gute Nachricht: Es gibt erprobte Strategien, um der sich verschlechternden Zahlungsmoral zu begegnen. Moderne Technologien und innovative Finanzierungsinstrumente eröffnen auch kleineren Unternehmen Möglichkeiten, die früher nur Großkonzernen zur Verfügung standen.
Die Digitalisierung des Forderungsmanagements ist dabei keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. Unternehmen, die noch mit manuell gepflegten Excel-Tabellen und einzeln geschriebenen Mahnungen arbeiten, verschenken wertvolle Ressourcen. Mehr dazu lesen Sie hier: Automatische Prozesse im Rechnungswesen (ecovis.com)
Besonders interessant ist der Trend zum präventiven Forderungsmanagement. Statt erst bei Zahlungsverzug aktiv zu werden, setzen viele Unternehmen heute auf ein proaktives System: Von der sorgfältigen Bonitätsprüfung über individualisierte Zahlungskonditionen bis hin zu automatisierten Frühwarnsystemen.
Die psychologische Komponente
Ein oft unterschätzter Aspekt ist die psychologische Barriere vieler Unternehmer, säumige Kunden konsequent zu mahnen. Der weitverbreitete Glaube, dass man „gute“ Kunden nicht mahnen sollte, erweist sich dabei als kontraproduktiv. Klare Regeln und deren konsequente Durchsetzung schaffen Sicherheit und signalisieren professionelles Handeln.
Praktische Lösungsansätze
Viele Mittelständler setzen zunehmend auf einen Mix verschiedener Strategien. Die Kombination aus verkürzten Zahlungszielen für Neukunden, attraktiven Skontokonditionen für schnelle Zahler, klaren Eskalationsstufen bei Verzug und — wo sinnvoll — dem Einsatz von Factoring oder Warenkreditversicherungen zeigt dabei die besten Ergebnisse.
Unternehmen, die ihre Zahlungsbedingungen aktiv managen und kommunizieren, erzielen durchweg bessere Resultate. Die Erfahrung zeigt, dass viele Kunden positiv auf klare, faire Regeln reagieren — vorausgesetzt, diese werden von Anfang an kommuniziert und konsequent umgesetzt.
Factoring als Option
Zunehmend gewinnt auch Factoring als Finanzierungsinstrument an Bedeutung. Dabei verkauft ein Unternehmen seine Forderungen an einen spezialisierten Dienstleister und erhält im Gegenzug sofort Liquidität. Neben der sofortigen Verfügbarkeit der Mittel profitieren Unternehmen von der Auslagerung des Forderungsmanagements und der Übernahme des Ausfallrisikos durch den sogenannten Factor. Auch die Bilanzstruktur verbessert sich, da Forderungen in liquide Mittel umgewandelt werden.
Die Kosten für Factoring, die je nach Anbieter und Vertragsbedingungen meist zwischen 0,5 % und 3 % des Forderungsvolumens liegen, sollten dabei gegen die Vorteile der gesicherten Liquidität und den reduzierten Verwaltungsaufwand abgewogen werden. Besonders für Unternehmen mit hohem Forderungsvolumen und längeren Zahlungszielen kann Factoring eine sinnvolle Option darstellen, um die eigene Liquidität zu sichern und das Risiko von Forderungsausfällen zu minimieren. Mehr dazu lesen Sie hier: Factoring als Finanzierungsoption (ecovis.com)
Ausblick
Die schlechte Zahlungsmoral wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Umso wichtiger ist es für mittelständische Unternehmen, jetzt die richtigen Weichen zu stellen. Ein professionalisiertes Forderungsmanagement wird zunehmend zum Wettbewerbsvorteil, denn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist eine gesunde Liquidität oft der entscheidende Faktor für den Unternehmenserfolg.
„Der wichtigste Rat an alle Mittelständler: Fangen Sie an, bevor es brennt. Ein professionelles Forderungsmanagement aufzubauen braucht Zeit — Zeit, die man in der Krise meist nicht mehr hat,“ rät Steinberger.