Wachstumschancengesetz: Nationale Meldepflicht von Steuergestaltungen kommt
Am 30. August 2023 hat das Bundeskabinett den Entwurf zum Wachstumschancengesetz beschlossen. Das Gesetz sieht unter anderem die Einführung einer nationalen Meldepflicht für Steuergestaltungen vor. Was mit der neuen Meldepflicht auf Steuerpflichtige und ihre Berater zukommt, erklären und kommentieren die Ecovis-Experten.
Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltung
Mindern Steuerzahler ihre Abgabelast durch eine innerstaatliche Steuergestaltung, dann besteht dafür zukünftig eine nationale Meldepflicht. Sie müssen diese Gestaltung innerhalb von zwei Monaten elektronisch beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) melden. Der Gesetzgeber will damit keine Mehreinnahmen erzielen, sondern mithilfe der Informationen bei künftigen Gesetzgebungsvorhaben Schlupflöcher schließen und vermeiden oder mittels Erlassen verhindern. Konkrete Mehrsteuern soll es nicht geben.
Die laufenden Kosten des Vorhabens werden sich nach den einmaligen Verwaltungskosten von ungefähr 13 Millionen Euro voraussichtlich auf jährlich rund 4,4 Millionen Euro belaufen. Der Gesetzgeber rechnet mit rund 5.000 Meldungen pro Jahr. Für jede Meldung vergibt die Finanzverwaltung dann eine Registrierungsnummer und eine Offenlegungsnummer, welche bei allen Steuererklärungen anzugeben sind.
Wer ist von der neuen Meldepflicht betroffen?
Grundsätzlich sind alle Beteiligten einer Steuergestaltung betroffen. Damit nimmt die Regelung – wie schon bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen – auch die Intermediäre, also meist die Berater, Initiatoren oder diejenigen, die das Konzept umsetzen, in die Pflicht. Allerdings kann die Meldepflicht auch auf den Nutzer der Gestaltung übergehen. Das ist der Fall, wenn der Mandant seinen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt, nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbindet.
Außerdem gilt laut des Regierungsentwurfs zum Wachstumschancengesetz folgendes:
- Personen oder Gesellschaften mit einem verstetigten Einkommen von weniger als zwei Millionen Euro pro Jahr oder Unternehmen mit steuerbaren Umsätzen von weniger als 50 Millionen Euro pro Jahr sollen keiner Meldepflicht unterliegen.
- Für Konzerne im Sinne von Paragraph 18 des Aktiengesetzes gelten diese Schwellen ebenfalls bezogen auf die jeweiligen Summen der Konzerngesellschaften, wobei nur positive Ergebnisse der einzelnen Konzernunternehmen berücksichtigt werden sollen.
- Bei Erbschaften und Schenkungen gelten keine Einkommensgrenzen. Hier sollen stattdessen die Meldepflichten bei einem zu übertragenden Vermögen von mehr als vier Millionen Euro greifen.
- Gesellschaften mit einem Immobilienvermögen von mehr als fünf Millionen Euro müssen Anteilsübertragungen künftig melden.
- Außerdem sieht der Gesetzgeber Sonderregelungen für vom Ausland beherrschte Gesellschaften und für bestimmte Investmentfonds und deren Anleger vor.
Welche Gestaltungen sind künftig zu melden?
Nur solche Gestaltungen sind meldepflichtig, bei denen drei Merkmale erfüllt sind:
- Eine bestimmte Steuerart muss betroffen sein. Neben den Ertragsteuern, dazu gehören Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, können auch Gestaltungen im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer betroffen sein.
- Der Hauptvorteil der Gestaltung muss das Erlangen eines Steuervorteils sein. An dieser Stelle bleibt der Gesetzgeber jedoch relativ vage und es liegt im Auge des Betrachters, wann denn der Steuervorteil der Hauptzweck oder einer der Hauptzwecke ist.
- Die Gestaltung muss mindestens ein Strukturmerkmal erfüllen. Dazu zählt, dass die Gestaltung laut Vertrag eine Vertraulichkeitsvereinbarung oder ein Erfolgshonorar vorsieht. Vorgefertigte Konzepte, die mit geringem Aufwand auf den jeweiligen Fall angepasst werden können, fallen ebenfalls unter das Strukturmerkmal. Auch diese schädlichen Gestaltungen können das Merkmal einer strukturierten Gestaltung erfüllen und somit eine Meldepflicht auslösen, etwa
- die Nutzbarmachung von vergangenen sowie künftigen steuerlichen Verlusten,
- die Umwandlung von Einkommen in Vermögen,
- Mehrfachberücksichtigungen eines Steuervorteils bei mehreren Personen,
- die Zwischenschaltung wirtschaftlich untätiger Unternehmen oder
- unangemessene rechtliche Schritte zur Erlangung eines Vorteils bei der Kapitalertragsteuer.
Schwachpunkte des Regierungsentwurfs
In seiner jetzigen Form ist das Gesetz an manchen Stellen sehr interpretationsfähig. Außerdem hat der Gesetzgeber bei seiner Kostenplanung mit 5.000 Meldefällen gerechnet. Da es jedoch alleine in Deutschland mehr als 88.000 Steuerberater- und Steuerberatungsgesellschaften gibt und auch noch Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die ebenfalls im steuerlichen Bereich beraten, hinzukommen, ist diese Anzahl sehr niedrig geschätzt. So hoch die Einkommensgrenzen auf den ersten Blick sind, so häufig wird wohl die Konzernunternehmensgröße einschlägig werden.
Ein Beispiel für eine Gestaltung, die bereits meldepflichtig wäre: Eine Mutter hat fünf Millionen Euro pro Jahr und will das Vermögen den Kindern schenken. Kauft sie beispielsweise einen Wald oder ein Windrad, lässt sich das ohne Steuerzahlung auf die Nachkommen übertragen.
Das kommt auf Unternehmen zu
„Sollte der vom Kabinett verabschiedete Gesetzesentwurf in dieser Form den Bundesrat passieren befürchten wir, dass sich Unternehmen auf zeit- und kostenintensive Prüfungen, ob eine Gestaltung meldepflichtig ist oder nicht, einstellen müssen. Gerade jetzt, wo die Betriebe teils massiv um ihr Überleben kämpfen, kommen weitere bürokratische Hürden verbunden mit finanziellem Aufwand absolut zur Unzeit“, sagt Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Armin Weber bei Ecovis in München.
„Als Beraterinnen und Berater des Mittelstands haben wir zusammen mit den Berufsverbänden daran gearbeitet, die Meldepflicht zu verhindern. Noch ist das Kind nicht ganz in den Brunnen gefallen, denn die Meldepflicht soll erst ab 2025 gelten. Es bleibt also noch ein wenig Zeit, um über die geplanten Einzelheiten zu sprechen“, sagt Ecovis-Geschäftsführer Alexander Weigert. „Leider kann man der Meldepflicht wenig Positives abgewinnen. Denn wenn man bedenkt, dass die Maßnahmen keinerlei Mehreinnahmen schaffen, mag man an der Ernsthaftigkeit des Bürokratieabbaus in Deutschland zweifeln“, kritisiert er.