
Wie lässt sich der Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines Dienstwagens erschüttern?
Unter welchen Umständen lässt sich der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung eines betrieblich genutzten Fahrzeugs entkräften? Laut Bundesfinanzhof (BFH) müssen dafür alle relevanten Umstände in die Bewertung einfließen – auch ein nicht ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch.
Der Fall: nicht lesbare Fahrtenbücher
Ein selbstständiger Prüfsachverständiger nutzte für seine Arbeit zwei Leasingfahrzeuge – einen BMW und einen Lamborghini. Für beide Fahrzeuge führte er handschriftlich ein Fahrtenbuch. Zudem besaß er einen Ferrari und einen Jeep im Privatvermögen.
Das Finanzamt kürzte innerhalb der Betriebsführung zunächst nur die Betriebsausgaben für den Lamborghini. Später beabsichtigte es, auch für den BMW Entnahmen für eine Privatnutzung anzusetzen. Die Begründung: Die Fahrtenbücher für beide Fahrzeuge seien nicht lesbar und daher nicht anerkennbar. Für die unterstellte Privatnutzung beabsichtigte das Finanzamt, für den Lamborghini und den BMW jeweils ein Prozent des Bruttolistenpreises inklusive der Kosten für Sonderausstattungen im Zeitpunkt der Erstzulassung als Entnahmen anzusetzen.
Da jedoch dieser Betrag in Bezug auf den Lamborghini für die betreffenden Jahre mehr als ein Drittel der tatsächlichen Aufwendungen ausmachte, kürzte das Finanzamt die tatsächlichen Kosten um zwei Drittel, um die Entnahme zu berechnen.
Annahme einer privaten Nutzung
Im Allgemeinen gilt, dass die private Nutzung eines Fahrzeugs, das ein Unternehmer mehr als 50 Prozent betrieblich nutzt, für jeden Kalendermonat mit einem Prozent des inländischen Listenpreises (zum Zeitpunkt der Erstzulassung) zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung und Umsatzsteuer anzusetzen ist. Diese Regelung gilt auch für Leasingfahrzeuge. Wer das Fahrzeug jedoch ausschließlich betrieblich nutzt, muss keine private Nutzung versteuern.
Nach allgemeiner Erfahrung geht die Finanzverwaltung davon aus, dass ein Unternehmer ein Fahrzeug, das theoretisch auch zu privaten Zwecken zur Verfügung steht, tatsächlich auch privat nutzt. Diese Annahme beruht auf dem Beweis des ersten Anscheins, der Anscheinsbeweisregel.
BFH: Nicht immer trifft die allgemeine Erfahrung zu
Der BFH entschied in diesem Fall jedoch, dass sich der Anscheinsbeweis für die private Nutzung des Fahrzeugs widerlegen lässt. Es reicht, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die allgemeine Erfahrung, dass sich betriebliche Fahrzeuge auch privat nutzen lassen, in seinem speziellen Fall nicht zutrifft. Dafür müsse er nicht zwingend das Gegenteil beweisen, sondern es reicht, dass die allgemeine Erfahrung auf den konkreten Sachverhalt nicht anwendbar ist (Urteil vom 22. Oktober 2024, VIII R 12/21).
Im vorliegenden Fall war es so, dass der Kläger im Privatvermögen Fahrzeuge besaß, die den betrieblichen Fahrzeugen in Status und Gebrauchswert sehr ähnlich waren. Als Vergleichskriterien nannte der BFH dabei unter anderem die Motorleistung, den Hubraum, die Höchstgeschwindigkeit, die Ausstattung, die Fahrleistung und das Prestige des Fahrzeugs. Deshalb gingen die Richter davon aus, dass er die betrieblichen Fahrzeuge nicht privat nutzte. Der BFH unterstrich, dass bei der Prüfung, ob der Beweis des ersten Anscheins erschüttert wird, ein Fahrtenbuch nicht von vornherein mit der Begründung außer Betracht gelassen werden könne, es handele sich um ein nicht ordnungsgemäßes Fahrtenbuch.
Darauf sollten Sie achten
Die unterstellte Privatnutzung von betrieblichen Fahrzeugen führt immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Unternehmern und dem Finanzamt. „Das Urteil ist erfreulich. Denn die Entscheidung des BFH verdeutlicht, dass der Anscheinsbeweis für die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs nicht immer unumstößlich ist“, sagt Daniela Ehlke, Steuerberaterin bei Ecovis in Nürnberg.
Der Steuerpflichtige kann die private Nutzung widerlegen, wenn er nachweisen kann, dass er ein dem betrieblichen Fahrzeug in Nutzung und Status vergleichbares Fahrzeug des Privatvermögens nutzt. Auch ein nicht ordnungsgemäßes Fahrtenbuch hilft bei der Argumentation. „Das Urteil zeigt die Feinheiten des Steuerrechts auf. Das Fahrtenbuch hätte zwar nicht ausgereicht, um eine Entnahme nach der Fahrtenbuchmethode ermitteln zu dürfen. Für die Erschütterung des Anscheinsbeweises allerdings war es durchaus in die Gesamtumstände einzubeziehen”, erklärt Ehlke. Steuerpflichtige sollten daher bei der Führung von Fahrtenbüchern und der Zuordnung von Fahrzeugnutzung alle relevanten Umstände sorgfältig dokumentieren, um mögliche Missverständnisse oder steuerliche Nachteile zu vermeiden.