Pauschalvertrag: Weniger Leistung führt nicht zu niedrigerem Preis!
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Pauschalvertrag: Weniger Leistung führt nicht zu niedrigerem Preis!

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Bauherren lieben Pauschalverträge. Denn sie versprechen sich davon einen wirtschaftlichen Vorteil. Falls aber die Pauschale zu ihren Ungunsten ausfällt, gilt der Pauschalvertrag trotzdem und berechtigt nicht zur Preisreduzierung, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts München zeigt. Es sei denn, die Abweichung von der Pauschale liegt bei über 20 Prozent der Gesamtauftragssumme. Warum das so ist und welche Alternativen es zu Pauschalverträgen gibt, erklärt der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Stefan Reichert von Ecovis in München.

Auftragnehmer verbraucht weniger Material

Die Parteien schließen einen Detail-Pauschalvertrag über Rohbauarbeiten. Das vertraglich vereinbarte Leistungsverzeichnis hat der Auftraggeber erstellt. Demnach sind 188 Tonnen Baustahl ausgeschrieben. Der Auftragnehmer rechnet 170 Tonnen Baustahl ab und fordert den im Pauschalvertrag vereinbarten Preis. Der Auftraggeber wendet sich gegen die Abrechnung des Auftragnehmers und ist der Ansicht, dass ihm aufgrund der Mindermenge von 18 Tonnen Baustahl eine Preisreduzierung zustände. Er zieht daher einen entsprechenden Betrag von der Werklohnforderung ab. Der Auftragnehmer fordert aber den restlichen Werklohn aus einem Detail-Pauschalvertrag für Rohbauarbeiten.

Das Landgericht Augsburg hatte die Frage zu entscheiden, ob die vorliegend erbrachte Mindermenge eine Preisreduzierung der Pauschalvergütung gem. § 2 Abs. 7 VOB/B rechtfertigt.

Die gegen das Urteil des Landgericht Augsburg eingelegte Berufung wies das OLG München mit Beschluss vom 08.07.2019 unter anderem wegen offensichtlich fehlender Aussicht auf Erfolg zurück.

I. Oberlandesgericht gibt dem Auftragnehmer Recht: Der Pauschalvertrag gilt

Das Landgericht Augsburg gab dem Auftragnehmer Recht und entschied, dass die Voraussetzungen einer Preisreduzierung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht vorliegen (Beschluss des OLG München vom 08.07.2019 – 27 U 3203/18 Bau, LG Augsburg, Urteil vom 21.08.2018 – 65 O 3795/15).

Der Auftragnehmer hat 170 Tonnen anstatt 188 Tonnen Baustahl verbaut. Aufgrund des vereinbarten Detail-Pauschalvertrags richtet sich die Bewertung der Vergütung der verbauten Mindermenge von 18 Tonnen nach der Regelung in § 2 Abs. 7 VOB/B.

Demnach ist auf Verlangen ein Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu gewähren, wenn die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich abweicht, dass ein Festhalten der Pauschalsumme nicht zumutbar ist. Dies wiederum setzt ein objektiv feststellbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus, das für den Vertragspartner unerträglich und nicht vorhersehbar ist.

Eine Vergütungsreduzierung bei einem Pauschalvertrag aufgrund Störung der Geschäftsgrundlage kann erst dann angenommen werden, wenn die Abweichung der Mindermenge im Bereich von 20 Prozent von der Gesamtauftragssumme liegt.

Im zu entscheidenden Fall unterschreitet die erbrachte Menge die beauftragte Menge um nur neun Prozent. Im Vergleich zur Gesamtauftragsmenge ist die Unterschreitung noch geringer. Ein objektives Missverhältnis und insbesondere eine Störung der Geschäftsgrundlage besteht bei dieser prozentualen Mindermenge jedenfalls nicht.

II. Auswirkungen auf die Praxis

Das Oberlandesgericht München bestärkt mit seiner Entscheidung den beim Pauschalpreisvertrag geltenden Grundsatz, dass der Pauschalpreis bei Mengenänderungen grundsätzlich unverändert bleibt. Dieser ist in § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 1 VOB/B ausdrücklich festgelegt.

Nur in engen Grenzen wird ausnahmsweise der Grundsatz der Unveränderbarkeit des Pauschalpreises bei Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB durchbrochen und auf Verlangen einer Partei ein Ausgleich gewährt. Eine Anpassung der Vergütung erfolgt nur dann, wenn die ausgeführte Leistung von der vertraglich vereinbarten Leistung abweicht, also eine schwerwiegende Veränderung eingetreten ist, und ein Festhalten an dem Pauschalpreis für die betroffene Partei nicht mehr zumutbar ist.

„Die Entscheidung stärkt den Grundsatz der Vertragsautonomie und der Vertragstreue der Parteien. Schließlich gehen beide Parteien bei Abschluss eines Pauschalvertrags freiwillig ein wirtschaftliches Risiko ein, in der kalkulierten Hoffnung, einen finanziellen Gewinn zu machen“, sagt Ecovis-Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Stefan Reichert. Zu Recht ist seiner Meinung nach ein Eingreifen seitens des Gesetzgebers nur dann gerechtfertigt, wenn das Ergebnis für eine Vertragspartei wirtschaftlich unerträglich ist und nicht bereits, wenn nur einseitige Erwartungen nicht erfüllt werden. Ob diese Voraussetzung tatsächlich vorliegt, ist in jedem Fall einzeln zu prüfen und ein starrer Schwellenwert strikt abzulehnen.

Aufgrund des bestehenden Grundsatz-Ausnahme-Prinzips sind die Voraussetzungen für eine Preisanpassung eng auszulegen. Dementsprechend hat das entscheidende Gericht einen Schwellenwert der Abweichung im Bereich von 20 Prozent der Gesamtauftragssumme angesetzt. Dennoch ist bei den Zumutbarkeitserwägungen nicht auf eine starre Risikogrenze, sondern jeweils auf den Einzelfall, abzustellen. „Wollen die Parteien kein Risiko eingehen“, so Baurechtler Stefan Reichert, „dann sollten sie einen Einheitspreisvertrag abschließen, bei dem am Schluss nach Menge sauber abgerechnet wird.“

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