Rechnungslegung: Happy Birthday IFRS
Im Sinne der Harmonisierung vor zehn Jahren gegründet, betreffen die IFRS längst auch den Mittelstand. Die Kritik daran reißt auch nach der ersten Anwendungsdekade nicht ab.
Die Globalisierung der Wirtschaft erfordert auch die Internationalisierung von Vorschriften. Dabei ist der Wille nach international vergleichbarer Rechnungslegung keineswegs neu. Bereits 1973 wurde das International Accounting Standards Committee (IASC) als privatrechtlicher Verein nationaler Verbände von Rechnungslegern und Wirtschaftsprüfern mit Sitz in London gegründet. Erst ab dem Jahr 2000 begann die Zusammenarbeit mit der EU bei der Fortentwicklung einheitlicher Rechnungslegungsstandards.
Bis 2004 war es lediglich börsennotierten Unternehmen möglich, auf den handelsrechtlichen Konzernabschluss zugunsten eines nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften aufgestellten Abschluss zu verzichten. Seit 2005, mit Einführung des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG), haben alle kapitalmarktorientierten Unternehmen sogar die Pflicht, den Konzernabschluss gemäß den IFRS aufzustellen. Seit der Geburtsstunde der IFRS in der EU im Jahr 2005 können jedoch auch nicht kapitalmarktorientierte Konzerne in der konzerneinheitlichen Sprache der IFRS anstelle des HGB berichten.
Kapitalgesellschaften im Sinne des HGB eröffnet das BilReG die Möglichkeit, auch den Einzelabschluss alternativ nach den IFRS aufzustellen. Allerdings muss zur Ausschüttungsbemessung und Besteuerung zusätzlich auch weiterhin ein HGB-Einzelabschluss aufgestellt werden – unstrittig ein zusätzlicher Aufwand.
Konfliktpotenzial und positive Effekte
Zehn Jahre nach der verpflichtenden Einführung sorgen die Bilanzierungsstandards noch immer für Konflikte – hohe Kosten, hohe Komplexität und hoher Zeitaufwand sind nur einige Kritikpunkte. Die Europäische Kommission sieht die Komplexität allerdings nicht durch die Anwendung der IFRS, sondern durch die wachsenden Unternehmenskomplexitäten begründet.
Die Analyse der Europäischen Kommission zeigt, dass die Einführung und Umsetzung der IFRS positive Effekte auf die internationale Vergleichbarkeit sowie Transparenz der Abschlüsse haben und dadurch Kapital- und Binnenmärkte reibungsloser funktionierten. „Dies leitet die Europäische Kommission durch die gestiegene Liquidität, geringere Kapitalkosten und verstärkte grenzüberschreitende Transaktionen ab“, sagt Anke Hahn, Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin.
Entgegen diesen Ergebnissen kann der Trend, wieder zu nationalen Rechnungslegungsvorschriften zurückzukehren, sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz teilweise beobachtet werden. Populäres Beispiel: die Swatch Group. Sie vollzog zum 1. Januar 2013 den Wechsel von den IFRS zu den nationalen Swiss GAAP.
Vereinfachungsregelungen schaffen Erleichterung
Das zehnjährige Jubiläum der IFRS ist auch Anlass für das IASB und die Europäische Kommission, ein Resümee zu ziehen. Vor allem unter den Anwendern wird der Ruf nach Vereinfachungen und mehr Prinzipienorientierung lauter. Der häufig vorliegenden Komplexität und Detailorientierung stehen aber auch jetzt bereits einige Vereinfachungsregelungen gegenüber. Deren Kenntnis kann dem Anwender der Rechnungslegungsstandards einige Erleichterung verschaffen.
Eine zentrale Vereinfachung findet sich in IAS 1.31. Danach braucht ein Unternehmen Angabeverpflichtungen, die in anderen IFRS vorgeschrieben sind, nicht nachzukommen, wenn die anzugebende Information nicht wesentlich ist. Durch die Angabeninitiative wird der Grundsatz vonseiten des IASB für die Zukunft noch an Bedeutung gewinnen.
Dieser Wesentlichkeitsgrundsatz (Principle of Materiality) besagt, dass nur Tatbestände im Jahresabschluss berücksichtigt werden müssen, die aufgrund ihrer Größenordnung einen wesentlichen Einfluss auf den Abschluss haben. „Die Komplexität der IFRS kann also durch das Wesentlichkeitsprinzip verringert werden, welches somit zu einer vereinfachten Handhabung beiträgt“, erklärt Wirtschaftsprüfer Uwe Lange.
Ferner betonen die neueren, unter dem Titel „IFRS“ veröffentlichen Standards in deutlichem Ausmaß die Prinzipienorientierung. Der IFRS 12 beispielsweise regelt Angaben zu Beteiligungen an anderen Unternehmen. Hier werden zahlreiche Angaben zu Beteiligungen an anderen Unternehmen und beispielsweise an assoziierten Unternehmen gefordert. Dabei ist der Grundsatz in IFRS 12.1 beschrieben, dass die gemachten Angaben den Abschlussadressaten Art, Umfang und Risiken der eingegangenen Beteiligungen sowie deren Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln sollen.
So sind etwa für die Frage, welche Unternehmen zu konsolidieren sind (das heißt, ob Beherrschung vorliegt), zahlreiche Annahmen und Einschätzungen notwendig. Für diese konkretisiert IFRS 12.7 die Angabegrundsätze, und IFRS 12.9 beschreibt, welche Angaben dazu gemacht werden könnten. Hierbei stellt die Verwendung von „beispielsweise“ klar, dass diese, aber auch andere oder weniger Angaben dem Grundsatz in IFRS 12.7 entsprechen können.
Handelt es sich bei den Konzernunternehmen um operative Unternehmen, die über Stimmrechte gesteuert werden und bei denen eine deutliche Mehrheitsbeteiligung der Mutter gegeben ist, kann auf Angaben zu den Annahmen und Einschätzungen verzichtet werden. Für die Beurteilung der Kontrolle in diesen Fällen sind nämlich keine wesentlichen Annahmen oder Einschätzungen zu treffen.
Enthält der Konzern jedoch strukturierte Unternehmen, mit denen der Bilanzersteller unter Umständen eine Konsolidierungspflicht vermeiden will, werden umfangreiche Angaben erforderlich. „Damit erhält der Leser Informationen, um die Auswirkungen derartiger strukturierter Unternehmen auf den Konzern beurteilen zu können“, erklärt Anke Hahn.
Die Prinzipienorientierung zeigt sich unter anderem auch deutlich bei IFRS 10, dem Standard zur Beurteilung, ob Beherrschung vorliegt. Der Standardtext selbst ist lediglich fünf Seiten lang. Der Anhang A gibt Definitionen (die beispielsweise der HGB-Gesetzgeber vornimmt) und der Anhang B weitere detaillierte Regelungen zu einzelnen Themenbereichen. Im Fall der oben beschriebenen Art der Beteiligung an den Konzernunternehmen wird man in der Regel kaum die Regelungen von Anhang B benötigen, um die Beherrschung nach IFRS 10 beurteilen zu können.
Großer Interpretationsspielraum
Auch die großen Prüfungsgesellschaften mit ihren umfangreichen IFRS-Fachabteilungen, die in zahlreichen Ländern eingerichtet sind, haben zur Komplexität der IFRS-Anwendung beitragen, da die – häufig zahlreichen – Mitarbeiter durch Zusatzaufträge wie IFRS-Beratung ihre Gehälter quasi selbst erwirtschaften müssen. Sogar Mitglieder des IASB äußern in öffentlichen Veranstaltungen ihr Erstaunen darüber, wie ihre Standardtexte teilweise überinterpretiert werden.