Internationales Steuerrecht: Das Aus für finale ausländische Betriebsstättenverluste?
Ausländische Betriebsstättengewinne eines deutschen Unternehmens sind in der Regel im Ausland versteuert und im Inland von der Besteuerung freigestellt. Das regeln Doppelbesteuerungsabkommen. Im Verlustfall führt die Freistellungsmethode zu strittigen Konstellationen.
Erwirtschaftet die Betriebsstätte im Ausland keine Gewinne, sondern Verluste, können Unternehmen diese nach der Symmetriethese in Deutschland nicht berücksichtigen, da im umgekehrten Fall ein Gewinn von der Besteuerung auszunehmen ist. Die Doppelbesteuerung-Freistellungsmethode gilt somit sowohl für Gewinne als auch für Verluste. Ein besonderer Effekt tritt ein, wenn die Verluste im ausländischen Staat „final“ wurden. „Das ist immer dann der Fall, wenn es nach dem nationalen Steuerrecht des Betriebsstättenstaats keine Möglichkeit der Berücksichtigung des Verlustes mehr gibt“, erklärt Ecovis-Steuerberater Steffen Baierlein in Neumarkt i. d. OPf. Hier droht eine doppelte Nichtberücksichtigung der Verluste, wenn Deutschland den Abzug mit Verweis auf die Symmetriethese weiterhin nicht zulässt.
Die Sichtweise der Gerichte
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich in den vergangenen Jahren bereits in fünf Verfahren mit diesem Problem auseinanderzusetzen. Er eröffnete die Urteilsserie im Jahr 2005 mit seinem Urteil in der Rechtssache Marks & Spencer und übertrug die Grundsätze daraus auf Betriebsstättenkonstellationen in der Rechtssache Lidl Belgium. Sofern sich der Verlust im Ausland unter keinen Umständen mehr nutzen lässt (es sich also um finale Verluste handelt), hielt er in den beiden Entscheidungen ein Verlustabzugsverbot im Inland für unverhältnismäßig. Zwischenzeitlich war das Urteil in der Rechtssache Timac Agro als Kehrtwende dieser Rechtsprechung verstanden worden, denn der EuGH knüpfte die Verlustberücksichtigung im Inland an weitere Voraussetzungen. Unter anderem müsse die Situation der ausländischen Betriebsstätte mit der einer inländischen Betriebsstätte vergleichbar sein. Dies sei bei einer Freistellungsbetriebsstätte nicht der Fall. In einer aktuellen Entscheidung vom 22. September 2022 bestätigte der EuGH dies erneut und erteilte damit der Verlustberücksichtigung im Inland eine Absage.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die jüngste EuGH-Entscheidung in seinem Urteil vom 22. Februar 2023 umgesetzt. Er hält darin auch im Falle finaler Verluste an der Symmetriethese fest und versagt eine Berücksichtigung im Inland. In vielen Fällen dürfte damit eine Verlustberücksichtigung im Inland zukünftig ausscheiden. Offen bleibt, wie das Urteil auf Sonderkonstellationen übertragbar sein wird.
Was Betriebe machen sollten
Unternehmen mit ausländischen Betriebsstätten sollten deshalb genau prüfen, ob sie von den jüngsten Urteilen zu finalen Verlusten betroffen sind. In jedem Fall sollten sie genau nachweisen können, dass sie im Betriebsstättenstaat nach nationalem Recht alle Möglichkeiten der Verlustberücksichtigung genutzt haben. „Auch wenn dies gelingt, ist hinsichtlich einer etwaigen Verlustverrechnung eine kompetente Beratung durch einen Steuerexperten unabdingbar“, rät Baierlein.