
Scheinselbstständigkeit auf der Baustelle: Bauarbeiter sind abhängig beschäftigt
In drei Urteilen hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) kürzlich die abhängige Beschäftigung von angeblich selbstständigen Werkunternehmern auf Baustellen festgestellt. Die Baufirmen müssen nun Sozialversicherungsbeiträge in teils fünfstelliger Höhe nachzahlen.
Warum die Bauarbeiter abhängig beschäftigt waren
In den Urteilen des Hessischen LSG hatten Baufirmen mehrere scheinbar selbstständige Bauarbeiter engagiert. Die Bauarbeiter führten unter anderem einfache Abbruch-, Maurer- und Pflasterarbeiten aus. Das für die Arbeiten erforderliche Material und die Werkzeuge stellte der Auftraggeber zur Verfügung. Die Abrechnungen erfolgten auf Stundenbasis mit einem Stundenlohn zwischen zehn und fünfzehn Euro. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht.
Laut Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung und des LSG waren die Bauarbeiter in allen Fällen abhängig beschäftigt. Die Bauarbeiter führten einfache, typische Arbeitnehmerverrichtungen aus und waren in den Betrieb der Baufirma eingegliedert und weisungsgebunden. Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung ließen sich nicht feststellen. Die Bauarbeiter hatten keinerlei eigenes unternehmerisches Auftreten.
Zwar hatten die Baufirmen mit den Bauarbeitern Vereinbarungen über die angeblich selbstständige Tätigkeit getroffen. Diese sind jedoch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung irrelevant. Auf die Baufirmen kommen nun erhebliche Nachforderungen an Sozialversicherungsbeiträgen zu.
Welche Folgen Scheinselbstständigkeit hat
Die aktuellen Urteile verdeutlichen, welche gravierenden Folgen eine falsche Beurteilung haben kann (Urteile vom 20. Februar 2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21). „Sie sollten daher unbedingt vor Beginn des Auftragsverhältnisses den sozialversicherungsrechtlichen Status klären. Oft ist vorab nicht klar, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt“, erklärt Ecovis-Rentenberaterin Tanja Eigner in Bad Kohlgrub. Die Prüfung und rechtssichere Feststellung erfolgen durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung. Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer können sie beantragen.
Kriterien zur Abgrenzung: Abhängige Beschäftigung oder Selbstständigkeit
Es gibt einige Indizien, die auf eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit schließen lassen. „Am Ende kommt es aber immer auf das Gesamtbild der Tätigkeit und das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren an“, weiß Tanja Eigner.
Abhängige Beschäftigung | Selbstständige Tätigkeit |
Weisungsgebundenheit | Unternehmerische Entscheidungsfreiheit |
Eingliederung in den Betrieb | Unternehmerisches Risiko |
Fremdbestimmtes Handeln in der Ausführung der Tätigkeit | Betreiben von Eigenwerbung |
Keine eigene Betriebsstätte (zum Beispiel Büro oder Werkstatt) | Eigene Betriebsstätte |
Keine Gestaltungsfreiheit | Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung |
Kein Unternehmerrisiko | Eigenständige Entscheidung über Honorar, Vergütung, Einstellung von Personal, Einsatz von Kapital, Maschinen, Betriebsmitteln |
Vereinbarungen zu Urlaubsanspruch oder Entgeltfortzahlung |