Insolvenzwelle im Baugewerbe: Was Betroffene bei offenen Restleistungen tun können
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Insolvenzwelle im Baugewerbe: Was Betroffene bei offenen Restleistungen tun können

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Im ersten Beitrag der Serie „Insolvenzwelle im Baugewerbe: Was passiert, wenn der Bauträger pleite geht“ erklärte Alexander Ronert, Rechtswalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei Ecovis in München, dass Käufer auch nach der Insolvenzanmeldung des Bauträgers einen Anspruch auf Eigentumsübertragung des Grundstücks haben. Was aber können Betroffene, deren Bau stockt, bei offenen Restleistungen tun?

Wahlrecht des Insolvenzverwalters

Zunächst müssen Käufer wissen, dass die Insolvenz des Bauträgers aus rechtlicher Sicht zu einer Aufspaltung des Bauträgervertrags in zwei Teile führt und zwar

  • in einen kaufvertraglichen Leistungsanteil, der den Kauf des Grundstücks umfasst und
  • in einen werkvertraglichen Leistungsanteil, der die vertraglich geschuldete Herstellung des Bauvorhabens umfasst.

Hinsichtlich des werkvertraglichen Leistungsanteils, also der vertraglichen Verpflichtung des insolventen Bauträgers zur Herstellung des Bauvorhabens, steht dem Insolvenzverwalter im Gegensatz zum kaufvertraglichen Leistungsanteil, also der Übertragung des Grundstücks, ein Wahlrecht zu. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter nach der Insolvenzordnung (InsO) entscheiden darf, ob er

  • an dem geschlossenen Bauträgervertrag festhält und diesen an Stelle des Bauträgers erfüllt, oder aber
  • die weitere Vertragserfüllung, also die Fertigstellung des Bauvorhabens und Übergabe der Schlüssel, ablehnt, womit das Bauvorhaben endgültig eingestellt wird (Paragraph 103 Abs. 1, Abs. 2, InsO).

Die Folgen des Wahlrechts für die Käufer

Entscheidet sich der Insolvenzverwalter, dass er den Bauträgervertrag erfüllt, wird er das Bauvorhaben wie vereinbart fertigstellen lassen. Im Gegenzug muss der Käufer dann auch den restlichen Kaufpreis für die Fertigstellung des Bauvorhabens bezahlen. Haben Käufer allerdings auf Wunsch des Bauträgers mehr gezahlt, als gebaut wurde – der objektive Wert der Bauleistung bleibt hinter der gezahlten Vergütung zurück –, können sie dem Insolvenzverwalter diese Zahlungen nicht entgegenhalten. Sie müssen stattdessen etwaige Rückzahlungsansprüche zur Forderungstabelle fristgerecht anmelden. Käufern ist deshalb anzuraten, keine Extrazahlungen an den Bauträger zu leisten, selbst wenn dieser aufgrund Zahlungsschwierigkeiten mit einem Baustopp droht.

Wählt der Insolvenzverwalter (im Normalfall) hingegen die Ablehnung der weiteren Vertragserfüllung, steht die Baustelle auch zukünftig still. Der werkvertragliche Teil kehrt sich in ein Abrechnungsverhältnis um. Dies hat zur Folge, dass der Käufer dem Insolvenzverwalter eine möglicherweise noch offene Teilvergütung für das Grundstück und für die bis zur Insolvenz erbrachten Bauleistungen zahlen muss. Welchen Wert das Grundstück sowie die bis zum Zeitpunkt der Insolvenz erbrachten Bauleistungen haben, ist unter Umständen gutachterlich zu ermitteln. In diesem Fall sprechen die Experten von der „Ermittlung des Bautenstands“.

Betroffene bleiben also im schlimmsten Fall auf einer Bauruine sitzen und müssen das Bauvorhaben durch Beauftragung eines neuen Bauunternehmers fertigstellen lassen. Das einzig gute: Dem Zahlungsanspruch des Insolvenzverwalters können Käufer zumindest ihnen zustehende Schadensersatzansprüche entgegenhalten. Hierunter fallen beispielsweise vertraglich vereinbarte Strafzahlungen im Fall der schuldhaft verzögerten Fertigstellung oder aber auch Mehrkosten, die dem Käufer infolge der Ausführung der noch unerledigten Restarbeiten entstanden sind. Übersteigt der Schaden allerdings den an den Insolvenzverwalter zu zahlenden Restkaufpreis, bleibt Betroffene nur die finanziell ungünstige Möglichkeit, den Schaden zur Insolvenztabelle anmelden. Wichtig ist es daher im Einzelfall, sowohl den Bautenstand als alle Mängel- und Schadensersatzansprüchen gutachterlich sowie anwaltlich prüfen zu lassen, um die finanziellen Verluste möglichst kleinzuhalten

Aber Achtung: Käufer sollten unter keinen Umständen vor einer Entscheidung des Insolvenzverwalters mit der eigenmächtigen Fertigstellung beginnen. Dies kann zur Folge haben, dass sie sich gegenüber dem Insolvenzverwalter schadenersatzpflichtig machen, weil sie dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht genommen haben. Sollten die Nachunternehmer des Bauträgers also darum bitten, dass diese vom Käufer direkt beauftragt und bezahlt werden, ist Vorsicht geboten.

Fazit

Käuferinnen und Käufer müssen bei offenen Restleistungen zunächst die Entscheidung des Insolvenzverwalters zur Fortführung des Bauvorhabens abwarten. Sollte der Insolvenzverwalter die Ablehnung wählen und nicht weiterbauen, bleibt Käufern nur die Möglichkeit, das Bauvorhaben mit eigenen Mitteln fertigstellen zu lassen.

Insolvenzwelle im Baugewerbe

Alexander Ronert, LL.M.
Rechtsanwalt in München
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