Praktika: Viel Einblick, wenig Rechtssicherheit
Sozialrecht, Verträge, Arbeitszeit: Wer als Unternehmer die Möglichkeit zu Praktika bieten möchte, muss viele Aspekte bedenken – und der Mindestlohn hat die Sache nicht einfacher gemacht.
Praktika werden inzwischen in allen Bereichen der Ausbildung angeboten: Von ersten Orientierungswochen während der Schule über Pflichtpraktika im Studium bis hin zur Abschlussarbeit im Betrieb sind hier zahlreiche Varianten denkbar. Für Unternehmer bieten Praktika interessante Perspektiven, etwa mögliche Auszubildende anzuwerben, den Kontakt mit den Schulen und Universitäten zu pflegen sowie für Branche und Betrieb zu werben.
Auf Unternehmerseite muss ein Praktikum jedoch gut vorbereitet sein, damit es für alle Beteiligten ein Gewinn ist. Für die Suche nach geeigneten Bewerbern müssen Ressourcen eingeplant werden, während der Praktikumszeit müssen die jungen Leute betreut werden. Im besten Fall bleibt das Unternehmen mit ihnen auch nach Ende der Zeit im Betrieb im Kontakt, um potenzielles Fachpersonal an sich zu binden.
In der Praxis sieht das häufig anders aus, berichtet Thomas G.-E. Müller, Rechtsanwalt: „Oftmals werden in der Praxis sogenannte Verlegenheitspraktika vergeben und absolviert. Das heißt: Der Praktikumsplatz wird in letzter Sekunde besetzt.“ Für das Unternehmen heißt das nichts Gutes, denn meistens passen in diesen Fällen weder die Praktikumspartner zusammen noch werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen vollkommen eingehalten. „Für den Erfolg eines Praktikums maßgeblich entscheidend ist dessen sorgfältige Vorbereitung. Der Bewerber sollte frühzeitig und umfassend auf seine Interessensaffinität zum Unternehmen hin geprüft werden. Ergibt sich bereits aus der Motivation kein schlüssiges Motiv, so sollte in beiderseitigem Interesse von der Aufnahme eines Praktikums Abstand genommen werden.“
Drei verschiedene Praktikumsarten
Bei der Beschäftigung von Praktikanten gilt es, einige rechtliche Vorgaben zu beachten. Hier hängt es davon ab, um welche Art von Praktikum es sich handelt. Das Mindestlohngesetz hat eine Definition für Praktika eingeführt und unterscheidet folgende drei Praktikumsarten:
- Orientierungspraktika Diese dauern maximal drei Monate.
- Studien- bzw. ausbildungsbegleitende Praktika Auch diese überschreiten den Zeitraum von drei Monaten nicht, sind jedoch für den Praktikanten nur einmal pro Arbeitgeber vorgesehen.
- Pflichtpraktika Häufig sind in der Prüfungsordnung bestimmte Praktika verpflichtend vorgeschrieben. Die Dauer hängt von der jeweiligen Studien- oder Ausbildungsordnung ab.
Die Sozialversicherung wiederum unterscheidet nach der Lage der Praktika – also zum Beispiel vorgeschriebene Vor-, Nach- und Zwischenpraktika sowie freiwillige Vor-, Nach- und Zwischenpraktika.
Egal um welche Art von Praktikum es sich handelt: Ein schriftlicher Vertrag sollte immer gemacht werden. Rechtsanwalt Thorsten Walther rät außerdem: „Der Vertrag muss vor Tätigkeitsbeginn abgeschlossen sein. Das Fehlen eines Vertrags kann im Streitfall dem Arbeitgeber nachteilig ausgelegt werden.“ Zudem bestehe ohne Vertrag stets Mindestlohnpflicht. Ansonsten gilt: Auch Praktikanten unterliegen grundsätzlich dem Mindestlohn – ausgenommen sind Pflichtpraktika, Orientierungspraktika und berufs- oder hochschulausbildungsbegleitende Praktika bis zu drei Monaten.
Wichtig ist außerdem, das Praktikum von einem Arbeitsverhältnis abzugrenzen. Der wesentliche Unterschied zwischen einem Praktikum und einem Arbeitsverhältnis besteht in der Arbeitsleistung. Ein Praktikant schuldet keine Arbeitsleistung. Er soll grundsätzlich lediglich berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen erwerben. Wird dem Praktikanten hingegen eine Arbeitsleistung abverlangt, so schuldet der Unternehmer die übliche Vergütung. Es handelt sich dann um ein Scheinpraktikum. Eine folgenschwere Konstellation für den Unternehmer, der dann auch Sozialversicherungsbeiträge hätte abführen müssen.