Überstunden bei Teilzeit: Auch Teilzeitkräfte bekommen Zuschläge gezahlt
Arbeitgeber dürfen Teilzeitbeschäftigte nicht benachteiligen. Arbeiten diese mehr als vertraglich vereinbart, müssen Arbeitgeber auch ihnen Überstundenzuschläge zahlen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erklärt Ecovis-Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Gunnar Roloff in Rostock.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Regelung diskriminierend ist, wonach Überstundenzuschläge erst dann zu zahlen sind, wenn die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wird. „Eine solche Vereinbarung diskriminiert Teilzeitbeschäftigte, weil diese für Zeiten, die sie über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten, solange keine Zuschläge erhalten, bis sie die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreichen“, erklärt Roloff.
Der Fall: Arbeitnehmerin in Teilzeit verlangt Überstundenzuschläge
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die in Teilzeit im Umfang von 40 Prozent eines Vollzeitbeschäftigten tätig war. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag sah einen Überstundenzuschlag von 30 Prozent für Überstunden vor, die die Teilzeitbeschäftigte über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus leistet. Die Klägerin hat von ihrem Arbeitgeber verlangt, dass dieser auch ihr die Überstundenzuschläge gewährt. Zugleich hatte sie die Zahlung einer Entschädigung in Höhe eines Vierteljahresverdienstes verlangt. Sie berief sich dabei auf eine unzulässige Diskriminierung im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten. Sie machte geltend, dass sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt sei, weil ihr Arbeitgeber überwiegend Frauen in Teilzeit beschäftigen würde.
Unterschiedliche Entscheidungen der Gerichte
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin immerhin die Überstundenzuschläge zuerkannt, die Klageabweisung hinsichtlich der von der Beschäftigten geforderten Entschädigung jedoch bestätigt. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2021 hatte das BAG das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen. Mit Urteil vom 29. Juli 2024 (C 184/22 und C 185/22) hat der EuGH die Fragen des Bundesarbeitsgerichts beantwortet.
BAG-Entscheidung: Arbeitgeber dürfen Teilzeitkräfte nicht diskriminieren
Das BAG hat daraufhin der Klägerin die Überstundenzuschläge – wie schon das Landesarbeitsgericht – zugesprochen. Darüber hinaus hat ihr das BAG eine Entschädigung von 250 Euro zuerkannt. Die Begründung: Teilzeitbeschäftigte sind benachteiligt, weil der Überstundenzuschlag nicht schon für Zeiten gezahlt werde, die über die vertraglich vorgesehene Arbeitszeit hinausgehen. Zudem sei ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung nicht erkennbar. Die Regelung zur Gewährung von Überstundenzuschlägen ist wegen des Verstoßes gegen das Verbot von Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam. Das führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift (Entscheidung vom 5. Dezember 2024 (8 AZR 370/20).
Damit hat das BAG der Klägerin eine Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zuerkannt. Sie habe durch die Anwendung der Überstundenregelung eine mittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts erfahren. Beim Arbeitgeber seien mehr als 90 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen. Die Entschädigung hat das BAG auf 250 Euro festgesetzt. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass dieser Betrag ausreichend sei, um den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen. „Darüber hinaus hat das Bundesarbeitsgericht betont, dass die Entschädigungshöhe erforderlich sei, um die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten“, schildert Roloff.
Was Arbeitgeber beachten sollten
Arbeitgeber sollten dringend ihre Vergütungsgrundsätze prüfen. „Nach der neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts besteht bei unwirksamen Regelungen zur Überstundenvergütung nicht nur ein Anspruch der Teilzeitkräfte auf diejenigen Vergünstigungen, auf die sich auch die Vollzeitbeschäftigten berufen können“, sagt Gunnar Roloff. Beschäftigte können zudem Ansprüche in der Vergangenheit geltend machen. „Für den Arbeitgeber wäre es in diesem Zusammenhang hilfreich, wenn er sich auf eine wirksame Ausschlussklausel berufen könnte“, erklärt Roloff. Anderenfalls können Arbeitnehmer Ansprüche so lange geltend machen, bis sie verjährt sind. Und die Verjährung beträgt immerhin drei Jahre.
„Teuer kann es für Unternehmer werden, wenn sie sich Entschädigungsansprüchen der teilzeitbeschäftigten Belegschaft ausgesetzt sehen“, weiß Roloff. Zwar ist der im Einzelfall zugesprochene Entschädigungsbetrag von 250 Euro überschaubar. Bei Unternehmen mit einer hohen Anzahl von Teilzeitbeschäftigten kann das in der Summe jedoch eine finanzielle Belastung bedeuten.