
Differenzbesteuerung bei Upcycling: Der „Waschtisch-Fall“
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die Lieferung eines aufgewerteten Gegenstands nicht der Differenzbesteuerung unterliegt, wenn der Gegenstand teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt hat. Das komplexe Urteil erklärt Ecovis-Steuerberater Thorsten Blümel in Aschaffenburg.
Der verhandelte Sachverhalt
Der Bundesfinanzhof (BFH) musste darüber entscheiden, ob ein gebrauchter Waschtisch, der restauriert und um einen Aufsatz und gegebenenfalls weiterem Zubehör ergänzt wurde, weiterhin der Differenzbesteuerung unterliegt.
Im vorliegenden Fall rechnete die Klägerin über separate Rechnungen ab. Sie erstellte zum einen eine Rechnung über die restaurierte Kommode, wofür sie die Differenzbesteuerung anwendete. Zum anderen rechnete sie den Auf- beziehungsweise Umbau mit dem ausgewählten Waschtisch mit der Regelbesteuerung ab. Beide Rechnungen hat sie am selben Tag erstellt.
Im Rahmen einer Außenprüfung nahm das Finanzamt an, dass die Anwendung der Differenzbesteuerung unzulässig sei. Bei dem Endprodukt handele es sich aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers um eine einheitliche Leistung, die sich nicht „künstlich“ in zwei getrennte Leistungen aufteilen lasse.
Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein gab der Klägerin erstinstanzlich recht: Trotz der Ergänzung neuer Teile blieb nach Ansicht des Gerichts der ursprüngliche Gegenstand – die Kommode – das prägende Element und sei deshalb differenzbesteuerungsfähig (Urteil vom 29. März 2023, 4 K 77/22).
Die Entscheidung des BFH
Der BFH hat die Vorentscheidung des FG Schleswig-Holstein aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen zur Anwendung der Differenzbesteuerung erfüllt sind.
Eine künstliche Aufteilung der Leistung ist nicht zulässig. Der BFH begründet dies damit, dass der Endgegenstand aus der Perspektive des Durchschnittsverbrauchers als einheitliche Leistung zu werten ist (Urteil vom 11. Dezember 2024, XI R 9/23).
Der Fall ließ sich nicht abschließend entscheiden, da nicht klar war, ob
- nur ein bearbeiteter Gegenstand (fertiger Waschtisch) geliefert wurde oder
- mehrere Gegenstände (Kommode, Waschbecken, Zubehör) geliefert wurden, die anschließend zusammengebaut wurden.
Der rechtliche Hintergrund
Die Differenzbesteuerung ist eine besondere Regelung für Wiederverkäufer von gebrauchten Gegenständen, Antiquitäten oder Sammlerstücken. Die Umsatzsteuer müssen sie nur auf die Differenz zwischen dem Einkaufs- und Verkaufspreis berechnen.
Wenn der Gegenstand durch Restaurierung oder Austausch von Teilen so verändert wird, dass er faktisch ein Neuprodukt wird, entfällt die Differenzbesteuerung und der gesamte Verkaufspreis ist umsatzsteuerpflichtig.
BFH verfolgt jetzt eine andere Strategie
War früher die Nähe zum Gebrauchtgegenstand der entscheidende Maßstab, ob Steuerpflichtige die Differenzbesteuerung anwenden durften, kommt es heute auch darauf an, ob und in welchem Umfang der Vorsteuerabzug für wesentliche Elemente möglich ist.
Bei kombinierten Leistungen, die sowohl gebrauchte als auch neue, vorsteuerabzugsberechtigte Elemente umfassen, ist eine differenzierte steuerliche Behandlung nicht möglich. Im vorliegenden Fall sah der BFH die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung als nicht erfüllt an, da die verbauten Waschbecken zum Vorsteuerabzug berechtigten.
Praxishinweis
„Im Einzelfall kommt es auf die vertragliche Gestaltung an. Der BFH lässt bei seinem Urteil durchaus erkennen, dasss die zivilrechtliche Vertragslage für die Beurteilung entscheidend ist. Das bringt zumindest Gestaltungspotenzial für die Zukunft mit sich. Betroffene sollten das bereits im Vorfeld klären lassen“, sagt Blümel.