Medizinische Versorgungszentren: Strengere Maßstäbe
An Medizinische Versorgungszentren (MVZ) werden strengere Maßstäbe im Falle von Pflichtverletzungen angelegt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Verpflichtung zur „peinlich genauen Abrechnung“, für jedes MVZ eine Kernpflicht. Grund der Verschärfung ist auch, dass den Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den MVZ nicht wie bei den Vertragsärzten das Mittel der Disziplinargewalt zur Verfügung steht.
Nach dem Gesetz ist eine vertragsärztliche Zulassung oder die Zulassung eines MVZ zu entziehen, wenn der Vertragsarzt oder das MVZ eine „gröbliche Pflichtverletzung“ begangen hat (vgl. § 95 Abs. 6 Sozialgesetzbuch V). Diese liegt nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) dann vor, „wenn die Verletzung ein Ausmaß erreicht, dass das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und/oder die Richtigkeit der Leistungserbringung so stark zerstört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann.“ (BSG vom 21. März 2012, Az. B 6 KA 22/11).
Das BSG hat in seinem Urteil aber festgestellt, dass die Grundsätze, die es für Vertragsärzte entwickelt hat, nicht ohne Weiteres auf MVZ übertragen werden können und der Maßstab für eine Zulassungsentziehung bei MVZ „strenger“ sein kann. Dies liegt an der Struktur der MVZ. Denn für organisatorische Abläufe wie Abrechnung, Auswahl der Ärzte, Beantragung von Anstellungsgenehmigungen und Prüfung der Abrechnungsberechtigungen ist das MVZ zuständig, während die Verantwortung für den medizinischen Bereich in den Händen der jeweils behandelnden Ärzte liegt.
Ein Fehlverhalten einzelner im Versorgungszentrum tätiger Ärzte, das nicht den Kern des MVZ-Pflichtenkreises betrifft, muss nicht zur Zulassungsentziehung des MVZ führen. Das gilt auch für den Fall, dass ein Fehlverhalten des Arztes grundsätzlich eine Zulassungsentziehung rechtfertigen würde, wenn das MVZ das Beschäftigungsverhältnis mit dem betreffenden Arzt beendet. Eine Zulassungsentziehung liegt aber nahe, wenn die Pflichtverstöße die Kernpflichten des MVZ betreffen, beispielsweise die Abrechnung.
Im vom BSG zu entscheidenden Fall hatte das MVZ Leistungen von Ärzten abgerechnet, die nicht im MVZ angestellt waren und über (noch) keine Anstellungsgenehmigung verfügten. Das MVZ rechnete zudem Leistungen über nicht existierende LANR (Lebenslange Arztnummer) ab und zeigte Vertretungstätigkeiten nicht ordnungsgemäß an. Diese Pflichtverletzungen des MVZ sind nach Auffassung des BSG und der Instanzgerichte „gröblich“, sodass ein Zulassungsentzug gerechtfertigt war.
Ein „Wohlverhalten“ das eine andere Entscheidung rechtfertigen würde, war bei dem betroffenen MVZ nicht ersichtlich. Denn im Falle von „guter Führung“ während des Zulassungsentziehungsprozesses bestünde die Möglichkeit, von einer Zulassungsentziehung abzusehen. Hierfür ist eine „zweifelsfreie Verhaltensänderung während eines Zeitraums von mehreren Jahren und eine zweifelsfreie Prognose für künftig rechtmäßiges Verhalten“ erforderlich.
Diese Rechtsprechung hat das BSG allerdings mit seiner neuen Entscheidung vom
17. Dezember 2012, Az.: B 6 KA 48/11 R ausdrücklich aufgegeben und gilt nur noch für Altfälle. Ein Wohlverhalten kann künftig nur noch in einem (Wieder-) Zulassungsverfahren berücksichtigt werden.
Fazit: Werden in einem MVZ Unregelmäßigkeiten festgestellt, die zu den Kernpflichten des MVZ gehören, müssen die Fehler schnell behoben werden.
Autorin: Judith Mußelmann, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in Regensburg