Was gilt beim Freibetrag für das Kind eines zivilrechtlich als verstorben geltenden Elternteils
In seinem Urteil vom 31. Juli 2024 entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass ein im Zivilrecht als verstorben geltender Elternteil nicht automatisch auch im Erbschaftsteuerrecht als verstorben gilt. Die Details kennt Peter Knop, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Ecovis in München.
Ein Freibetrag im Steuerrecht ist ein Betrag, der die Steuerbemessungsgrundlage mindert. Im Gegensatz zur Freigrenze sind bei einer Überschreitung des Betrags nicht die gesamten Einkünfte steuerpflichtig, sondern nur der Teil, der den Freibetrag übersteigt.
Die Freibeträge in der Erbschaftssteuer fallen je nach verwandtschaftlicher Nähe zum Verstorbenen unterschiedlich hoch aus. Kindern und Kindern von verstorbenen Kindern, also Enkeln, deren Elternteil verstorben ist, steht ein Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro zu. Wenn die Eltern aber noch leben, dann erhält der Enkel laut Gesetz nur einen Freibetrag von 200.000 Euro.
Der Fall:
Der Kläger erbte ein Viertel des Nachlasses seines Großvaters. Zuvor hatte der Vater des Klägers auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. In der Erbschaftsteuererklärung beantragte der Kläger daher einen Freibetrag von 400.000 Euro (Paragraf 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 Erbschaftsteuergesetz, ErbStG). Er berief sich dabei auf die Vorversterbensfiktion (Paragraf 2346 Abs. 1, S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Nach dieser behandelt der Gesetzgeber einen im Testament genannten Erbe so, als wäre er schon vor dem Erblasser tot gewesen. Der Kläger sah sich somit als Kind eines verstorbenen Kindes.
Das zuständige Finanzamt gewährte dem Kläger jedoch nur einen Freibetrag in Höhe von 200.000 Euro. Es sah den Kläger nur als das Enkelkind des Erblassers an. Der Vater des Klägers beziehungsweise der Sohn des Großvaters, lebte zum Zeitpunkt des Erbfalls noch. Dass der Vater zuvor bereits förmlich gegenüber dem Großvater des Klägers auf sein Erbe aus der vorweggenommenen Erbfolge verzichtet hatte, hatte für das Finanzamt keine Relevanz. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein.
Das Urteil des BFH
In seinem Urteil gab der BFH der Entscheidung des Finanzamts recht und unterschied in seiner Begründung klar zwischen der zivilrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Sicht (Urteil vom 31. Juli 2024, II R 13/22).
Zivilrechtliche Sicht:
Das BGB kennt eine Vorversterbensfiktion. Verwandte oder Ehegatten des Erblassers können demnach durch einen Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist dann von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und wird zum Zeitpunkt des Erbfalls so behandelt, als würde er nicht mehr leben. Aus zivilrechtlicher Sicht galt der Vater des Klägers, der auf sein Erbe verzichtet hat, im vorliegenden Fall als verstorben, obwohl er in Wirklichkeit noch lebte.
Erbschaftsteuerrechtliche Sicht:
Der BFH hat in seinem Urteil klargestellt, dass die zivilrechtliche Fiktion nicht bewirkt, dass das Kind – hier der Vater des Klägers –, das auf das Erbe verzichtet, auch im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes als verstorben gilt. Folglich kann der Kläger, also der Enkel des Erblassers, nicht den Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro erhalten, da sein Vater laut Erbschaftsteuergesetz noch lebt.
In der Konsequenz gewährte das Finanzamt dem Kläger einen Freibetrag von 200.000 Euro (Paragraf 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) und setzte entsprechend mit Bescheid die Erbschaftsteuer fest.
Unser Tipp: Nachlass richtig planen
„Das aktuelle Urteil des BFH verdeutlicht, wie wichtig die Unterscheidung zwischen Erbschaftsteuerrecht und Zivilrecht im Rahmen der Nachlassplanung ist“, sagt Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Knop. „Während das Zivilrechteinen Elternteil als fiktiv tot ansehen kann, folgt das Erbschaftsteuerrecht bei der Bestimmung der Freibeträge dieser Fiktion nicht“, erklärt der Ecovis-Experte.
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