Restrukturierung ohne Insolvenz: Was das für Unternehmen bedeutet
Mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen wird erstmals eine Unternehmenssanierung, auch gegen den Willen einzelner Gläubiger, außerhalb eines Insolvenzverfahrens möglich sein.
Ende 2020 hat der Bundesrat das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) gebilligt. Damit konnten das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) sowie weitere Gesetzesänderungen, etwa zur Insolvenzordnung (InsO) und zum COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG), zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Was das neue Gesetz bedeutet
Die Anpassungen des COVInsAG und das neue Sanierungsverfahren nach dem StaRUG sollen Unternehmen, die durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Schieflage geraten sind, eine Alternative zu einer Insolvenz bieten. „Der Vorteil dieser präventiven Sanierung ist, dass diese weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden kann und beispielsweise nicht zu einem Reputationsschaden führt“, sagt Katja Nötzel, Wirtschaftsprüferin bei Ecovis in Leipzig.
Anwendbar ist die Unternehmenssanierung allerdings nur, wenn weder eine Überschuldung noch eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, sondern nach der InsO lediglich eine drohende Zahlungsunfähigkeit besteht.
Insolvenzantragsgründe und -fristen angepasst
Im neuen Gesetz sind die Insolvenzantragsgründe und -fristen feinjustiert. Für Unternehmen bedeutet diese Änderung, dass sie als überschuldet gelten, wenn innerhalb der nächsten zwölf Monate eine Liquiditätslücke entsteht und das Reinvermögen negativ ist.
Für die drohende Zahlungsunfähigkeit ist normalerweise ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen. Zudem wurde die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung von drei auf sechs Wochen erhöht. „Diese gesetzlichen Änderungen verschaffen Unternehmen in der Krise etwas mehr Spielraum“, sagt Nils Krause, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht bei Ecovis in Hamburg. Seine Leipziger Kollegin Nötzel ergänzt: „Um frühzeitig zu erkennen, ob sich eine Krise anbahnt, empfehlen wir, ein Risikofrühwarnsystem im Unternehmen zu etablieren.“ Es kann anhand verschiedener Komponenten zeigen, wann sich eine Krise anbahnt.
Vertragspartner von Krisenbetrieben können aufatmen
Als Instrument der außergerichtlichen Sanierung nach dem StaRUG sah der Regierungsentwurf noch vor, dass das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Unternehmens bestimmte beiderseits nicht vollständig erfüllte Verträge durch Beschluss beenden kann. Voraussetzung dafür: Der Vertragspartner hatte einem Anpassungs- oder Beendigungsverlangen zuvor nicht zugestimmt. Das wurde als zu weitgehender Eingriff in die Rechte der Vertragspartner und einseitige Übervorteilung des zu sanierenden Unternehmens kritisiert. „Da die Vertragsbeendigung gestrichen wurde, hält das StaRUG nun keine Instrumente zur operativen Sanierung mehr bereit“, erklärt Krause.
Dies gilt beispielsweise auch für Verträge mit Mitarbeitenden. Denn arbeitsrechtliche Regelungen sind nicht Gegenstand einer Sanierung nach dem StaRUG. Wer also nicht nur finanzwirtschaftlich, sondern auch operativ sanieren will oder muss, kommt nur in einem Insolvenzverfahren, etwa in Eigenverwaltung, in den Genuss privilegierender Regelungen. „Für Unternehmen, die auch operativ sanieren müssen, kommt das StaRUG nicht infrage“, sagt Krause.
Kontrovers diskutiert wurde die im Regierungsentwurf vorgesehene Haftungsverschärfung für Geschäftsführer eines Unternehmens, wenn Zahlungsunfähigkeit droht. In diesem Stadium sollte der Geschäftsführer haftungsbewehrt, also für Fehler haften, in erster Linie zur Wahrung der Rechte der Gläubiger verpflichtet sein und sich nötigenfalls auch über einen entgegenstehenden Willen der Gesellschafter hinwegsetzen. Diese Regelung wurde gestrichen, was zu begrüßen ist.
Wer vom StaRUG profitieren kann
Eine Sanierung nach dem StaRUG einzuleiten und durchzuführen, stellt jedoch auch weiterhin beachtliche Anforderungen an die Geschäftsführung und die Organisation des zu sanierenden Unternehmens. Ohne professionelle betriebswirtschaftliche und rechtliche Begleitung ist eine solche Sanierung nicht umsetzbar. Kleinere und mittlere Unternehmen, die die EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen als Adressaten auserkoren hat, werden sich diesen Aufwand kaum leisten können.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden im Jahr 2021 voraussichtlich zu vielen Sanierungs- und Insolvenzfällen im Mittelstand führen. „Die Rolle, die das StaRUG bei der Bewältigung der erwarteten Insolvenzwelle spielen kann, ist durch die vorgenommenen Änderungen vermutlich kleiner geworden“, sagt Ecovis-Rechtsanwalt Nils Krause.
Frühwarnsystem im Unternehmen: Auf diese Alarmsignale sollten Sie achten:
Unternehmenskrisen entstehen schleichend und werden oft nicht rechtzeitig erkannt. Ein Frühwarnsystem muss daher an den frühen Krisenstadien ansetzen. Hier Beispiele für Krisenstadien und Warnsignale:
Stakeholderkrise
- Streit im Gesellschafterkreis
- Konflikte etwa im Betriebsrat, bei Banken, Kunden oder Lieferanten
- Gesundheitsprobleme des Unternehmers
- Hohe Mitarbeiterfluktuation in der ersten und zweiten Führungsebene
- Hoher Krankenstand
Produkt- und Absatzkrise
- Aufbau von (Lager)-Beständen
- Rückgang der Kapazitätsauslastung
- Erhöhung der Durchlaufzeiten
- Erhöhung der Lagerzeiten
Strategiekrise
- Fehlende Strategieformulierung
- Abhängigkeit von wenigen Kunden oder Lieferanten
- Geringe Digitalisierungskompetenz
- Produkte am Ende des Produktlebenszyklus
- Sinkende Marktanteile und kontinuierlicher Margenverlust
- Verschlechterung der Quote von Angebot zu Auftrag
Akute Krise
- Verluste
- Negativer operativer Cashflow
- Ausgeschöpfte Kreditlinien
- Kürzung der Limite durch die Warenkreditversicherer
- Zahlungs- und Lieferstockungen
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