Verlustabzug: Verrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften nicht mit dem Grundgesetz vereinbar
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Beschluss vom 7. Juni 2024 im Rahmen eines AdV-Antrags (AdV = Aussetzung der Vollziehung) beschlossen, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte nach summarischer Prüfung nicht mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar ist. Das Urteil erklärt Ecovis-Steuerberaterin Katrin Pestner in Borna.
Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurde die Regelung zur Verlustverrechnung für Termingeschäfte im Privatvermögen geändert. Seit dem Veranlagungszeitraum 2021 dürfen Steuerpflichtige Verluste im laufenden Kalenderjahr nur in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften (Paragraph 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz, EStG) verrechnen.
Der vom Gericht zu klärende Sachverhalt
In dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ging es um zusammenveranlagte Eheleute, die in ihrer Einkommensteuererklärung Kapitalerträge aus Termingeschäften in Höhe von 250.631 Euro und Verluste aus Termingeschäften in Höhe von 227.289 Euro erzielten. Das Finanzamt ermittelte die Kapitaleinkünfte und wendete dabei die betragsmäßige Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte an. Gegen den Steuerbescheid legten die Eheleute Einspruch ein mit der Begründung, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung verfassungswidrig sei.
Der Gesetzgeber rechtfertigt die ungleiche Behandlung von Gewinnen aus Termingeschäften mit dem spekulativen Charakter der Termingeschäfte. Er will durch diese Regelung Anleger vor möglichen hohen Verlustrisiken schützen.
Im Streitfall führte die Verlustabzugsbeschränkung bei den beiden Eheleuten dazu, dass die Verluste über mindestens zehn Jahre vorzutragen wären, um sie auszugleichen – soweit überhaupt Gewinne erzielt worden wären.
Der BFH hat nun in seinem Beschluss vom 7. Juni 2024 die ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung bejaht und ausgeführt, warum die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind (VIII B 113/23).
Die Argumentation des BFH
Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit. In Artikel 3 ist gefordert, dass die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist.
Laut Senat bewirkt der Paragraph 20 Abs. 6 S. 5 EStG eine doppelte Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen. Sie können die Verluste aus Termingeschäften nur sehr beschränkt mit anderen Einkunftsquellen aus anderen Kapitalanlagen verrechnen (sachliche Beschränkung). Darüber hinaus sind die vorgetragenen Verluste jeweils nur in Höhe von 20.000 Euro mit Netto-Gewinnen aus Termingeschäften nutzbar.
Das Ergebnis dieser Vorgehensweise: Der Fiskus besteuert wirtschaftlich nicht erzielte Gewinne aus Termingeschäften, wenn die Differenz von Gewinnen und Verlusten den Betrag von 20.000 Euro im Verlustentstehungsjahr übersteigen. Verluste aus Termingeschäften, denen Gewinne aus Termingeschäften gegenüberstehen, schließen die Finanzbehörden im Verlustentstehungsjahr vom Verlustausgleich aus, wenn sie über der Verlustverrechnungsgrenze in Höhe von 20.000 Euro liegen. Verbleibende Gewinne aus Termingeschäften müssen Steuerpflichtige aber vollumfänglich versteuern. Das widerspricht dem objektiven Nettoprinzip, nachdem Gewinne und Verluste steuerlich gleich zu behandelt sind (Paragraph 20 EStG Rz J 20-4).
Durch Paragraph 20 Abs. 6 S. 5 EStG kommt es also – wie auch im Streitfall – dazu, dass das Finanzamt im Verlustentstehungsjahr Gewinne aus Termingeschäften besteuert, die der Steuerpflichtige wirtschaftlich gar nicht erzielt hat. „Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollten Steuerpflichtige negative Bescheide, sofern sie nicht vorläufig ergangen sind, mit einem Einspruch offenhalten“, sagt Steuerberaterin Pestner.
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