Krankschreibung nach Kündigung: Müssen Arbeitgeber Lohnfortzahlung leisten?
Arbeitgeber dürfen bei einer „Abschlusskrankheit“ eines Beschäftigten die Lohnfortzahlung verwehren, wenn der Arbeitnehmer am Tag nach dem Ende der Tätigkeit einen neuen Job in einem anderen Betrieb aufnimmt. Das entschied das Bundesarbeitsgericht. Die aktuelle Entscheidung erläutert Ecovis-Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Gunnar Roloff in Rostock.
Grundsätzlich müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Beschäftigten bei Krankheit den Lohn für die Dauer von sechs Wochen fortzahlen. Unternehmen haben dabei oftmals mit der „Abschlusskrankheit“ von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun: Im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses folgt eine Krankschreibung bis zum letzten Tag der Beschäftigung. Mit einer solchen Fallkonstellation hatte sich kürzlich erneut das Bundesarbeitsgericht (BAG) auseinanderzusetzen, weil der Arbeitgeber seinem Beschäftigten die Lohnfortzahlung verwehrte.
Der Fall: Arbeitgeber verweigert Lohnfortzahlung
Das BAG hatte über eine Klage eines Mitarbeiters zu entscheiden, der sich zunächst wegen einer Atemwegserkrankung arbeitsunfähig meldete und kurz darauf entlassen wurde. Der Arbeitnehmer hatte nach der ersten Krankschreibung noch zwei weitere vorgelegt, die die restlichen drei Wochen des Monats abdeckten. Am Folgetag – einem Mittwoch – nahm der Arbeitnehmer eine Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber auf. Der Arbeitgeber zahlte seinem Arbeitnehmer für diesen Zeitraum keinen Lohn. Dagegen klagte der Arbeitnehmer. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gab ihm recht und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung. Dieser zog daraufhin zum BAG.
Die Entscheidung
Das BAG folgte der Argumentation des Arbeitgebers (Urteil vom 13. Dezember 2023, 5 AZR 137/23). Ein Arbeitnehmer könne zwar eine von ihm behauptete Arbeitsunfähigkeit mit ordnungsgemäß ausgestellten Bescheinigungen eines Arztes nachweisen. Den Beweiswert eines solchen Attests könne der Arbeitgeber jedoch erschüttern, wenn er Tatsachen beweisen kann, die „nach einer Gesamtbetrachtung Anlass zu ernsthaften Zweifeln“ geben. „Die Erfurter Richter haben in der Entscheidung klargestellt, dass es für die Glaubwürdigkeit der während einer laufenden Kündigungsfrist ausgestellten Krankschreibungen nicht darauf ankommt, ob die Beendigung vom Beschäftigten oder vom Unternehmen ausgeht. Es ist auch nicht von Bedeutung ob der Arbeitnehmer ein oder mehrere Atteste vorlegt“, erklärt Roloff.
Das BAG hat darauf hingewiesen, dass zwischen der in den Folgebescheinigungen festgestellten „passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit“ und der Kündigungsfrist ein zeitlicher Zusammenhang bestand und dass der Arbeitnehmer unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufgenommen hat. Daher treffe den Kläger für diesen Zeitraum die „volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit“, wenn er eine Lohnfortzahlung erhalten will.
Damit setzt das BAG seine arbeitgeberfreundliche Rechtsprechung zu dieser Problematik fort (https://de.ecovis.com/krankschreibung-anzweifeln-nach-kuendigung/).
Was Arbeitgeber wissen sollten
Arbeitgeber sollten vor dem Hintergrund der Entscheidung künftig genau prüfen, ob sie in Fällen der „Abschlusskrankheit“ tatsächlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet sind. „Endet die Arbeitsunfähigkeit genau am letzten Tag der Beschäftigung und nimmt der Arbeitnehmer am Folgetag eine neue Tätigkeit auf, sind Zweifel des Arbeitgebers an dem Attest durchaus berechtigt“, fasst Ecovis-Rechtsanwalt Roloff zusammen.