Reform des Insolvenzrechts: Können Corona-geschädigte Betriebe jetzt aufatmen?
Am 14. Oktober 2020 hat die Bundesregierung die Reform des Insolvenzrechts auf den Weg gebracht. Damit bekommen überschuldete Unternehmen die Chance auf Restrukturierung, ohne dass sie Insolvenz anmelden müssen. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Was es für Unternehmen bedeutet, erklären die Ecovis-Rechtsanwälte Nils Krause und Michael Busching.
Die Aussetzung der Frist zur Insolvenzanmeldung läuft aus
Zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen müssen seit 1. März 2020 nicht mehr Insolvenz anmelden. Warum? Grundsätzlich gesunde Betriebe, die durch die Corona-Pandemie massive Umsatzeinbußen verzeichneten, sollten so vor der Pleite geschützt werden. Auch Arbeitsplätze sollten so gerettet werden. Am 30. September endete diese Aussetzung für zahlungsunfähige Firmen, also für Betriebe die Löhne, Mieten oder Lieferanten nicht bezahlen können. Sie müssen seit 1. Oktober 2020 wieder Insolvenz anmelden. Für Unternehmen, die überschuldet, aber noch zahlungsfähig sind, gilt die Aussetzung noch bis Ende des Jahres. Denn bei ihnen besteht die Möglichkeit, dass sie mit einem soliden Geschäftsmodell die Insolvenz abwenden können.
Was bedeutet die Reform des Insolvenzrechts für Unternehmen in Not?
„Überschuldete Unternehmen können etwas aufatmen. Für sie wird mit der Reform des Insolvenzrechts ein Rahmen geschaffen, der es erlaubt, das Unternehmen außerhalb einer Insolvenz zu sanieren“, sagt Nils Krause, Rechtsanwalt bei Ecovis in Hamburg, „denn das neue Gesetz sieht einen dritten Weg vor zwischen außergerichtlicher Restrukturierung und Insolvenzverfahren.“ Das Verfahren der gerichtlichen Restrukturierung dient der Entschuldung von Unternehmen. Es wird vom Gericht oder einem vom Gericht bestellten Restrukturierungsbeauftragten überwacht. Damit ist das Verfahren verbindlich und „schließt die Lücke zwischen außergerichtlicher Restrukturierung und Insolvenzverfahren“, so Krause.
Für welche Unternehmen gilt das neue Insolvenzrecht?
Nur überschuldete Unternehmen können von der gerichtlichen Restrukturierung profitieren. Betriebe, die zahlungsunfähig sind, müssen auch weiterhin Insolvenz anmelden.
Was sind die Eckpunkte und Vorteile der gerichtlichen Restrukturierung?
Legen überschuldete Unternehmen einen Sanierungsplan vor, der die Gläubiger überzeugt, lässt sich der Betrieb auch ohne Insolvenzverfahren restrukturieren. Im Gegensatz zum Insolvenzverfahren müssen nicht alle Gläubiger einbezogen werden, es genügt die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit. Gläubiger können also überstimmt werden. Sie dürfen bei diesem Verfahrensweg ungleich behandelt werden. Der Vorteil? „Einzelne Werkzeuge der Sanierung lassen sich nutzen, um den Betrieb zu retten“, Krause, „dazu gehört beispielsweise, dass das Unternehmen belastende Verträge mit Leasinggebern oder Lieferanten beenden, Veränderungen beim Personal vornehmen oder Kredite mit der Bank neu verhandeln kann.“
Was müssen Unternehmer tun, um ihren Betrieb zu restrukturieren?
- Zuerst ist zu prüfen, ob das Unternehmen nur überschuldet oder bereits zahlungsunfähig ist.
- Zudem ist ein Restrukturierungsplan aufzustellen. Denn die Gläubiger sind mehrheitlich davon zu überzeugen, dass das Geschäftsmodell tragfähig ist und einzelne Maßnahmen den gewünschten Erfolg – das Unternehmen aus der Überschuldung zu führen – bringen können.
„Das Verfahren ist nicht ganz einfach. Ohne einen Spezialisten und guten Berater ist das kaum zu bewältigen“, ergänzt Sanierungs-Experte Michael Busching von Ecovis in Rostock, „zu viele Faktoren sind zu beachten, damit der Plan erfolgreich sein kann.“
Kann die Reform des Insolvenzrechts die gefürchtete Pleitewelle verhindern?
Die Zahl der Insolvenzen könnte ab 2021 auf über 6.000 pro Quartal steigen, so die Vizepräsidentin der Bundesbank Claudia Buch. Ob die Reform des Insolvenzrechts einen Großteil der Firmenpleiten verhindert, ist allerdings fraglich. Ein Beispiel: Ein Handelsunternehmen zahlt lediglich die notwendigen Verbindlichkeiten aus den laufenden Einnahmen, schiebt aber eine Bugwelle offener Posten vor sich her. Würde es alles bezahlen, ginge das nicht, weil nicht ausreichend Liquidität vorhanden ist. Damit ist der Betrieb zahlungsunfähig – auch wenn er das noch nicht wahrgenommen hat. „Gerade Unternehmen ohne eigenes Controlling erkennen oft erst sehr spät, dass sie nicht nur überschuldet, sondern längst zahlungsunfähig sind“, erklärt Sanierungs-Experte Nils Krause, „und genau das wird sehr genau überprüft werden.“