Neues Recht rund um den Nachlass
Nicht nur die anstehende Erbschaftsteuerreform kann Folgen für das Vermögen haben. Auch die neue EU-Verordnung für internationale Erbschaften bringt viele Veränderungen.
Ob Betriebsübergabe oder länderübergreifende Nachlassregelung: Wer Schenkungen oder den Erbfall plant, muss in naher Zukunft mit veränderten Rahmenbedingungen rechnen. Unternehmer etwa sollten die Reform der Erbschaftsteuer im Blick haben, die einigen Vorgaben des Verfassungsgerichtsurteils vom Dezember gerecht werden muss. Zwar üben die Richter an der Verschonung betrieblichen Vermögens von der Erbschaftsteuer keine grundsätzliche Kritik, sie fordern aber – spätestens bis zum 30. Juni 2016 –, einige Details anzupassen.
Erbschaftsteuer auf dem Prüfstand
Die an den Erhalt von Arbeitsplätzen und die weitgehende Stabilität der Lohnsumme geknüpfte Verschonung begünstigter Unternehmen gilt auch weiterhin als verfassungskonform. Ein Dorn im Auge ist dem obersten Gericht aber die Ausnahmeregelung, die für Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten die Steuerbefreiung ohne Nachweis einer Mindestlohnsumme vorsieht. „Hier wäre es denkbar, dass entweder die Grenze für die Zahl der Mitarbeiter mindestens halbiert oder nach einem neuen Maßstab wie etwa der Lohnsumme gesucht wird“, erläutert Ernst Gossert, Steuerberater bei Ecovis.
Politisch heftig umstritten ist, wie der von Karlsruhe geforderte Abbau der Privilegien von Großunternehmen zu gestalten ist. Das Bundesfinanzministerium hatte zur Abgrenzung einen Unternehmenswert von 20 Millionen Euro in die Diskussion gebracht, für die es ohne Bedürfnisprüfung künftig keine Verschonung geben könnte. Unternehmerverbände und einzelne Bundesländer fordern dagegen deutlich höhere Grenzen. „Ebenso offen ist, wie eine Bedürfnisprüfung konkret aussehen soll“, sagt Gossert.
Vorzeitige Übergabe könnte sinnvoll sein
Nicht zuletzt fordert das Verfassungsgericht, dass Verwaltungsvermögen wie Aktien oder Immobilien nicht im gleichen Maß wie bisher zur Steuerverschonung beitragen dürfen. In der Kritik steht die Freigrenze von 50 Prozent. Wird sie eingehalten, wirkt die Begünstigung für den gesamten übertragenen Vermögenswert. Liegt das Verwaltungsvermögen aber nur einen Prozentpunkt darüber, geht die Begünstigung vollständig verloren. Wie die Reform konkret aussehen wird, ist derzeit noch offen. Tendenziell wird sie jedoch zu Verschärfungen führen. „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, könnte deshalb jetzt eine Betriebsübergabe auf Basis des noch geltenden Rechts sinnvoll sein“, sagt Christian Fiedler, Rechtsanwalt bei Ecovis. Steuerliche Überlegungen sollten allerdings nie allein ausschlaggebend für diese Entscheidung sein.
Erben in Europa soll einfacher werden
Häufig noch nicht ins Bewusstsein gerückt ist die Reform des internationalen Erbrechts, die für Todesfälle ab dem 17. August 2015 gelten wird und das Erben in Europa leichter machen soll. Hierbei geht es nicht um steuerliche Vorgaben, sondern um den rechtlichen Rahmen beim todesbedingten Übergang von Vermögenswerten mit grenzüberschreitenden Anknüpfungspunkten. Stand dabei im deutschen internationalen Erbrecht bislang das Prinzip der Staatsangehörigkeit im Vordergrund, so wird bei der nun in Kraft getretenen EU-Erbrechtsverordnung der gewöhnliche Aufenthaltsort zum obersten Maßstab. „Hat ein Bundesbürger beispielsweise seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Alter in Italien, so kommt künftig unabhängig von seiner deutschen Staatsangehörigkeit und möglichem weiteren Vermögen in anderen Ländern das italienische Erbrecht zur Anwendung“, meint Axel Keller, Rechtsanwalt bei Ecovis.
Der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ist in der Verordnung nicht klar definiert, sondern abhängig von Indizien. Der Lebensmittelpunkt etwa, das soziale Umfeld oder auch das Bankkonto gehören dazu. „Jeder potenzielle Erblasser, der – von häufigen Aufenthalten bis hin zu Immobilienvermögen in anderen Ländern – einen Bezugspunkt zum Ausland hat, sollte die geplante Nachfolge jetzt noch einmal mit Blick auf das neue europäische Recht prüfen“, rät Keller. Denn das Erbrecht ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gestaltet. So ist das Berliner Testament – im deutschen Recht möglicher gemeinsamer Letzter Wille, mit dem sich Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben erklären und erst für die Zeit danach Dritte (meist die Kinder) als Erben einsetzen – in Ländern wie Spanien gar nicht bekannt. Das französische Recht wiederum stellt die Ehegatten schlechter als in Deutschland, indem diesen nur ein Wahlrecht zwischen einem Nießbrauch am Nachlass oder dem Eigentum an einem Viertel der Vermögenswerte eingeräumt wird. „Um solche Folgen zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Möglichkeit der Rechtswahl in einer letztwilligen Verfügung in Betracht zu ziehen, damit auch weiterhin dem deutschen Erbrecht zur Anwendung verholfen werden kann“, betont Ecovis-Rechtsanwältin Katharina Fruth.
Andere Länder, andere Vorgaben
Möglicherweise kommen abweichende Regelungen im Ausland dem Erblasser auch entgegen. Ein Beispiel ist der im Falle einer Enterbung bestehende Pflichtteilsanspruch, der sich in Deutschland nach der Hälfte des gesetzlichen Anspruchs bemisst. Er ist in manchen Ländern höher, in Frankreich dagegen steht Eltern kein Pflichtteilsanspruch zu. Der gewöhnliche Aufenthalt dort könnte somit dem Streben nach Ausschluss eines ungeliebten Verwandten vom Nachlass entgegenkommen, soweit dies nicht der ausschließliche Zweck ist. Im spanischen Erbrecht wiederum ist es möglich, den Ehepartner vom Nachlass einer Immobilie auszuklammern und diese vollständig auf die Kinder zu übertragen. Der Weg ins Ausland ist möglicherweise auch für Menschen interessant, die nach dem Tod des Ehepartners die Bindungswirkung eines Berliner Testaments aufheben und lieber einen neuen Dritten als Schlusserben bestimmen wollen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein neuer Ehegatte in die Erbfolge einbezogen werden soll.
Insgesamt ist die EU-Verordnung darauf ausgerichtet, Kollisionen unterschiedlicher Rechtsvorgaben zu vermeiden. Erben wiederum haben jetzt die Möglichkeit, ein Europäisches Nachlasszeugnis zu beantragen. Damit können sie ihr Recht bei grenzüberschreitenden Erbfällen überall in der EU ohne weitere Formalitäten schnell nachweisen. Nicht zuletzt sollte man bei Bedarf auf fachliche Hilfe zurückgreifen. „Da wir international vertreten sind, können wir Berater und Anwälte aus dem europäischen Netzwerk nennen und stellen auf Wunsch konkrete Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen EU-Ländern bereit“, sagt Ecovis-Experte Christian Fiedler.
Worüber wir sprechen sollten
- Sollte ich eine Rechtswahl zur Anwendung des gewünschten Erbrechts treffen?
- Verfüge ich über Vermögen im Ausland, das Konsequenzen im Fall einer Erbschaft haben könnte?
- Plane ich, meinen Ruhestand im Ausland zu verbringen?
- Inwieweit kommt internationales Recht meinen Wünschen bei der Gestaltung des Vermögensübergangs entgegen?
- Lohnt es sich, mit Blick auf die Erbschaftsteuerreform, eine vorzeitige Betriebsübergabe zu planen?