
Ein-Prozent-Regel bei Pickup: Der „Anscheinsbeweis“ greift
Steht ein betrieblich genutztes Fahrzeug auch zur privaten Nutzung zur Verfügung, greift der Anscheinsbeweis. Dann ist die Ein-Prozent-Regel anzuwenden. Andernfalls muss der Steuerpflichtige aktiv beweisen, dass er das Fahrzeug nicht privat nutzt. Das hat der Bundesfinanzhof entschieden. Ecovis-Steuerberater Thorsten Blümel erklärt die Details.
Der Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute. Sie wurden in den Streitjahren 2015 und 2016 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielte unter anderem Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb – einem Gartenbaubetrieb. In seinem Betriebsvermögen hat er einen Ford Ranger (Pickup) mit einem Bruttolistenpreis von 44.458 Euro.
Der Kläger und seine Familie hatten uneingeschränkten Zugriff auf den Pickup, der ihnen – von den Arbeitszeiten im Betrieb abgesehen – zur Nutzung bereitstand. In seinem privaten Vermögen hielt der Kläger weiterhin insgesamt drei Kleinwagen, die in erster Linie seine Kinder nutzten, jedoch auch ihm nach Bedarf zur Verfügung standen. Der Kläger führte für den betrieblichen Pickup kein Fahrtenbuch und nahm auch keine Versteuerung der privaten Nutzung vor.
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Schluss, dass der Beweis des ersten Anscheins für eine private Mitbenutzung des Pickups spreche. Da kein Fahrtenbuch geführt wurde, hätte der Kläger die Privatnutzung mit der Ein-Prozent-Regelung ermitteln müssen. Daraufhin erließ das Finanzamt auf eine Kontrollmitteilung hin die geänderten Steuerbescheide für die Streitjahre 2015 und 2016.
Die Kläger hatten mit ihrem Einspruch beim Finanzgericht (FG) Münster zunächst Erfolg. Dem FG zufolge hätte das Finanzamt die private Nutzung des Pkw nicht mit der Ein-Prozent-Regelung berechnen dürfen. Es hat damit zu Unrecht die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb entsprechend erhöht. Die Richter des FG Münster gingen in ihrem Urteil von einer Erschütterung des Anscheinsbeweises aus. Ihrer Ansicht nach ist es nachvollziehbar, dass der Pickup aufgrund seiner Größe nicht für den privaten Gebrauch genutzt wurde. Darüber hinaus stand das Fahrzeug für den arbeitstäglichen Einsatz im Gartenbau als Zugmaschine für den Betrieb und dessen Mitarbeiter zur Verfügung.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs
Der Bundesfinanzhof (BFH) allerdings erklärte in seinem Urteil vom 16. Januar 2025, dass bei Kraftfahrzeugen, die ihrer Art nach typischerweise zum privaten Gebrauch geeignet sind und die für Privatfahrten zur Verfügung stehen, grundsätzlich von einer privaten Nutzung auszugehen ist (III R 34/22). Der Pickup ist typischerweise zum privaten Gebrauch geeignet und lässt sich auch privat nutzen. Der Anscheinsbeweis der Privatnutzung lässt sich zwar durch den Gegenbeweis entkräften. Den Gegenbeweis hat aber der Steuerpflichtige zu führen.
Dafür muss er Tatsachen vortragen, aus denen sich ein atypischer Ablauf ableiten lässt. Der Vollbeweis des Gegenteils, dass keine private Nutzung des betrieblichen Kfz stattgefunden hat, ist jedoch nicht erforderlich. Eine einfache Behauptung, es habe keine private Nutzung des Pkw gegeben, ist aber nicht ausreichend.
Hinweis für die Praxis
Der BFH hat in seinem Urteil betont, dass Kombinationsfahrzeuge wie der Pickup für die private Nutzung geeignet sind. „Der Anscheinsbeweis lässt sich nur dann entkräften, wenn ein in Status und Gebrauchswert dem betrieblich genutzten Kfz vergleichbares Privatfahrzeug ständig und uneingeschränkt zur Privatnutzung zur Verfügung stehen würde”, sagt Steuerberater Thorsten Blümel.