Koalitionsvertrag aus Arbeitgebersicht: Was sich ändern kann und was sich konkret ändert
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Koalitionsvertrag aus Arbeitgebersicht: Was sich ändern kann und was sich konkret ändert

CDU, CSU und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode verständigt. Viele Vorhaben stehen allerdings noch unter einem Finanzierungsvorbehalt. Doch welche Änderungen für Arbeitgeber konkret geplant sind, weiß Gunnar Roloff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Ecovis in Rostock.

Arbeits- und Fachkräftesicherung

Zunächst ist als Absichtserklärung zu verstehen, dass die kommende Bundesregierung ein jährliches Familienbudget für Alltagshelfer für Familien mit kleinen Kindern und/oder pflegebedürftigen Angehörigen mit kleinen und mittleren Einkommen prüfen will. Mit diesem Familienbudget will die Regierung die Betroffenen entlasten. Zugleich wird so auch die Beschäftigungsquote bei haushaltsnahen Dienstleistungen gefördert.

Um die erforderliche qualifizierte Einwanderung zu ermöglichen, wird unter Mitwirkung der Bundesagentur für Arbeit eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung („Work-and-stay-Agentur“) geschaffen. Sie soll ausländischen Fachkräften als Ansprechpartnerin dienen. Geplant ist, alle Prozesse der Erwerbsmigration und der Anerkennung von Berufs- und Studienabschlüssen zu bündeln und zu beschleunigen. Damit können Arbeitgeber schneller dringend benötigtes Personal finden und einstellen.

Arbeitsschutz

Die künftige Bundesregierung will sich für höhere europäische Arbeitsschutzstandards für Berufskraftfahrer einsetzen. Zudem will sie die Arbeitsbedingungen in der Kurier-, Express- und Paketdienstbranche verbessern. Für die Paketzustellung soll eine Nachunternehmerhaftung eingeführt werden. Das bedeutet, dass Generalunternehmen dann nicht mehr auf beauftragte Subunternehmen verweisen können, wenn diese die vorgesehenen Vergütungen an die Mitarbeitenden nicht zahlen. Sie haften dann, neben den Nachunternehmen, für die Bezahlung.

Mindestlohn und Stärkung der Tarifautonomie

Widersprüchlich sind die Formulierungen der Koalitionspartner hinsichtlich des Mindestlohns. Einerseits betonen sie, an einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission festzuhalten. Andererseits wird auch dieser Mindestlohnkommission erklärt, dass die künftige Regierung einen Mindestlohn von 15 Euro im Kalenderjahr 2026 für erreichbar hält, weil er sich im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren werde.

Die neue Bundesregierung verfolgt das Ziel einer höheren Tarifbindung. Sie will deshalb ein Tariftreuegesetz einführen. Es soll für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 Euro und für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro gelten. So werden die Arbeitgeber geschützt, die ihren Mitarbeitern zumindest tariflichen Vergütungen zahlen, weil Vergaben an Konkurrenten mit Dumpinglöhnen ausgeschlossen werden.

Die Koalitionspartner wollen – im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie – die Möglichkeit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit anstelle einer täglichen schaffen. Dieses Vorhaben ist allerdings noch ziemlich unkonkret. Es soll diesbezüglich ein Dialog mit den Sozialpartnern durchgeführt werden. Für Unternehmen kann das bedeuten, dass sie temporäre Arbeitsspitzen unbürokratisch abfangen können. Der Wechsel zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit ermöglicht den Arbeitsvertragsparteien eine höhere Flexibilität bei der Verteilung der Arbeit. So wäre es auch möglich, die Anzahl der Arbeitstage zu reduzieren.

Weiter beabsichtigt die neue Regierung eine unbürokratische Regelung hinsichtlich der Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten. Dabei will sie Übergangsregelungen für kleine und mittlere Unternehmen schaffen. Die Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung soll möglich bleiben.

Der Ausnahmekatalog für Sonntags- und Feiertagsbeschäftigung nach Paragraph 10 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wird künftig um das Bäckereihandwerk erweitert. Angestellte Bäcker können deshalb künftig auch an Sonntagen zur Arbeit verpflichtet werden.

Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte oder an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgeht, sollen steuerfrei gestellt werden. Zur Konkretisierung soll eine Abstimmung mit den Sozialpartnern erfolgen. Darüber hinaus will die Koalition Prämien steuerlich begünstigen, die Arbeitgeber zur Ausweitung der Arbeitszeit zahlen. Sie will damit einen Anreiz zur Erhöhung der Arbeitszeit schaffen.

Die neue Bundesregierung beabsichtigt, die Mitbestimmung weiterzuentwickeln. So sollen Online-Betriebsratssitzungen, Online-Betriebsversammlungen und Online-Wahlen im Betriebsverfassungsgesetz ermöglicht werden. Darüber hinaus will sie das Zugangsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe um einen digitalen Zugang erweitern. Den Gewerkschaften wird es künftig auch durch Internet, Intranet und beispielsweise E-Mails möglich sein, Mitglieder und Nichtmitglieder über die Arbeit der Gewerkschaft zu informieren und für eine Mitgliedschaft zu werben. Die Mitgliedschaft in Gewerkschaften soll zusätzlich durch steuerliche Anreize für Mitglieder attraktiver werden.

Betriebliche Altersversorgung

Die Koalitionspartner beabsichtigen, die betriebliche Altersversorgung zu stärken und deren Verbreitung besonders in kleinen und mittleren Unternehmen und bei Geringverdienern weiter zu erhöhen. Dabei soll die Geringverdienerförderung verbessert werden. Die betriebliche Altersvorsorgeansicht soll digitalisiert, vereinfacht, transparenter gemacht und entbürokratisiert werden.

Die zukünftige Regierung beabsichtigt, auch eine „Aktivrente“ einzuführen. Dabei sollen Personen, die über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten, ein Gehalt von bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei erzielen können. Zudem soll die Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze erleichtert werden, eine befristete Weiterbeschäftigung soll möglich sein.

Ansprechpartner

Dr. Gunnar Roloff
Dr. Gunnar Roloff
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Rostock
Tel.: +49 381 12 88 49 0

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