OLG Düsseldorf: Was muss ein Architekt im Rahmen der Bauaufsicht überwachen?
- Die Bauüberwachung durch den Architekten darf sich auch bei einfachen, gängigen Tätigkeiten nicht darauf beschränken, die von den jeweiligen Auftragnehmern vorgelegten Papiere zur vorgesehenen Bauausführung (hinsichtlich Materialien bzw. Arbeitsweisen) einer bloßen Durchsicht vom Büroschreibtisch aus zu unterziehen, ob sie mit den Vorgaben der Planung vollständig übereinstimmen. Vielmehr muss der wegen seiner besonderen Fachkunde mit der Bauüberwachung betraute Architekt seine Fachkunde auch vertragsgemäß dahingehend einsetzen, dass er – zumindest stichprobenhaft – Überprüfungen an Ort und Stelle vornimmt.
- Arbeiten im Bereich des Bodenaustauschs zwecks fachgerechter Gründung einer Industriehalle gehören (ebenso das Betonieren/Bewehren von Sohlplatten) zu gefahrenträchtigen Arbeiten mit typischen Gefahrenquellen im Rahmen eines kritischen Bauabschnittes, bei denen verschärfte Anforderungen an die Bauüberwachung durch den Architekten zu stellen sind.
- Verschärfte Anforderungen an die Bauüberwachung sind auch dann zu stellen, wenn die Baugründung auf Basis eines Baugrundgutachtens mit besonderen Vorgaben an die Materialien (einschl. deren in der Fachwelt bereits diskutierten hinreichenden Raumbeständigkeit bei Verwendung im Hochbau), an deren Be-/Verarbeitung bzw. an sonstige Einzelheiten eines danach notwendigen Bodenaustauschs erfolgen soll.
- Verschärfte Anforderungen an die Bauüberwachung des Architekten bestehen auch dann, wenn die Planung durch handschriftliche Abänderungen des Leistungsverzeichnisses durch den (Erd-)Bauunternehmer geändert worden ist.*)
- Liegen Mängel des Bauwerks vor, die typischerweise entdeckt werden mussten, so spricht der Anscheinsbeweis für eine Bauaufsichtspflichtverletzung des Architekten.
- Tatsächliche Erkenntnisse aus einem vorherigen selbständigen Beweisverfahren, die über den schriftsätzlichen Tatsachenvortrag im Streitverfahren hinausgehen, sind zu berücksichtigen, wenn sich eine Partei diese ausdrücklich oder konkludent als Sachvortrag zu Eigen macht.
Hintergrund der Entscheidung ist die Forderung eines Bauherrn gegen seinen Architekten wegen Schadensersatzes bei der Planung und Überwachung einer Industriehalle. Wegen streitgegenständlichen Arbeiten im Bereich des Bodenaustauschs, bei denen ein beauftragter Unternehmer das Leistungsverzeichnis abgeändert hatte. Aus diesem Grunde wurde zum Teil nicht raumbeständige Schlacke eingebaut, so dass es zu Setzungsschäden an der Halle kam.
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass ein Architekt auch einfach gelagerte Arbeiten überwachen muss. Bei den streitgegenständlichen Arbeiten des Bodentauschs lägen zudem gefahrgeneigte Arbeiten vor. Der Architekt wurde dem Grunde nach verurteilt.
Das Urteil manifestiert eine weitere Antwort auf die Frage, welche Arbeiten gefahrgeneigt sind. Auch weil es sich um eine Entscheidung eines OLG handelt, wird diese Entscheidung, soweit es rechtskräftigt wird, Berücksichtigung finden. Ein Architekt sollte sicherheitshalber bei vergleichbaren Tätigkeiten vorsorgen und seine Überwachungstätigkeiten entsprechend dokumentieren.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.2012 – 23 U 156/11