Fristlose Kündigung: Vertraulichkeit der Kommunikation bei Hetze in Chats gilt nicht immer
Der Schutz der vertraulichen Kommunikation gilt nicht immer. Arbeitgeber können Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fristlos kündigen, wenn diese sich in privaten Chat-Gruppen beleidigend, rassistisch oder sexistisch über Arbeitskollegen oder Vorgesetzte äußern und die Chats öffentlich werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil am 24. August 2023 klargestellt. Die Hintergründe dieser Entscheidung erläutert Ecovis-Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Gunnar Roloff in Rostock.
Der Fall
Der Arbeitnehmer war Mitglied einer seit mehreren Jahren bestehenden Chat-Gruppe mit sieben befreundeten und teilweise sogar verwandten Kollegen. Nachdem der Arbeitgeber zufällig von Äußerungen des Arbeitnehmers innerhalb dieses Chats erfahren hatte, die unter anderem gegenüber Vorgesetzten und Arbeitskollegen beleidigend und menschenverachtend waren, kündigte er das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste daraufhin entscheiden, ob sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf eine Vertraulichkeit ihrer Kommunikation berufen können, wenn sie sich innerhalb einer privaten Chat-Gruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt anstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Beschäftigte äußern.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gab drei Mitgliedern der Chat-Gruppe recht und ihren Kündigungsschutzklagen statt. Zur Begründung führten die Gerichte an, dass die Kläger hinsichtlich ihrer vorgeworfenen Äußerungen eine Vertraulichkeit erwarten durften. Ein Kündigungsgrund sei deshalb nicht gegeben. Dagegen legte der Arbeitgeber Revision beim BAG ein.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Die Revision des Arbeitgebers hatte Erfolg. Das BAG hob am 24. August 2023 (2 AZR 17/23) das Urteil der Vorinstanz auf und verwies es zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurück. Als Begründung gab das BAG an, dass das Landesarbeitsgericht fälschlicherweise angenommen hat, dass der Kläger hinsichtlich der von ihm vorgenommenen Äußerungen berechtigt Vertraulichkeit erwarten durfte. „Das Bundesarbeitsgericht hat erklärt, dass eine solche Vertraulichkeitserwartung nicht immer berechtigt ist“, sagt Ecovis-Experte Gunnar Roloff. Ob eine Vertraulichkeit zu erwarten ist, hängt nicht nur von der Größe und der personellen Zusammensetzung einer Chat-Gruppe ab, sondern auch vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten. „Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb so entschieden, weil es im vorliegenden Fall um beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige ging“, erklärt Roloff. Das BAG verlangt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Chat-Gruppe, darlegen, warum sie berechtigt erwarten konnten, dass kein Gruppenmitglied den Inhalt der Chat-Nachrichten an Dritte weitergibt.
Das sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber beachten
„Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dürfen Arbeitgeber auch vermeintlich vertrauliche Nachrichten von Arbeitnehmern zur Begründung einer Kündigung heranziehen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Nachrichten einen beleidigenden Inhalt haben“, fasst Roloff zusammen. „Trotzdem sollten Arbeitgeber jede Kündigung im Vorfeld genau überlegen und prüfen, um späteren Ärger und unnötige Kosten zu vermeiden.“