Verspätungszuschlag bei der Steuererklärung: Der Ermessungsspielraum des Finanzamts
© Andrey Popov — stock.adobe.com

Verspätungszuschlag bei der Steuererklärung: Der Ermessungsspielraum des Finanzamts

5 min.

Geben Steuerpflichtige ihre Steuererklärung zu spät ab, erhebt das Finanzamt unter Umständen einen Verspätungszuschlag. Hierfür gibt es einen Ermessensspielraum. Das Finanzgericht Münster hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass es bei der Ermessensausübung jedoch auch davon abhängt, ob es sich um eine Nachzahlung, Nullsteuer oder Erstattung handelt. Die Auswirkungen des Urteils für Steuerpflichtige erklärt Ecovis-Steuerberater Mathias Lüschen in Vechta.

Sommer, Sonne, Abgabefrist für die Einkommensteuer. Diese endet regelmäßig Ende Juli des Folgejahres für das entsprechende Veranlagungsjahr. Haben Steuerpflichtige einen Steuerberater beauftragt, können sie sich für die Einkommensteuererklärung noch sieben Monate mehr Zeit lassen. Aufgrund der Corona-Pandemie gelten momentan sogar noch längere Abgabefristen:

VeranlagungsjahrFristende ohne StBFristende mit StBBei Nachzahlung zwingender Verspätungszuschlag nach
202001.11.2021/ 02.11.2021*31.08.202220 Monaten
202131.10.2022/ 01.11.2022*31.08.202320 Monaten
202202.10.202331.07.202419 Monaten
202302.09.202402.06.202517 Monaten
202431.07.202530.04.202616 Monaten

* Bei Feiertag je nach Bundeland

Hintergrund: Automatischer Verspätungszuschlag und Ermessensentscheidung des Finanzamts

Wer die Fristen nicht einhält, muss unter Umständen mit der Festsetzung eines Verspätungszuschlags rechnen. Ob dieser anfällt und wie hoch er ist, liegt seit dem Veranlagungsjahr 2018 nur noch teilweise im Ermessen des Finanzamts. Welche Frist gilt, hängt davon ab, ob der Steuerpflichtige von einem Steuerberater beraten wird oder nicht:

  • Abgabefrist ohne Beratung: 14 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres.
  • Abgabefrist bei Steuernachzahlungen mit Beratung: ab dem ersten Monat.

Erhält der Steuerpflichtige eine Steuererstattung oder wird keine Steuer festgesetzt, muss das Finanzamt keinen Verspätungszuschlag einfordern. Der Zeitraum für die verpflichtende Festsetzung von Verspätungszuschlägen wurde aufgrund von Corona auch verlängert. Für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung beträgt der Verspätungszuschlag 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro.

Bei geringeren Verspätungen oder wenn sich keine Nachzahlung errechnet, hat das Finanzamt einen Ermessensspielraum. Es kann einen Verspätungszuschlag festsetzen, wenn der Steuerpflichtige seine Steuererklärung innerhalb des Zeitraums von 14 Monaten nach Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres abgibt. Kann der Steuerpflichtige die Verspätung glaubhaft rechtfertigen, ist von einem Verspätungszuschlag abzusehen.

Der Streitfall

Finanzämter dürfen das Ermessen nicht willkürlich auslegen, bekräftigt das Finanzgericht (FG) Münster. Im Urteil vom 14. Juni 2024 (4 K 2351/23) entschieden die Richter, dass es für die Ermessenausübung bei Verspätungszuschlägen von Bedeutung ist, ob es zu einer Verzögerung des Veranlagungsverfahrens gekommen ist und ob es sich um eine Nachzahlung, eine Nullsteuer oder eine Erstattung handelt.

Im Streitfall gab der Kläger seine Steuererklärung erst 27 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs ab. Das war – trotz der verlängerten Abgabefristen infolge der Corona-Pandemie – für den von einem Steuerberater vertretenen Steuerpflichtigen sieben Monate zu spät. Nach Anrechnung der Lohnsteuer ergab sich bei der Veranlagung eine Einkommensteuererstattung. Obwohl das Finanzamt nicht dazu verpflichtet war, setzte es einen Verspätungszuschlag in Höhe von 175 Euro fest. Es begründete die Entscheidung damit, dass keine entschuldbare Verspätung des Steuerpflichtigen vorliege. Mit Berufung auf die mögliche Ermessensentscheidung erläuterte das Finanzamt, dass es für die Festsetzung des Verspätungszuschlags nur auf die verspätete Abgabe und das Verschulden ankomme und keine andere Ermessenskriterien gesetzlich vorgegeben seien.

Das Urteil: Keine willkürliche Ermessensausübung

Entgegen der Ausführung des Finanzamts entschied das FG Münster, dass die Gesetzesnorm lediglich eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung vorgebe. Es sei umstritten, ob und gegebenenfalls welche weiteren Ermessenskriterien seitens der Finanzverwaltung zu berücksichtigen seien. Die ermessensfehlerfreie Festsetzung des Verspätungszuschlags setzt jedoch grundsätzlich voraus, dass die Finanzbehörde alle maßgeblichen Kriterien beachtet und gegeneinander abwägt. Hierzu gehören:

  • Schwere des Pflichtverstoßes des Steuerpflichtigen,
  • Dauer und Häufigkeit der Pflichtverletzung,
  • Vorliegen einer Nullfestsetzung oder Erstattung durch die Veranlagung.

Allein auf das Verschulden des Steuerpflichtigen abzustellen, reiche nach Ansicht der Richter im Rahmen der Ermessensentscheidung für den Verspätungszuschlag nicht aus.

Das FG Münster entschied, dass die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer rechtswidrig erfolgte. Grund: Das Finanzamt hat in seine Abwägung nicht miteinbezogen, dass die Steuerfestsetzung zu einer nicht unwesentlichen Erstattung geführt hat. Zudem hat es keine weiteren Gründe genannt, die einen Verspätungszuschlag gerechtfertigt hätten.

Was müssen Steuerpflichtige beachten?

Langer Urlaub, plötzliche Krankheit oder die Kinder, die wichtige Unterlagen verlegt haben – Gründe für eine verspätete Abgabe kann es viele geben. Wer mit einer Erstattung rechnet, kann sich aktuell noch über verlängerte Fristen freuen. Wer nachzuzahlen hat, muss sich jedoch womöglich eine kreative Entschuldigung für die Verspätung ausdenken. „Der Hund, der die Unterlagen verschleppt hat, ist ein Klassiker zum Schmunzeln, hat aber meistens keinen Erfolg“, sagt Steuerberater Mathias Lüschen aus Vechta. „Wer also mehr Zeit für die Einreichung der Steuererklärung benötigt und zusätzliche Belastungen vermeiden möchte, sollte einen Steuerberater oder eine Steuerberaterin beauftragen. Das sichert die Abgabe innerhalb der gesetzlich verankerten verlängerten Frist“, empfiehlt der Experte. „So lassen sich Verspätungszuschläge auch vermeiden, ohne auf eine positive Ermessensentscheidung des Finanzamts hoffen zu müssen.“

Mathias Lüschen
Steuerberater in Vechta
Tel.: +49 4441 9252-0

Kontakt Ecovis:

Unternehmenskommunikation
Tel.: +49 89 5898-266
presse@ecovis.com

Weitere Infos:


Newsletter:
Das Wichtigste für Unternehmen aus Steuern, Recht und Wirtschaft.
Jetzt anmelden