Bürokratie: „Beim Abbau geht noch mehr“
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Bürokratie: „Beim Abbau geht noch mehr“

5 min.

Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger stöhnen über zu viel Bürokratie, Und auch quer durch die politische Landschaft wird der Ruf nach Bürokratieabbau laut. Wo also drückt der Schuh genau? Martin Liepert, Steuerberater bei Ecovis in München, gibt Antworten.

Herr Liepert, was ist eigentlich so schlecht an Bürokratie?

Das Problem für Unternehmen ist vor allem der enorme Aufwand, den die zahlreichen Regelungen mit sich bringen. Inzwischen nehmen etwa Dokumentationspflichten in vielen Bereichen einen erheblichen Anteil der Arbeitszeit in Anspruch. Ein Unternehmer hat so weniger Zeit, sich über Wachstumschancen seines Betriebs oder die Personalentwicklung Gedanken zu machen. Das ist weder in seinem Interesse noch im Interesse der Beschäftigten und Kunden. Und dazu kommen Kosten, etwa für Rechtsberatung oder IT-Ausstattung, die mit bürokratischen Vorgaben einhergehen. Ein Übermaß an Bürokratie ist deshalb eine echte Belastung – für Unternehmen genauso wie für deren Kundschaft .

Aber ganz ohne Bürokratie geht es doch auch nicht, oder?

Natürlich brauchen wir ein gewisses Maß an Bürokratie als Steuerungsinstrument. Aber die Frage, die sich viele zu Recht stellen, ist ja: Stimmen Einsatz und Mittel noch? Viele Unternehmen haben den Eindruck, dass sie unter Generalverdacht stehen angesichts der vielen Nachweispflichten. Sicherlich würden einige schwarze Schafe eine laxere Handhabung ausnutzen. Aber soll dafür die Masse an ehrlichen Unternehmerinnen und Unternehmern gegängelt werden? Ich finde, das steht nicht im richtigen Verhältnis.

Zuletzt wurde das Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet. Hätten Sie sich davon mehr versprochen?

Die neuen Regelungen gehen zwar in die richtige Richtung. Aber meines Erachtens geht da noch viel mehr. Und es dürfte auch schneller gehen. Aber viele Behörden hinken in Sachen Digitalisierung hinterher. Auch das führt zu einem Reformstau.

Wo brauchen wir weniger Bürokratie?

Grundsätzlich sollte der Gesetzgeber Vorschriften in einer sich schnell wandelnden Welt regelmäßig überprüfen und anpassen. Was heute wichtig ist, das muss morgen vielleicht gar nicht mehr reguliert werden – oder könnte zumindest dank digitaler Fortschritte einfacher gemacht werden. Und auch auf notwendige Bedarfe muss schnell reagiert werden: In Zeiten des Fachkräftemangels ist ein Übermaß an Bürokratie für Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland  brauchen, ein echter Wettbewerbsnachteil. Da sollte man dann dringend handeln.

Was sind die größten Hindernisse beim Bürokratieabbau?

Es ist die Masse an Kleinigkeiten, die geregelt wird. Das liegt zum einen Teil an der Komplexität vieler Themen, zum anderen Teil am fehlenden Mut, nicht jedem Einzelinteresse nachzugeben. Wer es jedem recht machen will, kommt zwangsläufig irgendwann zu diesem Wust an Ausnahmeregelungen, Einzelbestimmungen und entsprechenden Nachweispflichten. Ein großer Wurf gelingt so nicht.

Und wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Chancen?

Die fortschreitende Digitalisierung ist sicherlich die größte Chance. Und Datenschutz- oder Datensicherheitsbedenken halte ich häufig nur für ein vorgeschobenes Argument. Das konnte man gut während der Corona-Pandemie in den Finanzverwaltungen beobachten: Galt Homeoffice zuvor bei den Behörden als ein absolutes No-Go, wurden unter veränderten Bedingungen dann erstaunlich schnell sichere Lösungen gefunden, die ein Arbeiten von zu Hause aus ermöglicht haben.

Der Bürokratiekostenindex des Statistischen Bundesamts zeigt etwa in der Grafik unten, dass die Belastung der Unternehmen kontinuierlich gesunken ist. Warum kommt das bei den Unternehmen nicht an?

Ich glaube zunächst einmal keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe. Aber abgesehen davon: Die Belastungen sind eben nicht gleich verteilt. Es gibt Unternehmen, insbesondere aus dem Mittelstand, bei denen die Kosten unverhältnismäßig hoch sind. Wenn ich beispielsweise als Großunternehmen meine elektronischen Kassen updaten und auf den aktuellen Stand bringen muss, sind die damit verbundenen Kosten des Technikers und der Software pro Kasse geringer als bei einem kleineren Familienunternehmen.

Welche konkreten Maßnahmen wären Ihrer Meinung nach hilfreich, um Familienunternehmen schnell zu entlasten?

Es gibt eine Reihe kleiner Maßnahmen, die sich schnell umsetzen lassen. Wir bei Ecovis haben da noch ein paar Ideen. Zum Beispiel die 10-Tage-Regel. Sie besagt, dass Zahlungen, die Betriebe bis zum 10. Januar leisten, steuerlich noch zum Vorjahr gehören, wenn es sich um regelmäßig wiederkehrende Betriebsausgaben handelt und die Ausgaben wirtschaftlich zum alten Jahr gehören. Dazu zählen etwa laufende Versicherungsbeiträge, Pachten, Mieten und Gehälter. Aber muss das sein? Wir finden nein, das belastet die Unternehmen nur unnötig über den Jahreswechsel. Beispiele von aus unserer Sicht schnell umsetzbaren Maßnahmen haben wir unten (Top-8-Entlastungsvorschläge“ für Sie zusammengestellt. Diese Vorschläge bringen wir zudem mit unseren Möglichkeiten an den relevanten Stellen ein und arbeiten daran, dass diese Ideen Gehör finden.

Top-8-Entlastungsvorschläge von Ecovis auf einen Blick

  1. Abschaffung der 10-Tage-Regel im Einkommensteuergesetz
  2. Anhebung der Grenze für die Kleinunternehmerregelung im Umsatzsteuergesetz
  3. Kleinstreitfälle bei Einspruchsverfahren durch Abhilfe erledigen, um Zeit und Kosten zu sparen
  4. Abschaffung der nicht umgesetzten Melde- und Registrierungspflichten bei Kassen
  5. Umwandlung der Belegausgabepflicht bei Kassen in eine Belegangebotspflicht
  6. Ermöglichen eines gemeinsamen Datenzugriffs von Behörden, wenn Steuerpflichtige dem zustimmen
  7. Mehrbehördliche Verwaltung bei Kirchen- und Gewerbesteuer abschaffen
  8. Einführung der E-Rechnung in einem Schritt

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