Insolvenz wegen Corona: Wie Unternehmer das als Chance nutzen
Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen viele Unternehmen, einige stehen vor dem Aus. Eine Insolvenz kann ein Ausweg aus der Misere sein. Was gilt es zu beachten und was bringen die seit März 2020 geltenden Erleichterungen des Insolvenzrechts?
Gastronomen, Reiseveranstalter und Kulturbetriebe sind von den Folgen der Corona-Krise mit am härtesten getroffen. Aber nicht nur Bars und Restaurants wissen nicht, ob das Ausbleiben ihrer Gäste über Wochen hinweg ihr wirtschaftliches Ende bedeuten wird. Auch viele andere kleine und mittelständische Unternehmen sind unsicher, ob sie die zum Teil massiven Einnahmeausfälle schultern können. Sicher, Soforthilfen und Darlehen können über den ein oder anderen Engpass hinweghelfen. Aber für einige zeichnet sich auch ab, dass ein Schrecken mit Ende vielleicht die bessere Alternative sein könnte. Die Rede ist von der geordneten Insolvenz.
Eine Insolvenz kann hilfreich sein
Doch wofür gibt es überhaupt ein solches Insolvenzverfahren? „Um im Bild der Pandemie zu bleiben, könnte man die Insolvenz mit einem Desinfektionsmittel vergleichen“, erklärt Tobias Schulze, Rechtsanwalt bei Ecovis in Rostock. „Damit Unternehmen, die in Schieflage geraten sind, nicht ihre Geschäftspartner anstecken, gibt es die Insolvenz.“ So soll gesichert werden, dass nur solche Unternehmen am Markt tätig sind, die auch ihre laufenden Verbindlichkeiten begleichen können und damit ihre Geschäftspartner nicht in Schwierigkeiten bringen. Eine Insolvenz bringt aber nicht zwangsläufig die vollständige Auflösung des Unternehmens mit sich. Mitunter lässt sich das Unternehmen auch weiterführen und sanieren.
Wer nicht in der Lage ist, mit den vorhandenen und künftigen liquiden Mitteln 90 Prozent seiner Rechnungen in den kommenden drei Wochen zu begleichen, der gilt als zahlungsunfähig. Und wer zahlungsunfähig ist, muss Insolvenz beantragen. Das gilt für Geschäftsführer ebenso wie für Vorstände, ist also von der Gesellschaftsform des Unternehmens unabhängig. Schulze ergänzt: „Für Einzelunternehmer ist eine solche Pflicht zwar nicht ausdrücklich festgelegt, aber die Kernvorschriften sind ähnlich.“ Das bedeutet: Wer trotz Zahlungsunfähigkeit keine Insolvenz anmeldet, macht sich strafbar. Insolvenz lässt sich außerdem schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit anmelden.
Freiwillig in die Insolvenz?
„Scheitern kann eine Chance sein. Und wer sich bei drohender Zahlungsunfähigkeit in den Schutz des Insolvenzrechts begibt, kann davon auch profitieren“, sagt Schulze und ergänzt: „Es ist ein Fehler, die Insolvenz nicht auch als Möglichkeit für einen sauberen Neustart in Betracht zu ziehen.“ Wer in eine wirtschaftliche Schieflage gerät, sollte also alle Möglichkeiten ausloten – und sich dabei kompetent beraten lassen. Die Vertrauensperson kann ein Anwalt, ein Steuerberater oder ein Unternehmensberater sein, der mit dem Thema vertraut ist. „Aber Vorsicht: Wer im Vorfeld beraten hat, darf später nicht als Insolvenzverwalter eingesetzt werden“, warnt Schulze.
Gut vorbereitet den Antrag stellen
Entscheidet man sich für ein Insolvenzverfahren, ist ein Antrag beim zuständigen Amtsgericht zu stellen. Dabei lässt sich bereits beantragen, das Unternehmen in Eigenverwaltung weiterzuführen. Dann hat der Insolvenzverwalter vorrangig Überwachungsfunktion. Außerdem empfehlenswert: das Schutzschirmverfahren. Wird es genehmigt, haben Unternehmer drei Monate Zeit, einen Insolvenzplan zur Sanierung des Unternehmens zu erstellen. In dieser Zeit sind dann nur laufende, aber keine Altverbindlichkeiten zu bedienen. „Richtig vorbereitet und durchgeführt kann eine Insolvenz ein Neustart für den Betrieb sein“, resümiert Schulze.
Insolvenzantragspflicht ausgesetzt
Um die Folgen der Corona-Krise abzumildern, hat der Gesetzgeber im März dieses Jahres Änderungen im Insolvenzrecht beschlossen. Dabei handelt es sich um eine Aussetzung der Insolvenzantragspflichten. Die Idee: Wer durch die Pandemie in vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten gerät, aber absehen kann, dass sich dies bis zum Herbst ändert, der muss keine Insolvenz beantragen. So soll eine Pleitewelle verhindert werden.
Schulze aber sieht diese Neuregelung kritisch: „Die neuen Regelungen sind mit viel Unsicherheiten verbunden. Denn wer kann schon absehen, was im Herbst passiert?“ Er rät dringend zu einer ordentlichen Finanzplanung, um im Zweifel nachweisen zu können, dass man vor dem 31. Dezember 2019 – das ist der Stichtag, den der Gesetzgeber nennt – noch zahlungsfähig war und dass für Ende September 2020, das zweite wichtige Datum, mit einer Besserung zu rechnen war. „Denn falls das Ganze nicht funktioniert, stellt sich die Frage der Haftung. Und die beantwortet im Zweifel der Staatsanwalt“, gibt Schulze zu bedenken.
Tipp
Mehr zu den Erleichterungen im Insolvenzrecht erfahren Sie hier.
Tobias Schulze, Rechtsanwalt bei Ecovis in Rostock