Grundsteuer verfassungswidrig: Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bundesmodells
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Grundsteuer verfassungswidrig: Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bundesmodells

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Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte in zwei Eilverfahren über die Aussetzung der Vollziehung von Grundsteuermessbescheiden zu entscheiden. Dort sowie in zehn weiteren Bundesländern berechnet sich die Grundsteuer nach dem Bundesmodell. Dieses Modell zieht gesetzlich normierte Mietwerte und Bodenrichtwerte als maßgebende Faktoren zur Ermittlung des Grundsteuerwerts heran. Wie das Gericht urteilte und die Folgen aus der Entscheidung erklärt Alexander Kimmerle aus Kempten.

Der Fall

Im ersten Eilverfahren setzte das Finanzamt den Grundsteuerwert für ein Einfamilienhaus fest, das nach Angaben der Antragstellerin im Jahr 1880 errichtet wurde. Es war seit Jahrzehnten unrenoviert. Die Antragstellerin argumentierte, dass der gesetzlich normierte Mietwert pro Quadratmeter aufgrund der besonderen Umstände des Hauses zu hoch angesetzt sei.

Der zweite Fall betraf die Grundsteuerwertfeststellung eines Einfamilienhauses, das 1977 bezugsfertig wurde. Die Antragsteller argumentierten, dass der Bodenrichtwert unter Berücksichtigung von Faktoren wie der Grundstückslage und der Erschließung zu mindern sei. Das Finanzamt berücksichtigte diese Aspekte jedoch nicht in der Bewertung (Urteile des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. November 2023, 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23).

Das Finanzgericht setzte die Vollziehung der Grundsteuerwertbescheide aus, da es ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregeln sah. Insbesondere äußerte es Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Gutachterausschüsse und der Datengrundlage für die Bodenrichtwerte.

Ausblick

Die Zweifel beziehen sich vor allem auf die Frage, ob die Bodenrichtwerte, die entscheidend in die Bewertung einfließen, rechtmäßig zustande gekommen sind. Das Finanzgericht äußerte hier Bedenken hinsichtlich der gesetzlich geforderten Unabhängigkeit der rheinland-pfälzischen Gutachterausschüsse. Es zweifelte an, dass Einflussmöglichkeiten ausgeschlossen werden könnten. Zudem könne die Datengrundlage für die Bodenrichtwerte durch Datenlücken in den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse zu erheblichen Verzerrungen führen.

Das Finanzgericht argumentiert zudem, dass Steuerpflichtige unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben sollten, einen unter dem typisierten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachweisen zu können. So könnten sie erhebliche Härten durch die nahezu vollständig typisierte Besteuerung vermeiden. Dabei besteht laut dem Finanzgericht keine Verpflichtung, diesen Nachweis nur durch ein förmliches Sachverständigengutachten zu erbringen.

In Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregelungen hegt das Finanzgericht Zweifel hinsichtlich einer möglichen Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Es ist unklar, was genau der Belastungsgrund der Grundsteuer ist. Es fehlt an einer klaren Möglichkeit zur Überprüfung der realitäts- und relationsgerechten Grundstücksbewertung. Das Finanzgericht zweifelt auch daran, ob die Regelungen des Bewertungsgesetzes geeignet sind, eine solche Bewertung zu erreichen, da zahlreiche Typisierungen und Pauschalierungen zu Wertverzerrungen führen können.

Das Finanzgericht bemängelt eine gleichheitswidrige Novellierung der Grundstücksbewertung durch systematische Unterbewertungen hochwertiger Immobilien und Überbewertungen von Immobilien in weniger begehrten Lagen oder schlechtem Zustand.

Die Entscheidungen des Finanzgerichts erscheinen fürs Erste vielversprechend. „Achten Sie jedoch darauf, dass es sich bisher lediglich um die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung und nicht etwa um die Aufhebung oder Änderung der Grundsteuerfeststellungsbescheide oder der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Bewertungsregeln handelt“, sagt Ecovis-Experte Alexander Kimmerle. Zudem hat das Finanzgericht insbesondere wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Alexander Kimmerle
Steuerberater in Kempten
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